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Russlands vergessene Riesen – Willkommen im deutschen Sanktions-Parkhaus

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Russlands vergessene Riesen – Willkommen im deutschen Sanktions-Parkhaus

Es gibt Orte, an denen Zeit stillsteht: Das Kolosseum in Rom. Die Ruinen von Pompeji. Und – ganz neu auf der Liste – das Vorfeld des Flughafens Leipzig/Halle. Hier stehen drei Antonov AN-124, majestätische Frachtgiganten aus Russland, die seit drei Jahren so viel Bewegung erleben wie ein vergessener Einkaufswagen auf einem Discounterparkplatz.

Das Startverbot kam mit den EU-Sanktionen. Die Triebwerke? Abmontiert – wie Felgen bei einem schlecht geparkten BMW in Neukölln. Wo die Motoren jetzt sind, weiß niemand. Vielleicht treiben sie im Schwarzen Meer, vielleicht zieren sie die Einfahrt eines Oligarchen. Möglich wäre auch, dass sie gerade als improvisierte Dönergrills in einer Datscha bei Moskau dienen.

Deutschland – das neue Flugzeug-Biotop

Leipzig ist nicht allein. Auch Köln/Bonn, Frankfurt/Hahn, München und Berlin haben ihre eigenen exotischen Dauerbewohner: Boeing 737, Bombardier Challenger 300, Boeing 747 – alle im Dauerschlafmodus. Einziger Unterschied zu einer Safari: Die Tiere hier sind aus Aluminium, werden nicht gefüttert und kosten jeden Tag Geld.

Deutschland ist damit weltweit führend im Betreuten Parken für sanktionierte Luftfahrzeuge. Während andere Länder ihre Flughäfen für Flüge nutzen, pflegt Deutschland diese Raritäten wie seltene Orchideen. Nur ohne Besucher, Eintrittsgeld oder Sinn.

Eigentümer? Ja. Nein. Vielleicht.

Das Bundesverkehrsministerium weiß Bescheid – also fast. Eigentümer? Theoretisch russische Airlines. Praktisch gehören die Maschinen einer GmbH in San Marino, die wiederum zu 99 % einer Briefkastenfirma auf den Cayman Islands gehört, die einem „Privatinvestor“ aus Sankt Petersburg nahesteht. Der wiederum ist zufällig der Schwippschwager des Cousins von Putins Lieblingsjudo-Partner. Kurz: Wenn man die wahren Eigentümer sucht, braucht man nicht nur Google Maps, sondern auch ein Ouija-Brett und viel Geduld.

Der BER und sein Prigoschin-Denkmal

Am Berliner Hauptstadtflughafen – wo ja bekanntermaßen alles immer nach Plan läuft – steht seit 2020 ein weißer Privatjet vom Typ Hawker 800XP. Offiziell kam er für Wartungsarbeiten. Inoffiziell war es vermutlich das inoffizielle Dienstfahrzeug von Jewgeni Prigoschin, dem inzwischen verstorbenen Wagner-Chef. US-Behörden waren sich da ziemlich sicher.

Er sollte eigentlich zurückfliegen – tat er aber nicht. Stattdessen steht er seit fünf Jahren da, als stilles Mahnmal für den Satz „Das klären wir später“. Mittlerweile dürfte er so eingestaubt sein, dass Archäologen ihn in 500 Jahren für ein Relikt einer untergegangenen Zivilisation halten.

Die Kostenorgie – oder: Wenn der Parkplatz teurer ist als der Jet

Der Prigoschin-Jet hat allein bis Frühjahr 2023 rund 37.000 Euro Parkgebühren angehäuft. Aber: Die Rechnung wird erst gestellt, wenn er wieder abhebt. Das ist in etwa so realistisch, wie zu erwarten, dass Putin demnächst mit Olaf Scholz im Dirndl über den Münchner Oktoberfestplatz schlendert.

Leipzig zeigt sich optimistischer: Die Antonovs verursachen zwar täglich Kosten, aber angeblich zahlt die russische Fluggesellschaft diese sogar. Das klingt ungefähr so glaubwürdig wie ein FIFA-Statement zu „Fair Play“.

Sanktionsdurchsetzung à la Kafka

Die Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung (ZfS) sucht und friert ein, was sanktioniert ist – von Bankkonten bis zu Schiffen und Flugzeugen. Das Problem: Zwischen dem Einfrieren und einer tatsächlichen Lösung liegt ein endloser bürokratischer Winter. Eigentumsverhältnisse sind so verschachtelt, dass man beim Lesen der Firmenkonstrukte das Gefühl bekommt, man habe aus Versehen die Baupläne des Berliner Flughafens geöffnet.

Das große Finale – oder: Deutschlands neues Geschäftsmodell

Offiziell heißen sie „festgesetzte Luftfahrzeuge“. Inoffiziell sind sie Deutschlands neue Sehenswürdigkeiten. Man könnte Eintritt verlangen: „Erleben Sie die legendären Antonovs von Leipzig – seit 2022 nicht geflogen, jetzt als Dauerausstellung!“ Inklusive Souvenirshop mit Modellflugzeugen ohne Triebwerke und einer Hüpfburg in Form eines Zollformulars.

In 20 Jahren könnten diese Jets sogar UNESCO-Weltkulturerbe werden: „Zeugen einer Zeit, in der Sanktionen mehr Staub als Wirkung erzeugten.“ Bis dahin gilt: Motoren aus, Landeklappen eingefahren – willkommen im teuersten Dauerparkplatz Europas.