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Die Republik im Ausnahmezustand: Trumps Kreuzzug gegen die Meinungsfreiheit
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Amerika hat wieder einen Sündenfall – und Donald Trump die perfekte Ausrede, um ihn in politische Munition zu verwandeln. Der Mord an Charlie Kirk, einst rechte Nachwuchshoffnung und PR-Maschine im Dienste des Präsidenten, ist für Trump nicht nur persönlicher Verlust, sondern auch eine goldene Gelegenheit: Endlich ein Vorwand, um das Grundrecht der Pressefreiheit mit der Axt zu bearbeiten.
Schuldzuweisung in Lichtgeschwindigkeit
Noch bevor die Ermittler wussten, wie der Täter hieß, verkündete Trump die Lösung: Die radikale Linke war’s. Punkt. Keine Indizien, keine Beweise, keine Differenzierung. Man hätte meinen können, er hätte das Drehbuch schon vorher vorbereitet. Die Fakten spielten ohnehin keine Rolle – es ging nicht um Aufklärung, sondern um Schlagzeilen.
Der Täter Robinson? Schweigt. Die Patronen mit kryptischen Beschriftungen? Bieten Interpretationsspielraum in beide Richtungen. Aber Trump deutet das Ganze einfach so um, dass es politisch passt. Schließlich geht es nicht um Wahrheit, sondern um die nächste Rede auf Truth Social: „Wir gegen sie.“
Meinungsfreiheit nach MAGA-Art: Nur für Freunde
Das Resultat lässt sich live im Fernsehen bestaunen. Jimmy Kimmel wagt es, Trumps vorschnelle Schuldzuweisungen satirisch zu hinterfragen – und schon ist seine Show bei ABC Geschichte. Offiziell heißt es: „Pause auf unbestimmte Zeit“. Inoffiziell: so lange, bis Trump nicht mehr Präsident ist oder Disney plötzlich den Mut findet, dem Weißen Haus die Tür zu weisen.
Kimmel ist kein Einzelfall. Vor ihm traf es Colbert, der erfolgreichste Late-Night-Moderator des Landes. Seine Absetzung wurde zwar als „finanzielle Entscheidung“ verkauft, doch die zeitliche Nähe zu Trumps Tiraden ist so auffällig, dass man fast Micky Maus als Pressesprecher vorschicken möchte, um das Ganze als „Zufall“ zu verkaufen.
Cancel Culture – jetzt in Orange
Trump beschwert sich seit Jahren über angebliche linke Cancel Culture. Universitäten, Aktivisten, Journalisten – alle würden sie Leute mundtot machen. Und was macht er jetzt? Genau das. Nur eben mit Staatsmacht, Juristen und Medienaufsicht. Cancel Culture in XXL – powered by Oval Office.
Es ist, als würde ein Brandstifter den Feuerwehrleuten vorwerfen, mit Wasser herumzuspritzen. Und dann selbst das ganze Viertel anzünden.
Der Märtyrer Kirk – vom Podcaster zum Staatsheiligtum
Charlies Kirk Tod wird inszeniert wie der Verlust eines Nationalhelden. Flaggen auf Halbmast, Regierungserklärungen in Endlosschleife, Social-Media-Kampagnen, die jeden Kritiker ans Kreuz nageln. Wer es wagt, Kirks Thesen auch nur zu zitieren, läuft Gefahr, als „Mittäter“ denunziert zu werden.
Gleichzeitig verschweigt Trump Attacken auf Demokraten – von der ermordeten Abgeordneten Melissa Hortman bis zum Anschlag auf Gouverneur Shapiro. Gewalt gegen die eigene Seite? Ein Schicksalsschlag. Gewalt gegen die andere Seite? Ein Betriebsunfall ohne Bedeutung.
Von der Trauerfeier zur Hexenjagd
Trumps Anhänger blasen ins gleiche Horn: Steve Bannon spricht vom „Krieg“, Dave Rubin fabuliert über einen „politischen Code der Progressiven“, Stephen Miller kündigt die Zerschlagung einer imaginären Terrorbewegung an. Es ist wie ein Drehbuch von Hollywood – nur dass es nicht Fiktion, sondern Regierungspolitik ist.
Vizepräsident JD Vance setzt noch einen drauf und droht der Open Society Foundation von George Soros und der Ford-Stiftung mit Ermittlungen. Offiziell, weil sie angeblich linke Gewalt finanzieren. Inoffiziell, weil „Soros“ seit Jahren das Lieblingsmonster in der rechten Parallelwelt ist.
Die Drohkulisse gegen Journalisten
Unterdessen zeigt der Fall Kimmel, wie subtil die Drohkulisse wirkt. Private Sender beugen sich vorsorglich, Verlage lassen kritische Stimmen fallen, bevor die Regierung es verlangt. Ein Klima der Angst, das an die McCarthy-Ära erinnert – nur diesmal mit Streamingdiensten statt Schwarz-Weiß-Fernsehen.
Besonders grotesk: Trumps Justizministerin Pam Bondi kündigt an, „gegen Hassrede“ vorgehen zu wollen. Das klingt nach Europa, wo es entsprechende Gesetze längst gibt. Doch in den USA gilt Hassrede traditionell als „free speech“. Dass gerade die Regierung, die jahrelang linke „Sprachpolizei“ verhöhnte, nun selbst zur Sprachpolizei wird, ist ein Treppenwitz der Geschichte.
Die Axt an der Verfassung
Trump verkauft sein Vorgehen als Verteidigung der Freiheit – tatsächlich führt er einen politischen Feldzug gegen alles, was nicht „MAGA“ schreit. Die Meinungsfreiheit, einst der Stolz der US-Verfassung, wird zur Kulisse in einem autoritären Theaterstück.
Die Ironie: Ausgerechnet der Präsident, der Linken eine Cancel Culture vorwarf, betreibt nun die größte Zensurorgie der jüngeren US-Geschichte. Kritiker fliegen raus, Sender knicken ein, Stiftungen werden bedroht. Die Botschaft ist klar: Wer nicht spurt, verliert Job, Visum oder Plattform.
Amerika hat schon viele Krisen erlebt – aber selten eine so bittere Groteske: Ein Präsident, der die Redefreiheit verteidigen will, indem er sie abschafft.