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Der große Zoll-Zoff – Trump, Kanada und der heilige Geist Ronald Reagans
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Wenn Wirtschaftspolitik zur Soap wird
Es gibt diplomatische Krisen, die beginnen mit einem Attentat, einer geheimen Nachricht oder einem geopolitischen Schachzug. Und dann gibt es Donald Trump.
In der jüngsten Folge seiner Reality-Show „Make Trade Wars Great Again“ hat der US-Präsident die Handelsgespräche mit Kanada kurzerhand beendet – und zwar nicht etwa wegen handfester Differenzen über Stahlpreise, Subventionen oder Aluminiumquoten. Nein. Der Grund war ein Werbespot.
Ein Video, in dem niemand Geringeres als Ronald Reagan – Ikone, Heiland und Patronheiliger der Republikanischen Partei – vor den Gefahren von Zöllen warnte. Das Problem: Der Spot ist über 35 Jahre alt. Und Reagan… nun ja, nicht mehr ganz im Dienst.
Trump allerdings witterte sofort eine internationale Verschwörung. Seine Diagnose: „Fake-Ad! Kanada hat Reagan geklont!“
Die Offenbarung auf Truth Social
Wie bei allen großen diplomatischen Entscheidungen unserer Zeit fiel auch diese nicht in einem Konferenzraum oder in einem Staatsakt – sondern auf Truth Social, Trumps persönlicher Klagemauer für gekränkte Eitelkeiten.
Mit der ihm eigenen Präzision (und Rechtschreibung) schrieb er dort in Großbuchstaben:
„AUFGRUND IHRES UNGEHEUERLICHEN VERHALTENS WERDEN HIERMIT ALLE HANDELSVERHANDLUNGEN MIT KANADA BEENDET!!!“
Mehrfaches Ausrufezeichen – das Äquivalent eines politischen Raketenstarts. Begründung: Die „Reagan Foundation“ habe bestätigt, dass Kanada eine „betrügerische Werbung“ nutze.
Ein Blick auf die Fakten zeigt: Kanada hat nichts gefälscht. Der Spot stammt tatsächlich von Reagan. Nur Trump sah in der historischen Mahnung an protektionistische Zölle offenbar eine persönliche Beleidigung – oder schlimmer noch: einen Angriff auf seine Geschäftsphilosophie, die sich grob mit „Wenn ich’s besteuere, gehört’s mir“ zusammenfassen lässt.
Der Zorn des Goldenen Donald
Trump ist bekanntlich ein Mann der Prinzipien – vor allem seiner eigenen. Und in seiner Welt ist ein Zoll nicht etwa ein wirtschaftliches Instrument, sondern eine patriotische Liebeserklärung.
In einem Moment der Erleuchtung erklärte er, er wolle „Amerika vor unfairen Geschäften schützen“. Kritiker sagen, es gehe ihm eher darum, dass niemand außer ihm ein Geschäft machen darf.
Dass die USA in den vergangenen Monaten Zölle auf kanadischen Stahl, Aluminium und Autos verhängt haben, war für Trump natürlich „ein genialer Schachzug“. Dass Kanada darauf mit Gegenzöllen reagierte, war in seiner Sichtweise ein „unverschämter Verrat“.
Man könnte meinen, er sehe die Wirtschaft als Paartherapie: Er liebt Kanada, solange es gehorcht. Und wenn Ottawa sich emanzipiert, gibt’s Strafzölle – oder, wie er es nennt: „wirtschaftliche Tough Love“.
Kanada bleibt cool – und höflich
Während Washington also digital Feuer spuckt, sitzt Premierminister Mark Carney in Ottawa vermutlich mit einer Tasse Tee und sagt sich:
„Ach, Donald. Wieder Zucker zu viel im Kaffee?“
Carney erklärte trocken, sein Land werde den USA „keinen unfairen Marktzugang gewähren“. Übersetzt heißt das: „Wir lassen uns nicht verarschen.“
Anstatt Trumps Ausbruch zu kontern, bleibt Kanada stoisch höflich – ganz so, als ob es sich um einen tobenden Nachbarn handelt, der mal wieder vergessen hat, dass die Gartenhecke nicht ihm gehört.
Und tatsächlich ist das Verhältnis zwischen den beiden Ländern längst eine Art diplomatische Nachbarschaftssatire: Die USA schmeißen Grillpartys mit Raketen, Kanada bringt Kartoffelsalat – und Trump beschwert sich, dass der nicht amerikanisch genug schmeckt.
Ronald Reagan rotiert
Dass ausgerechnet Ronald Reagan, der republikanische Heilige mit der Dauerwelle, in diesen Zirkus hineingezogen wird, ist die tragikomische Pointe der Geschichte. Reagan predigte einst den freien Markt, die offenen Grenzen für Handel und die Partnerschaft zwischen Freunden. Trump hingegen predigt: „America first, der Rest kann zahlen.“
Wenn Reagan heute vom Himmel auf Trumps Politik schaut, dann vermutlich mit einem Gesichtsausdruck zwischen Fassungslosigkeit und Himmels-Homeoffice-Antrag. Man könnte fast glauben, dass Trump Reagan weniger als Idol, sondern mehr als Konkurrent empfindet – schließlich war Reagan beliebt, eloquent und konnte einen Teleprompter bedienen.
Wenn Diplomatie zur One-Man-Show wird
Das Traurige – und gleichzeitig Komische – an der Geschichte ist, dass niemand im Weißen Haus offenbar wusste, dass die Gespräche wirklich abgebrochen wurden. Ein Beamter erklärte anonym, man sei „überrascht, das auf Truth Social zu lesen“.
So funktioniert heute also internationale Handelspolitik: Die eine Seite verhandelt über Stahlpreise, die andere über Twitter-Traumas.
Dass die USA wegen eines 30 Jahre alten Videos nun ein Milliardenabkommen aufs Spiel setzen, ist so absurd, dass es fast wieder konsequent wirkt. Man stelle sich vor, Angela Merkel hätte einst Nord Stream 2 gestoppt, weil in einer Doku Helmut Kohl kritisch über Pipelines sprach.
Die Ironie des globalen Handels
Ironischerweise schadet der Zollstreit beiden Ländern. Kanadischer Stahl bleibt liegen, US-Autos werden teurer – und Trump erklärt beides zum Sieg. Denn in seiner Welt gilt: „Wenn alle verlieren, habe ich gewonnen.“
Die eigentlichen Gewinner sind derweil China und die Meme-Industrie. Das Internet dankt für die Schlagzeile:
„Trump beendet Handelsgespräche – wegen Ronald Reagan.“ Ein Satz, den man selbst in einem politischen Satiremagazin mit einem skeptischen Lektor nicht durchbekommen hätte.
Die Welt als Trump’sches Theater
Was bleibt, ist ein absurdes Lehrstück in globaler Eitelkeit. Ein Präsident, der wegen eines Werbespots die diplomatische Großbühne verlässt. Ein Nachbarland, das höflich den Kopf schüttelt. Und ein toter Ex-Präsident, der posthum als Zündfunke eines Handelskriegs herhalten muss.
Man könnte sagen: Die Welt brennt – und Trump streitet über die Farbe des Feuers.