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Klimagipfel ohne Klima-Chef: Wie Newsom die Lücke füllt, die Trump gern reißt

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Klimagipfel ohne Klima-Chef: Wie Newsom die Lücke füllt, die Trump gern reißt

Objektiv betrachtet – und mit einem satirischen Seitenblick, der sich bei dieser Szenerie schwer verkneifen lässt – ist die Dramaturgie perfekt: In Belém trifft sich die Welt zur COP30, von China bis Saudi-Arabien, von Prinz bis Kanzler. Nur die Vereinigten Staaten, zweitgrößte Volkswirtschaft und zweitgrößter Emittent, liefern die eleganteste Form der Klimapolitik: Abwesenheit. Der US-Präsident bleibt dem Treffen fern – konsequent in seiner Haltung, Klimawandel sei bestenfalls eine lästige Wetterlaune, schlimmstenfalls eine Verschwörung von Windradhändlern und Akku-Lobby.

In das entstehende Vakuum tritt jemand, der Rollenverständnis hat: Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom. Er hält keine Regierungsmacht in Washington, aber er beherrscht die Kunst, Räume zu füllen – mediale, politische, symbolische. Im deutschen Pavillon, wo sonst nüchterne Panels über Förderkulissen und Normen eine ehrfürchtige Stille erzeugen, bekommt man plötzlich Stehplätze nur noch gegen rhetorische Eintrittskarte. Newsom spricht, und er nennt Trumps Ausstieg aus der UN-Klimarahmenkonvention „dumm“. Ein Wort, so simpel wie die Erkenntnis, dass man ohne Boot nicht weit kommt, wenn der Meeresspiegel steigt.

Sachlich bleibt festzuhalten: Newsom vertritt das Amerika, das existiert, aber gerade nicht regiert – das der Bundesstaaten, Städte, Unternehmen, die weiter Emissionen senken, Standards setzen und sich mit Baden-Württemberg die Hände reichen, weil der Planet zwar groß, die Geduld aber klein ist. Das Partnerschaftsabkommen zwischen Stuttgart und Sacramento ist keine Weltrevolution, aber es klebt dort, wo Washingtons Tape fehlt: bei Beschaffung, Verkehr, Gebäudeeffizienz, Zirkularität. Politik der zweiten Ebene, mit dem ehrgeizigen Anspruch, die erste zu beschämen.

Der objektive Befund: Subnationale Akteure können globale Lücken nicht schließen, aber sie können verhindern, dass sie zu Schluchten werden. Kalifornien hat Emissionshandel, Null-Emissions-Ziele, strenge Standards – und die ökonomische Masse, andere mitzuziehen. Satirisch zugespitzt ließe sich sagen: Wenn die Bundesregierung im Pavillon den Kaffee stellt, bringt Kalifornien wenigstens den Strom für die Kaffeemaschine mit – erneuerbar, versteht sich.

Newsoms Auftritt ist mehr als Kalifornien-Marketing. Es ist eine Casting-Probe für das Amerika nach Trump, ein Test, ob man jenseits des weißen Hauses auch weiße Flaggen der Vernunft hissen kann. Die Reaktionen sind freundlich bis euphorisch. Das liegt gewiss an der Kontrastfolie: Gegenüber einem Präsidenten, der Windräder für Betrugsinstrumente hält und Bohrrechte für Trostpreise des 20. Jahrhunderts, wirkt jeder vollständige Satz mit Faktenbezug wie ein Wunder. Doch nüchtern betrachtet: Ein Gouverneur ist kein Außenminister. Das internationale Publikum applaudiert einem Versprechen – nicht einer Vollmacht.

Der realpolitische Kern: Klimadiplomatie lebt von Verlässlichkeit, und die liefern Wahlzyklen selten. Heute Decarbonisierung, morgen Deklamation. Newsom verspricht „ein anderes Amerika“ – das der Ethanol-freien, faktenbasierten, zukunftsorientierten Sorte. Dagegen steht ein Amtsinhaber, der die Geologie mit der Ideologie verwechselt und CO₂ für eine Meinungsäußerung hält. Zwischen beiden liegt die amerikanische Realität: Ein Land, das gleichzeitig Tesla und Teer produziert, Innovationsmotor und Emissionsgigant, Klimavorreiter in Kalifornien und Kohle-Romantik im Bundesstaat nebenan.

Belém liefert dafür die passende Bühne. Während am Rand Amazonasstaaten über Waldschutz sprechen und Schwellenländer über Finanzierung, dröhnt aus Washington symbolisches Schweigen. Es ist die Art Stille, die man hört, wenn jemand sehr laut „nichts“ sagt. Newsom übersetzt sie in Politiksprech: „Wir sind da, auch wenn er nicht da ist.“ In diplomatischer Lesart ist das eine Brücke; in satirischer Lesart ein improvisierter Fußweg aus Presseterminen und Memoranden, stabil genug für Schlagzeilen, nicht für Schwerlastverkehr.

Ein Wort zur deutschen Rolle: Der Pavillon ist selten so voll wie bei der Unterzeichnung Baden-Württemberg–Kalifornien. Das ist nett fürs Fotoalbum und nützlich für die Fachabteilungen. Aber es erinnert auch daran, wie sehr Europas Klimaambitionen auf Partner angewiesen sind, die nicht alle vier Jahre wieder bei Null beginnen. Der Beifall für Newsom ist damit auch ein höfliches Nicken zur eigenen Sehnsucht: Möge die Ordnung der Tatsachen wieder die Ordnung der Politik bestimmen.

Bleibt die Frage, ob Newsom mehr ist als der eloquenteste Platzhalter des Westens. Objektiv: Er ist ein Gouverneur mit nationalem Profil und internationaler Anschlussfähigkeit. Satirisch: Er ist der Menschgewordene PowerPoint-Pfeil, der auf die leere Stelle zeigt, wo eigentlich „US Leadership“ stehen sollte. Ob daraus ein Rennen ums Weiße Haus wird, entscheidet die Arithmetik der Vorwahlen, nicht die Akustik von Belém. Doch die Probe hat gezeigt: Der Mann kann das Mikrofon halten, ohne dass die Wissenschaft aus dem Saal flüchtet.

Fazit, ganz ohne Schminke: Die COP30 hat einen Trump-förmigen Schatten – und ein Newsom-förmiges Licht. Beides reicht allein nicht aus, um den Planeten unter zwei Grad zu halten. Aber in einer Welt, in der politische Symbolik oft das Einzige ist, was international gleichzeitig verstanden wird, ist es nicht nichts, wenn jemand aus Amerika erscheint und nicht die Existenz von Physik bestreitet. Der Rest bleibt Arbeit: Standards, Investitionen, Waldschutz, Finanzierung – und die Hoffnung, dass bei der nächsten COP nicht die Abwesenheit die Schlagzeile schreibt.