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Kein Tee in Peking – Wie Außenminister Wadephul zu Chinas diplomatischer Geisterstunde eingeladen wurde
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Die große Reise ins Nichts
Eigentlich sollte es eine historische Mission werden: Außenminister Johann Wadephul (CDU) wollte am Sonntag gen Osten fliegen – diplomatische Beziehungen pflegen, Handelsfragen klären, Taiwan erwähnen (vorsichtig, aber mit Nachdruck).
Doch am Freitag dann der Eklat aus Berlin:
„Wir verschieben die Reise auf einen späteren Zeitpunkt.“
Das klang harmlos, wie ein verspäteter ICE. Doch die Wahrheit war bitterer: In China wollte ihn schlicht niemand treffen.
Die Parteiführung in Peking hatte den Kalender offenbar schon voll – vermutlich mit Dingen, die wichtiger waren als ein deutscher Außenminister. Also etwa: – Die Eröffnung einer neuen Pandastation, – ein Seminar über höfliches Nicken bei Pressefotos, – oder eine Sitzung über die beste Strategie, wie man westliche Politiker diplomatisch „ghostet“.
Die Kunst des höflichen Wegduckens
China ist bekannt für seine jahrtausendealte Kultur, seine Philosophie – und seine meisterhafte Kunst der höflichen Abweisung. Man sagt dort nicht: „Wir wollen dich nicht hier.“ Man sagt:
„Der Minister ist derzeit sehr beschäftigt, aber wir freuen uns auf einen regen Austausch zu gegebener Zeit.“
Übersetzt: „Danke, aber nein danke.“
So blieb für Wadephul nur ein einziger bestätigter Termin: ein Treffen mit Außenminister Wang Yi. Das war’s. Kein Premier, kein Parteifunktionär, kein Wirtschaftsdialog. Nicht einmal ein symbolischer Besuch in einer Teefabrik.
Und selbst das Treffen mit Wang Yi wirkte wie ein Pflichttermin, den man in Peking wohl nur abhaken wollte, um nicht komplett unhöflich zu erscheinen. Ein bisschen wie ein Bewerbungsgespräch, bei dem der Chef schon nach fünf Minuten sagt:
„Wir melden uns dann.“
Die deutsche Diplomatie – eine Tragikomödie
Wadephul wollte eigentlich über große Dinge reden: Seltene Erden! Halbleiter! Handelsbeschränkungen! Alles Themen, die Deutschlands Industrie dringend braucht, um weiterhin so zu tun, als laufe alles rund.
Doch während Berlin mit moralischem Zeigefinger argumentierte, las Peking offenbar lieber das Horoskop: „Heute vermeiden Sie anstrengende Gespräche mit deutschen Politikern – Energieverschwendung möglich.“
Dabei ist die Lage ernst: China drosselt die Exporte wichtiger Rohstoffe, und die deutsche Wirtschaft jault bereits wie ein Dieselmotor ohne Öl. Doch die Volksrepublik ließ sich nicht beirren – Deutschland sei „zu belehrend“, hieß es hinter vorgehaltener Hand.
Telefon statt Teezeremonie
Als Ersatz für die abgesagte Reise soll es nun ein Telefonat geben. Ja, ein Telefonat.
So wird aus der großen diplomatischen Mission eine Hotline nach Peking, die klingt wie ein Serviceanruf:
„Drücken Sie die 1, wenn Sie über Menschenrechte sprechen möchten. Drücken Sie die 2, wenn Sie Handelsfragen klären wollen. Drücken Sie die 3, wenn Sie eine höfliche Ablehnung wünschen.“
Man darf sich fragen, wie viel Substanz ein solches Gespräch haben kann. Vermutlich endet es wie viele deutsch-chinesische Dialoge: Ein paar diplomatische Floskeln, eine lange Leitung – und am Ende „Wir bleiben im Gespräch“.
Das klingt nach Fortschritt, ist aber eigentlich politisches Standgas.
Taiwan – der Drahtseilakt ohne Netz
Dass Peking wenig Begeisterung zeigt, hat natürlich Gründe. Wadephul hatte wiederholt China für seine Drohgebärden gegenüber Taiwan kritisiert – diplomatisch korrekt, aber mit dem Feingefühl eines Presslufthammers.
Chinas Antwort kam prompt und präzise wie ein Laserpointer auf einem NATO-Treffen:
„Wer den Status quo fordert, ohne die Unabhängigkeit Taiwans abzulehnen, unterstützt separatistische Aktivitäten.“
Übersetzt: „Wer nicht auf unserer Seite ist, ist gegen uns.“
Das Problem: Deutschland will in Asien gleichzeitig Menschenrechte verteidigen, Handel betreiben, China kritisieren – und doch freundlich bleiben. Kurz: ein diplomatischer Spagat, bei dem man sich regelmäßig die rhetorische Leiste zerrt.
Der Westen, der sich selbst zu wichtig nimmt
Während Berlin von „wertebasierter Außenpolitik“ spricht, schmunzeln Chinas Funktionäre vermutlich hinter ihren Teetassen. Aus Pekings Sicht ist Deutschland längst kein globaler Akteur, sondern ein nerviger Mitteleuropäer mit moralischem Megafon und wirtschaftlicher Abhängigkeit.
Man stelle sich vor: Ein Land, das selbst keine funktionierenden Bahnstrecken hat, möchte China erklären, wie man Weltpolitik macht. Das ist ungefähr so glaubwürdig, wie wenn ein Pinguin einem Adler Flugunterricht gibt.
Die diplomatische Rückwärtsrolle
So endet die geplante China-Reise, bevor sie begonnen hat: Mit einer Pressemitteilung, einem beleidigten Unterton – und einem Telefontermin, der wahrscheinlich nie stattfindet.
Und während Wadephul seine Reisetasche wieder ausräumt, rollt Peking vermutlich gelassen die nächste Seidenstraße aus – diesmal direkt über Europas Selbstbewusstsein hinweg.
Der diplomatische Schaden? Überschaubar. Die Symbolik? Verheerend. Deutschland wollte Weltpolitik spielen – bekam aber nicht mal einen Spielstein.
Vielleicht sollte man das nächste Mal gleich ehrlicher sein und sagen:
„Wir kommen, wenn ihr uns ruft.“ Denn im Moment ruft niemand.