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Demokratie mit Lineal – Indiana malt sich die Welt, wie sie ihr gefällt
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- tmueller
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Man sagt, Politik sei die Kunst des Machbaren. In den USA ist sie inzwischen auch die Kunst des Zeichnens. Willkommen in Indiana, wo Gouverneur Mike Braun gerade zur großen Kunstausstellung der „Republikanischen Grenzverschiebung“ eingeladen hat. Offiziell nennt man das Neuziehung der Wahlkreise, inoffiziell aber handelt es sich um das älteste politische Handwerk der Welt: Gerrymandering – die edle Disziplin, Wahlbezirke so zu gestalten, dass die Demokratie am Ende ganz zufällig so aussieht, als hätte sie ein Parteisekretär in Trumps Golfclub entworfen.
Der Gouverneur und seine patriotische Buntstiftarmee
Gouverneur Braun beruft also eine Sondersitzung ein – natürlich nicht etwa, um über Bildung, Gesundheitsversorgung oder das Klima zu sprechen. Nein, Indiana steht vor einer weitaus größeren Bedrohung: den „Einflüssen anderer Bundesstaaten“, die angeblich die stolze Stimme Indianas in Washington schwächen könnten. Klingt nach außenpolitischer Notlage, betrifft aber in Wahrheit nur den inneramerikanischen Sandkasten.
„Ich schütze die Einwohner Indianas vor Bestrebungen anderer Staaten“, erklärte Braun feierlich. Übersetzt heißt das: Ich will sicherstellen, dass unsere Stimmen doppelt zählen, bevor Kalifornien merkt, was passiert.
Während Braun diese demokratische Heldenreise verkündet, poliert man in den Parteibüros bereits die Geodreiecke. Die neuen Linien werden gezogen – und zwar so kunstvoll, dass Picasso neidisch geworden wäre.
Demokratie? Ja – aber bitte in Parteiform
Die republikanische Begründung klingt natürlich edel: Man wolle „faire Repräsentation sicherstellen“. Aber „fair“ ist hier so dehnbar wie ein alter Gummizug. Fair ist alles, was der eigenen Partei nutzt. Fair ist, wenn man Wahlkreise so zurechtschneidet, dass der Gegner auf wundersame Weise nur noch in Form eines einzelnen blauen Punkts auf der Karte existiert.
Das hat Tradition. Schon seit dem frühen 19. Jahrhundert wird in Amerika an Wahlkreisen herumgezeichnet, als ginge es um ein kreatives Schulprojekt. Damals wurde ein Bezirk in Massachusetts so grotesk zugeschnitten, dass er wie ein feuerspeiender Salamander aussah – und so war der Begriff Gerrymander geboren. Indiana führt diese Tradition nun mit Stolz fort.
Nur dass heute keine Salamander mehr entstehen, sondern Wahlkreise, die aussehen wie der Grundriss eines Unfallwagens.
Trump, der politische Innenarchitekt
Natürlich steht über all dem ein Name wie ein roter Leuchtturm im Nebel: Donald Trump. Der Ex-Präsident, der glaubt, Wahlergebnisse seien nur dann legitim, wenn er sie gewinnt, hat die Republikaner in Indiana zu dieser Aktion gedrängt. Er betrachtet Gerrymandering offenbar als patriotische Pflichtübung – eine Art „Make Democracy Great Again“, nur mit Bleistift und Lineal statt mit Wahlurnen.
Man könnte fast meinen, Trump säße nachts in Mar-a-Lago mit einem riesigen Atlas auf dem Schoß, bewaffnet mit einem dicken roten Filzstift, und murmelt: „Wenn ich schon keine Mauer bauen darf, dann zieh ich halt Linien!“
Die Demokraten: Gleiche Tricks, andere Farbe
Die Demokraten zeigen sich empört – natürlich. „Undemokratisch!“, rufen sie. Doch während sie das sagen, basteln sie in Kalifornien an eigenen blauen Grenzverläufen. Dort soll das republikanische Rot möglichst effizient neutralisiert werden. Es ist ein bisschen wie bei zwei Kindern, die sich gegenseitig beschuldigen, geschummelt zu haben – während beide mit Klebstoff in der Hand neben dem Monopolybrett sitzen.
So wird der demokratische Grundgedanke – „eine Stimme pro Bürger“ – in den USA längst mit der Präzision eines Marketing-Slogans ausgehöhlt. Die einen nennen es Repräsentation, die anderen nennen es kreatives Kartenlegen.
Die Geometrie des Machterhalts
Das wirklich Erstaunliche am Gerrymandering ist, wie absurd es aussehen kann. Wahlkreise, die sich über drei Counties schlängeln, dann plötzlich abbrechen, um eine feindliche Vorstadt auszuschließen, und sich anschließend wieder zusammensetzen wie ein politischer Frankenstein.
In Indiana darf man sich also auf neue Landkarten freuen, die so gar nichts mehr mit Geografie zu tun haben. Sie sind eine Mischung aus politischem Origami, Egoismus und taktischem Wahnsinn.
Aber hey – das Ganze hat auch etwas Poetisches. Denn was sind Wahlkreise anderes als die Linien, mit denen eine Nation ihre Werte umrahmt? In diesem Fall sind die Werte allerdings parteilich, und die Rahmen asymmetrisch.
Demokratie made in Indiana
Während Gouverneur Braun die Reform als „Schutzmaßnahme für das Volk“ verkauft, könnte man es ehrlicher ausdrücken: Indiana schützt seine Macht – nicht seine Bürger. Und wenn der Rest der USA jetzt lautstark „Betrug!“ ruft, darf man sich daran erinnern, dass alle mit dem gleichen Stift malen.
Die amerikanische Demokratie gleicht mittlerweile einem Malbuch, in dem jede Partei ihre Lieblingsseiten doppelt ausdruckt. Und Indiana hat sich nun entschieden, seine Seiten mit besonders dicker roter Tinte zu übermalen.
In Washington wird das sicher als Sieg der „Demokratie“ gefeiert – jener Demokratie, die man mit Geodreieck und Trump’scher Handschrift gestaltet.