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„Tempo, Tempo, Tofu“ – Deutschland wird saniert. Oder zumindest angekündigt.
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Berlin, irgendwo zwischen Verzweiflung und Wirklichkeitsverleugnung. Friedrich Merz, frisch im Sattel eines Regierungsamts, das er offiziell nie angestrebt, aber heimlich auswendig gelernt hat, gibt sich kämpferisch: „Jetzt wird geliefert.“ Was genau? Egal. Hauptsache, das Paket hat viele Seiten, wenig Inhalt und keine Trackingnummer.
Nach der ersten Sitzung des Koalitionsausschusses herrscht Einigkeit: Deutschland braucht Tempo. Und wenn Friedrich Merz von Tempo spricht, dann meint er natürlich nicht das Taschentuch, sondern das Geräusch, mit dem wirtschaftliche Hoffnung an einem vorbeizieht.
„Wir sind im dritten Rezessionsjahr“, stellt der Bundeskanzler trocken fest. Und wer sich fragt, wie es dazu kommen konnte, dem entgegnet er schmallippig: „Dazu später mehr – vermutlich nach der Sommerpause oder in der Fußnote des Koalitionsvertrags.“
Sofortprogramm mit Verfallsdatum
Was nach einem Notrufplan klingt, ist in Wahrheit ein bunter Strauß aus Vorhaben ohne Termine, Zahlen oder Relevanz. CDU, CSU und SPD haben ein „Sofortprogramm“ geschnürt. Es umfasst so viele Punkte, dass man glatt einen Newsletter daraus basteln könnte. Inhaltlich: Abschreibungen, Bürokratieabbau, irgendwas mit Klima – und natürlich: „High-Tech made in Germany“, vermutlich auf CD-ROM.
Merz dazu: „Es geht Schlag auf Schlag.“ Was geschlagen wird? Vermutlich der Realitätssinn.
Ein Sondervermögen, so groß wie der gute Wille
500 Milliarden Euro will man mobilisieren. Das klingt nach Ambition. In Wahrheit ist es die politisch verwaltete Version von „Kannste dir nicht ausdenken“. 100 Milliarden davon sollen die Länder bekommen, als Dank dafür, dass sie beim Koalitionsvertrag nicken durften. Auf die Frage, wie das finanziert wird, antwortete Merz sinngemäß: Wir werden das schon irgendwie in Excel hinkriegen.
Die Länder nörgeln wegen möglicher Einnahmeausfälle. Merz kontert staatsmännisch: „Wenn alle mitmachen, wird’s vielleicht gar nicht so schlimm.“ Diese Form der Führung nennt man in der CDU: visionär.
Das neue Deutschland: Jetzt mit noch mehr Absicht
Markus Söder frohlockt: „Ab Sommer sieht man, dass Deutschland ein anderes Land ist.“ Welches genau, bleibt offen. Vielleicht Dänemark. Vielleicht Simbabwe. Oder einfach das Deutschland von 1992 – nur mit digitaler Faxstörung.
Unterdessen kündigt die Regierung ein „Investitions-Boosterchen“ an. Ziel: Unternehmen sollen investieren. Warum sie das bisher nicht taten? Wegen Steuern, Genehmigungen, Planungen, also wegen Deutschland. Und nun? Nun werden dieselben Probleme einfach noch einmal erwähnt – diesmal mit Merz-Gesicht.
Männerclub mit Ambitionen
Der Koalitionsausschuss besteht aus zehn Männern und einer Frau. Kritik daran wird abgewiegelt: „Kompetenz kennt kein Geschlecht“, heißt es aus CDU-Kreisen. Praktisch, dass man so viele männliche Kompetenzträger gefunden hat – vermutlich direkt aus dem Kuratorium des Wirtschaftswunder-Museums.
Immerhin will man „mehr Frauen fördern“. Aber nicht im Ausschuss. Da stört das nur die Atmosphäre, die laut Söder „gut und produktiv“ war – was exakt das ist, was Männer über ein Meeting sagen, in dem man beschlossen hat, sich nächste Woche wieder zu treffen.
Deutschland wird neu gedacht – aber bitte nicht anfassen**
Der neue Regierungsstil unter Friedrich Merz ist klar erkennbar: Wir handeln, bevor wir denken – und denken dann noch einmal drüber nach. Es wird Tempo gemacht. Aber bitte in Schrittgeschwindigkeit, mit Helm und Sicherheitseinweisung.
Wenn Deutschland Glück hat, merkt es von all dem nichts. Und wenn es Pech hat, kommt irgendwann wirklich Tempo auf – dann allerdings in Richtung Rückspiegel.