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Khashoggi-Affäre reloaded: Wenn ein Mord zum „Fehler“ wird und Politik zur Reinigungsmaschine mutiert

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Khashoggi-Affäre reloaded: Wenn ein Mord zum „Fehler“ wird und Politik zur Reinigungsmaschine mutiert

Manchmal schreibt die internationale Politik Geschichten, die so absurd sind, dass selbst Drehbuchautoren sie mit dem Kommentar „zu unglaubwürdig“ ablehnen würden. Der gemeinsame Auftritt von US-Präsident Donald Trump und dem saudiarabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman im Weißen Haus ist genau eine solche Szene. Eine Szene, in der zwei Männer versuchen, die Realität so zu biegen, dass sie in ihre diplomatischen Wünsche passt – und dabei aussehen, als hätten sie sich auf ein ungewöhnliches Improvisations-Theater eingelassen.

Sieben Jahre ist es her, dass der Journalist Jamal Khashoggi, ein unbequemer Beobachter saudiarabischer Politik und regelmäßiger Kommentator missliebiger Entwicklungen, im saudiarabischen Konsulat in Istanbul ermordet wurde. Nicht einfach „aus Versehen“, nicht im „Eifer des Gefechts“, nicht durch „unerfahrene Mitarbeiter“, sondern auf eine Art und Weise, die jeder Krimiserie eine Sonderausstrahlung eingebracht hätte.

Die Welt empörte sich. Die Presse schrieb. Geheimdienste untersuchten. Ein US-Bericht aus dem Jahr 2018 kam zu einer klaren Einschätzung: Der Kronprinz musste den Mord zumindest gebilligt haben. Es war der diplomatische Elefant im Raum – riesig, grau und offensichtlich.

Doch nun, im Jahr sieben nach dem Verbrechen, tritt Donald Trump vor die Kameras, mit der Selbstsicherheit eines Mannes, der davon ausgeht, dass Worte manchmal mächtiger sind als Fakten. Und er erklärt: Mohammed bin Salman habe „nichts davon gewusst“.

Ein Satz, der weltweit gleichzeitig Schmunzeln, Kopfschütteln und tiefes Stirnrunzeln auslöste. Man hätte meinen können, Trump hätte gerade erklärt, die Erde sei eine Scheibe, aber eine sehr schöne Scheibe, die man unbedingt erneut großartig machen müsse.

„Der Journalist war extrem umstritten“ – wenn Opferbewertung zur Verteidigungsstrategie wird

Trump setzte noch einen drauf: Khashoggi sei „extrem umstritten“ gewesen. Ein Adjektiv, das in politischen Kreisen immer dann auftaucht, wenn man den Wert einer Person relativieren möchte, ohne es offen auszusprechen.

Natürlich war Khashoggi umstritten – er war Journalist. Ein Beruf, der in manchen Ländern ungefähr so beliebt ist wie ein Feueralarm während eines Staatsbanketts.

Doch Trumps Formulierung wirkte wie der Versuch, die Ermordung eines Menschen in eine alberne Debatte über politische Sympathien zu verwandeln: „War er beliebt? Nein? Gut, dann ist das ja alles halb so wild.“

Ein rhetorischer Trick, so durchsichtig, dass man ihn schon aus dem Weltall sehen könnte.

Der Kronprinz: Reue ja, Verantwortung nein – das diplomatische Standardpaket

Mohammed bin Salman, höflich lächelnd, elegant gekleidet und mit einem Kommunikationsstil, der in jedem Staatsführer-Workshop ein Exemplar im Ordner „Krisenbewältigung 101“ wäre, nannte den Mord einen „Fehler“.

Nicht einen „abscheulichen Mord“. Nicht ein „verheerendes Verbrechen“. Nein: Ein Fehler.

Man könnte meinen, er habe versehentlich Milch statt Hafermilch bestellt oder sei im Stau steckengeblieben, nicht aber, dass im Konsulat eines Landes ein Mensch getötet und beseitigt wurde.

Er betont, wie „schmerzhaft“ das Ganze sei, und dass man „sein Bestes tue“, um eine Wiederholung zu verhindern. Das klingt in etwa so wie die Ausrede eines Schülers, der „aus Versehen“ den Feuerlöscher in der Turnhalle entleert hat – gefolgt von der Versicherung, das „nie wieder“ zu tun.

