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Die Maut, die niemals kam – und trotzdem unsere Portemonnaies leert
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Es gibt politische Projekte, die als visionär in die Geschichtsbücher eingehen. Und es gibt Projekte, die bestenfalls als Lachnummer in die Fußnoten passen. Die Pkw-Maut gehört zur zweiten Kategorie – genauer: Sie ist die teuerste Nicht-Einführung eines Infrastrukturprojekts seit Menschengedenken.
Was als CSU-Wunschtraum begann („Ausländer sollen zahlen, Inländer fahren gratis“), endete als finanzpolitisches Trauerspiel. Der Europäische Gerichtshof erklärte das Prestigeprojekt 2019 für europarechtswidrig – zu diskriminierend, zu offensichtlich auf Stammtischpolitik zugeschnitten. Und während der Traum vom „bayerischen Maut-Märchen“ platzte, liefen im Hintergrund Verträge, Schadensersatzforderungen und Schiedsverfahren heiß.
Scheuers Meisterstück: Milliardenverträge mit der Luft
Andreas Scheuer, damals Bundesverkehrsminister, unterschrieb Verträge mit Betreibern, bevor überhaupt klar war, ob die Maut rechtlich Bestand haben würde. Satirisch übersetzt: Er kaufte erst die Hochzeitslocation und lud 500 Gäste ein, bevor seine Verlobte überhaupt „Ja“ gesagt hatte.
Die Betreiber – allen voran das österreichische Unternehmen Kapsch und der Ticketanbieter Eventim – hatten schon Personal eingeplant, Software programmiert und vermutlich die ersten Kontrollschranken gedanklich aufgestellt. Als der EuGH die Maut kassierte, blieb am Ende nur eines übrig: Schadenersatz.
Rechnungen ohne Gegenleistung – Deutschlands teuerstes Nichts
Bislang zahlte der Bund 243 Millionen Euro Schadenersatz. Jetzt kommen nach einem weiteren Schiedsverfahren noch 27 Millionen dazu. Summe bisher: rund 270 Millionen Euro.
Für eine Maut, die niemals in Betrieb ging. Keine Vignette, kein Scanner, kein Cent Einnahme. Die Pkw-Maut ist damit offiziell das teuerste Nichts der Republik.
Die 27 Millionen von heute sind besonders pikant: Sie fließen für die „Automatische Kontrolle der Infrastrukturabgabe“. Eine Abgabe, die es nie gab, kontrolliert durch ein System, das nie installiert wurde. Satirisch: Wir haben bezahlt, damit die Luft überwacht wird.
Die CSU-Maut: Eine Erfolgsbilanz in Rechnungen
Das Projekt war von Beginn an weniger Infrastrukturpolitik als politische Folklore: eine „Ausländermaut“ für die CSU-Heimatbasis. Man wollte zeigen, dass „die anderen“ endlich zur Kasse gebeten würden. In Wirklichkeit zahlte natürlich – Überraschung – wieder der deutsche Steuerzahler.
Während Brücken in Nordrhein-Westfalen bröckeln, zahlt der Bund lieber Entschädigungen nach Wien. Und während die Bahn das 19. Jahrhundert noch aufarbeiten muss, pumpen wir Millionen in Verträge, die von Anfang an so stabil waren wie eine Kaffeetasse im Erdbeben.
„Globale Minderausgabe“ – das Finanzministerium zaubert
Die neuen 27 Millionen sollen über eine „globale Minderausgabe“ gegenfinanziert werden. Was das heißt? Im Klartext: „Wir sparen irgendwo irgendwas, damit die Maut-Millionen nicht so auffallen.“ Vielleicht streicht man die Büroklammern im Bundestag oder verzichtet auf die nächste Klimaanlage in Ministerien. Sicher ist nur: Am Ende zahlen wieder die Bürger.
Scheuer vor Gericht – vielleicht das einzige echte Produkt der Maut
Scheuer selbst droht inzwischen ein Strafprozess – wegen uneidlicher Falschaussage vor dem Untersuchungsausschuss. Auch sein Staatssekretär Gerhard Schulz könnte auf der Anklagebank landen. Ironie des Schicksals: Am Ende produziert die Maut nicht Einnahmen, sondern Gerichtsverfahren.
Wenn die Maut jemals ein „Produkt“ hatte, dann ist es die Anklageschrift.
Politische Spitzen und der grüne Zeigefinger
Die Grünen werfen Dobrindt und Scheuer vor, mit ihrer europarechtswidrigen Idee Millionen verbrannt zu haben. „Das Geld wäre besser in Brücken investiert“, sagt Grünen-Haushälterin Paula Piechotta. Ein Satz, der so banal wie wahr ist. Aber was wäre die deutsche Politik ohne milliardenteure Umwege?
Deutschlands teuerster Schildbürgerstreich
Die Pkw-Maut bleibt ein Mahnmal politischer Sturheit: ein Projekt, das nie kam, aber trotzdem Millionen kostet. Sie ist der Schildbürgerstreich des 21. Jahrhunderts – nur dass hier nicht Licht in Säcke geschaufelt wurde, sondern Geld direkt nach Österreich.
Andreas Scheuer hat es geschafft, die erste Infrastrukturmaßnahme der Welt zu realisieren, die ohne Beton, ohne Asphalt und ohne Einnahmen auskommt – dafür aber mit Rechnungen, die sich sehen lassen können. Ein politisches Perpetuum Mobile, das aus heißer Luft eiskalte Millionen macht.