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Gerrymandering im Lone-Star-Land: Wenn Texas Linien zieht und die Demokratie die Notbremse zieht

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Gerrymandering im Lone-Star-Land: Wenn Texas Linien zieht und die Demokratie die Notbremse zieht

In Texas wird wieder einmal Weltpolitik auf dem Zeichenbrett betrieben. Nicht im übertragenen Sinne – nein, ganz wörtlich. Dort sitzen politische Strategen über Landkarten, Lineale, Software-Tools und vermutlich mehreren Gallonen texanischen Kaffees und ziehen die Grenzen der Wahlkreise neu. Es ist die demokratische Version eines Kindergeburtstags-Malwettbewerbs – nur dass es am Ende um Macht, Sitze im Kongress und die Frage geht, wer in Washington künftig bestimmen darf, wie viele Steaks steuerlich absetzbar sind.

Das Problem an der Sache: Während Kinder beim Zeichnen wenigstens versuchen, innerhalb der Linien zu bleiben, haben die texanischen Republikaner beschlossen, dass Linien eigentlich nur Empfehlungen sind. Sie sind flexibel, sie sind biegbar, sie sind formbar wie ein übermotiviertes Knetgummitier.

Willkommen im Gerrymandering, der Lieblingsfreizeitaktivität amerikanischer Parteien.

Gerrymandering – wenn Demokratie in geometrischer Verzweiflung endet

Gerrymandering ist die Kunst, Wahlkreise so kunstvoll zu verzerren, dass man kaum glauben kann, dass die USA jemals Geografielehrpläne hatten. Da entstehen Formen, die aussehen wie betrunkene Seepferdchen, politisch manipulierte Kraken oder die Skizzen eines modernen Künstlers, der gerade beschlossen hat, dass Realität überbewertet wird.

Zwei Grundregeln leiten dieses Ritual:

  1. Bündele die eigenen Wähler so dicht wie Sardinen in der Dose.
  2. Verstreue die gegnerischen Wähler wie Streusand in einem Windkanal.

Die texanische GOP hat diese Regeln nicht nur verstanden – sie hat sie verinnerlicht wie ein spirituelles Motto. Nirvana? Freiheit? Nein: „Wir schneiden, also sind wir.“

Der texanische Plan: fünf Sitze extra, bitte schön

Die republikanische Partei von Donald Trump hatte sich im Sommer ausgemalt, wie man durch einen cleveren (oder dreist kreativen) Zuschnitt der Wahlkreise bis zu fünf zusätzliche Sitze im Repräsentantenhaus gewinnen könnte.

Fünf Sitze! Das ist in Washington ungefähr so attraktiv wie fünf zusätzliche Parkplätze direkt vor dem Kapitol – selten, umkämpft und politisch Gold wert.

Greg Abbott, der Gouverneur von Texas, unterschrieb das neue Gesetz mit jener Mischung aus Selbstbewusstsein und „Ich weiß, dass das Ärger gibt, aber ich will trotzdem“, die man normalerweise bei Menschen sieht, die vor Publikum auf einem Bullenreiten-Automaten sitzen.

Doch dann kam die Justiz.

Die Richter in San Antonio: „Nein.“ – kurz, bündig, schmerzhaft

Ein Bundesgericht erklärte den neuen Wahlkreiszuschnitt für unzulässig. Einstweilige Verfügung. Schluss. Aus. Karte weg. Lineal einpacken.

Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass die neuen Wahlkreise bestimmte Bevölkerungsgruppen benachteiligten – in anderen Worten: dass sie rassistisch motiviert seien.

Rassistisch motiviert ist ein Begriff, der in Texas politische Kreise in heller Aufregung versetzt. Dort versucht man seit Jahren, Politik doch bitte nicht so negativ zu bezeichnen wie das, was sie manchmal schlicht ist.

Damit dürfen die neuen Wahlkreise nicht für die Midterms genutzt werden, auch wenn noch Berufung möglich ist. Ein Schlag, härter als ein texanischer Sommergewitterhagel.

Und nun? Wahlkreisgrenzen nach 2021 – die Anti-Kreativlösung

Sollte das Urteil bestehen bleiben, dann wird Texas seine Abgeordneten im November 2026 auf Grundlage der Wahlkreisgrenzen von 2021 wählen.

Aus Sicht der Republikaner ist das in etwa so, als würde man einem Kind sagen, dass es sein selbst gebautes Lego-UFO nicht mit zur Schule nehmen darf: frustrierend, unanständig und völlig unangemessen in der eigenen Logik.

Aber die alten Grenzen hatten einen Vorteil: Sie waren … na ja … weniger offensichtlich manipuliert. Was nicht heißt, dass sie nicht manipuliert waren – nur eben weniger experimentell.

Republikanisches Entsetzen – die stille Reaktion eines lauten Systems

Hinter geschlossenen Türen dürften Abgeordnete in Texas das Urteil mit jener Art von Fassungslosigkeit aufgenommen haben, die entsteht, wenn jemand das eigene Lieblingsspielzeug weggenommen hat.

„Fünf Sitze! Wir hatten fünf Sitze eingeplant!“ könnte der Satz gewesen sein, der am häufigsten fiel.

Fünf Sitze im Repräsentantenhaus bei einer ohnehin knappen Mehrheit – das hätte Trumps Republikanern erlaubt, politische Klimapläne zu torpedieren, Untersuchungsausschüsse zu starten oder Gesetze zu blockieren, deren Existenz sie schon prinzipiell beleidigt.

Und jetzt?

Jetzt müssen sie mit der Realität leben: der Möglichkeit, dass die Demokratie nicht ganz so formbar ist wie Modelliermasse.

Gerrymandering – die texanische Tradition

Texas ist nicht neu im Spiel. Gerrymandering hat dort Tradition, ungefähr so wie Barbecues, Cowboyhüte und der Stolz auf alles, was größer ist als anderswo.

Neu aber war diesmal die Zielstrebigkeit, mit der man versuchte, ganze Bevölkerungsgruppen so geschickt zu verteilen, dass sie in politischen Niemandsland verschwinden.

Ein Wahlkreis sah dabei aus wie ein umgeknickter Blitz. Ein anderer wie ein halb geschmolzener Schokoriegel. Ein dritter wie ein nachlässig gezeichneter Dinosaurier.

Kurz: Die demokratische Topografie Texaners verwandelte sich in eine Art politisches Kunstprojekt, das selbst moderne Galerien überfordern würde.

Der nationale Kontext: Texas ist nicht allein

Texas ist mit seinen Ambitionen nicht allein. Auch North Carolina und Missouri hatten neue Karten beschlossen. Es scheint ein Trend zu sein: Statt Wähler zu überzeugen, optimiert man lieber die Linien.

Eine Art amerikanischer Pragmatismus: „Wenn du die Realität nicht ändern kannst, ändere einfach die Karte.“

Was nun folgt: Politischer Showdown oder erneuter Karten-Workshop?

Die nächste Phase wird vermutlich ein politisches Drama aus Berufungen, Gegenklagen, Verfassungsverweisen und Talkshow-Expertisen, die in etwa so hilfreich sind wie Wetterprognosen für den Mars.

Texas wird kämpfen. Die Gerichte werden prüfen. Politiker werden erklären, dass alles ganz harmlos gemeint war.

Und die amerikanische Demokratie wird – wie so oft – beweisen müssen, dass sie mehr aushält als bunte Linien auf einer Karte.