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Strafzettel fürs Pöbeln – Der Bundestag erfindet die Demokratie mit Knöllchen

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Strafzettel fürs Pöbeln – Der Bundestag erfindet die Demokratie mit Knöllchen

Berlin – Man könnte meinen, der Bundestag sei ein ehrwürdiger Ort: Holzvertäfelung, Kuppel, ernste Gesichter. In Wahrheit klingt es im Plenum immer öfter wie beim Fußball-Derby Schalke gegen Dortmund nach der dritten Runde Bier. Statt Argumenten fliegen Beleidigungen, statt Applaus gibt’s Ordnungsrufe. Nun will die große Politik-Elternversammlung – also SPD und CDU – endlich härter durchgreifen. Motto: „Wer pöbelt, zahlt.“ Willkommen bei der parlamentarischen Version von Monopoly: Ziehen Sie keine 4000 Euro ein, wenn Sie drei Mal „Lügenpresse“ schreien.

Die Preisliste für schlechten Stil

Bisher war ein Ordnungsruf ein müdes Schulterzucken wert, verbunden mit einer Strafe von 1000 Euro – ungefähr so viel wie ein Bundestagsabgeordneter für eine Woche Kantinenkaffee ausgibt. Jetzt wird aufgestockt: • Erstverstoß: 2000 Euro. • Wiederholungstäter: 4000 Euro.

Und weil man weiß, dass manche Abgeordnete den Wettbewerb um die meisten Ordnungsrufe als sportliche Disziplin betrachten, gibt’s gleich noch einen Bonusmechanismus: Drei Ordnungsrufe in drei Wochen = automatische Strafe. Politische Payback-Punkte in der Hölle.

AfD im Dauerabo

Wer besonders oft betroffen ist, muss hier nicht mehr erklärt werden. Seit deren Einzug hat sich die Zahl der Ordnungsrufe verdoppelt, verdreifacht, ver-x-facht – genaue Zahl unklar, weil das Protokoll inzwischen eher an eine Strafakte erinnert. SPD und CDU argumentieren nüchtern: „Wenn einer immer wieder die Lautstärke mit Niveau verwechselt, muss das endlich weh tun.“

Die Betroffenen hingegen inszenieren sich schon als Märtyrer: „Das ist wie in einer Diktatur!“ Klar – nur dass Diktaturen für Beleidigungen keine Quittungen ausstellen, sondern gleich den Kerker öffnen.

Schwänzen wird teurer – endlich!

Auch das alte Problem „Abgeordneten-Schwund“ soll angegangen werden. Bislang zahlte man beim Fehlen ohne Entschuldigung schlappe 200 Euro Strafe – ein Witz im Verhältnis zur monatlichen Pauschale von über 5000 Euro. Jetzt steigt die Strafe auf 300 Euro. Das ist ungefähr so, als würde man Falschparken von 10 auf 15 Euro anheben – symbolisch, aber immerhin. Vielleicht reicht es, damit sich der ein oder andere daran erinnert, dass er fürs Erscheinen bezahlt wird, nicht fürs Selfies-Posten im Wahlkreis.

Vizepräsidenten: Jetzt mit Abwahlgarantie

Besonders delikat ist die Reform bei der Wahl der Bundestagsvizepräsidenten. Bisher galt: Jede Fraktion soll mindestens einen stellen dürfen. Das führte regelmäßig zu grotesken Szenen, weil Kandidaten aus dem äußersten rechten Lager reihenweise durchfielen und dann „Diskriminierung!“ schrien. Nun soll klar sein: Es gibt kein Anrecht auf Ämter, schon gar nicht für Leute, die inhaltlich näher an der Reichskriegsflagge als am Grundgesetz stehen.

Dazu kommt die Möglichkeit, Vizepräsidenten auch wieder abzuwählen – mit Zweidrittelmehrheit. Ein politisches Dschungelcamp: Heute gewählt, morgen abgesetzt. Man stelle sich den Spaß vor: „Und die Mehrheit der Abgeordneten hat entschieden – du bist raus! Bitte verlasse sofort den Stuhl neben der Präsidentin.“

Transparenz, Zwischenfragen und Zwischenrufe – die Deluxe-Variante

Neben Strafen und Ämterfragen soll die Geschäftsordnung auch lebendiger werden. Mehr Zwischenfragen, mehr Zwischenbemerkungen, mehr Transparenz in den Ausschüssen. Satirisch zugespitzt: Man will die Debatten so spannend machen, dass sie nicht nur im Parlamentsfernsehen laufen, sondern irgendwann auch auf Netflix. „House of Abgeordnetenrufe – Staffel 3“.

Die Grünen: „Da geht noch mehr!“

Während SPD und CDU die große Pöbel-Bremse feiern, fordern die Grünen: Das reicht nicht. Artikel 3 des Grundgesetzes müsse explizit in die Geschäftsordnung geschrieben werden, weil Diskriminierung für manche offenbar ein Lieblingssport ist. Praktisch wäre das, denn dann ließe sich jede sexistische oder rassistische Bemerkung nicht nur mit Bußgeld, sondern gleich mit Grundgesetz-Keule beantworten.

Fußnote • Ein Ordnungsruf kostet künftig so viel wie ein Luxus-Wochenende auf Sylt. • Schwänzen wird bestraft wie Schwarzfahren im ICE. • Vizepräsidenten sind auf Probe – ähnlich wie Leiharbeiter, nur mit Krawatte.

Und der Bundestag präsentiert sich fortan nicht mehr als „Herzkammer der Demokratie“, sondern als Streitschlichter-Klasse mit Strafzettelkatalog.

Demokratie als Fahrschule

Was hier entsteht, ist kein Parlament mehr, sondern eine Mischung aus Klassenzimmer und Verkehrserziehung. Wer pöbelt, zahlt. Wer schwänzt, zahlt. Wer meint, er habe ein Grundrecht auf Vizepräsidentensessel, kriegt erklärt: „Nö, frei und geheim heißt frei und geheim.“

Satirisch zugespitzt: Der Bundestag macht sich zur ersten Demokratie der Welt, in der die Redefreiheit nicht abgeschafft, sondern bepreist wird – 2000 Euro pro Zwischenruf, bitte mit Karte zahlen.