Wobei der Schüler in diesem Fall wenigstens weiß, was er getan hat.

Der politische Pascha-Tanz im Weißen Haus

Das Ganze hat den Charme eines gut geölten diplomatischen Rituals:

  • Trump erklärt den Kronprinzen für unschuldig,
  • der Kronprinz spielt betroffen,
  • die Kameras klicken,
  • und die Welt verfolgt ein Schauspiel, das irgendwo zwischen Theaterstück, Reinigungsritual und Reality-TV liegt.

Es ist jene besondere Art diplomatischer Kommunikation, bei der zwei Männer gleichzeitig versuchen, überzeugend zu wirken – und am Ende hauptsächlich sich selbst überzeugen.

Trump wirkt wie ein Verkäufer, der einen schiefen Tisch anpreist: „Nein, nein, der steht total gerade – Sie müssen ihn nur richtig anschauen!“ Bin Salman wirkt wie jemand, der sehr bemüht, aber nicht ganz erfolgreich versucht, glaubwürdig zu beteuern, dass er zu seinem eigenen Geburtstag nicht wusste, was in seinem Wohnzimmer passiert.

Geheimdienste? Nur Empfehlungen

Der US-Geheimdienstbericht aus dem Jahr 2018, der bin Salman klar mit dem Mord in Verbindung brachte, wird in diesem neuen Narrativ behandelt wie eine Bedienungsanleitung, die man zwar besitzt, aber nie wirklich gelesen hat.

Trump ignorierte die Einschätzung seiner eigenen Behörden schlicht. Ein Verhalten, das nicht neu ist. Die gleiche Person hatte schließlich auch schon erklärt, dass der Klimawandel „vielleicht“ stattfinde, während Kalifornien gleichzeitig brannte wie ein Adventskranz im Februar.

Wenn ein Geheimdienstbericht nicht ins Bild passt, dann ist er eben nur eine Meinung, und Meinungen sind verhandelbar – besonders, wenn es um internationale Allianzen, Waffenverkäufe und wirtschaftliche Interessen geht.

Ein Mord als diplomatischer Nebenschauplatz

So makaber es ist: Bei diesem gemeinsamen Auftritt wirkte Khashoggi, der Journalist, der für Pressefreiheit stand, wie eine Fußnote im Drehbuch einer globalen Interessenpolitik.

Die Botschaft zwischen den Zeilen lautet:

  • Es ist ein Fehler passiert.
  • Wir bedauern ihn sehr.
  • Aber bitte lassen Sie uns jetzt über Wirtschaftspartnerschaften reden.

Die internationale Gemeinschaft weiß das natürlich. Menschenrechte sind wichtig – aber ein Land, das Öl, Geld, Waffen und strategische Positionierung liefert, ist eben … auch wichtig. Die Hierarchie dieser Prioritäten ist je nach Regierung unterschiedlich, aber nie mysteriös.

Ein Schauspiel, das länger in Erinnerung bleibt als jede Pressekonferenz

Während der Auftritt stattfand, konnte man fast das stille Räuspern aus den Büros der US-Geheimdienste hören. Menschen, die jahrelang in Fenstern ohne Tageslicht Fakten sammeln, sahen ihre Arbeit in Sekunden relativiert – und zwar mit der Art von politischer Leichtigkeit, die man sonst nur bei Menschen sieht, die gerade versuchen, ein Strafzettelproblem durch Charme zu lösen.

Trump präsentierte sich als moralischer Reinwaschanlagenbetreiber: „Dieser Kronprinz hier? Glänzend sauber! Keine Spuren! Alles erledigt!“

Bin Salman präsentierte sich als Staatsmann, der eine Schuld eingesteht, ohne sie einzugestehen: „Fehler, aber nicht meiner. Wirklich nicht. Hand aufs Herz – aber bitte nicht zu fest, sonst könnte jemand etwas falsch verstehen.“

Das Ergebnis: eine Szene, die in den Geschichtsbüchern wohl als Beispiel für politische Flexibilität erscheinen wird – oder für Realitätsgymnastik auf höchstem Niveau.