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Familienausflug in den Wahnsinn – Mit Baby auf den Rysy (und ohne Steigeisen ins Internet-Gebetbuch der Dummheit)
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- tmueller
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Wenn Abenteuerlust in die Windel geht
Es gibt Reisen, die ein Leben verändern – und dann gibt es jene, bei denen man froh ist, wenn sie das Leben nicht beenden. Ein litauisches Paar beschloss, Polens höchsten Berg, den Rysy (2.503 Meter), zu bezwingen. Mit dabei: ihr neun Monate altes Baby – das sich vermutlich mehr für die Milchflasche als für den Panoramablick interessiert hat.
Es war Winter. Eis, Schnee, Kälte – also genau jene Bedingungen, bei denen selbst Bergziegen auf „Homeoffice“ umstellen würden. Doch das Paar dachte sich offenbar: „Was kann schon passieren? Wir sind schließlich Eltern – wir haben Schlimmeres überlebt: schlaflose Nächte, Windelkatastrophen, Schwiegerelternbesuche.“
Das Baby wurde also fest an die Brust geschnallt – wie eine Mischung aus Herzschrittmacher und Wärmflasche – und los ging’s in Richtung Gipfel.
Der Aufstieg in die Absurdität
Schon am Fuß des Berges warnten Einheimische, Bergführer und vermutlich auch der gesunde Menschenverstand: „Tut es nicht!“ Aber nein – diese Familie hatte einen Plan. Und wenn Eltern eines können, dann ist es, gute Ratschläge zu ignorieren, weil sie „ihr Kind am besten kennen“.
Nur: Das Kind war neun Monate alt. Sein Beitrag zur Gipfelplanung beschränkte sich vermutlich auf ein unbeteiligtes Gurgeln – was die Eltern wohl als Zustimmung interpretierten.
Statt Steigeisen trugen sie „leichte Spikes“. Das klingt nach Sportartikelwerbung, ist aber ungefähr so hilfreich wie Sandalen im Schneesturm. Ein Video zeigt, wie sie sich keuchend über vereistes Gestein ziehen, das Baby wie eine kleine Alpin-Känguru-Besatzung vorne angeschnallt. Man spürt förmlich, wie Darwin sich im Grab umdreht.
Gipfelglück mit Schneeblindheit
Wunder geschehen: Sie kamen tatsächlich oben an. Nur um dann festzustellen – Überraschung! – dass der Abstieg schwerer ist als der Aufstieg. Es fehlte an Halt, Ausrüstung, Sinn und Verstand.
Sie baten andere Bergsteiger um Steigeisen – die höflich, aber entschieden ablehnten. Schließlich gibt es eine ungeschriebene Regel: „Hilf, wo du kannst – aber gib niemals deine eigene Lebensversicherung her.“
Also saßen die frischgebackenen Gipfelhelden fest. Mit einem Baby. Auf 2.500 Metern. In der Kälte. Ohne Plan. Das klingt nach einem Horrorfilm – nur ohne Zombies, weil die wahrscheinlich klüger gewesen wären.
Der Bergführer als Retter – und unfreiwilliger Babysitter
Dann trat der wahre Held auf: der polnische Bergführer Szymon Stoch, ein Mann mit mehr Nerven als ein durchschnittlicher Internet-Kommentator. Er nahm das Baby kurzerhand an sich und brachte es in Sicherheit. Die Eltern? Die durften hinterherstapfen – diesmal wenigstens ohne Zusatzgewicht, aber dafür mit einem ordentlichen Batzen medialer Häme im Rucksack.
Man kann sich den Dialog beim Abstieg gut vorstellen:
Vater: „Das war knapp.“ Mutter: „Ja, aber wenigstens haben wir Content fürs Familienalbum.“ Baby (gedacht): „Sobald ich laufen kann, suche ich mir neue Eltern.“
Internet-Lawine der Empörung
Kaum war die Geschichte öffentlich, rollte eine zweite Lawine – diesmal digital. Auf Facebook und in den Kommentarspalten der polnischen und litauischen Medien tobte die Wut der Weltbürger. Die besten Kommentare:
„Eltern mit Stroh im Kopf – aber wenigstens warm verpackt.“ „Dummheit in Reinform.“ „Man sollte sie zwingen, die Geburtsurkunde neu zu beantragen – nach einer IQ-Prüfung.“
Das Netz urteilte schneller als jede Bergwacht.
Und während die Eltern sich noch rechtfertigten („Wir haben schon viele Gipfel bestiegen!“), rief die Online-Gemeinde nach dem Familiengericht.
Die Verteidigungsrede der Eltern – ein Kapitel in Selbstparodie
In einem Interview erklärten die beiden sinngemäß: „Das war gar nicht so gefährlich. Der Bergführer hat das Baby nur ein paar hundert Meter getragen.“
Natürlich! Nur ein paar hundert Meter. Im Eis. In der Höhe. In Lebensgefahr. Für Eltern mit dieser Logik ist vermutlich auch eine Fahrt ohne Kindersitz kein Problem – „war ja nur kurz zum Supermarkt“.
Das Paar betonte stolz: „Wir sind erfahrene Bergsteiger!“ Was ungefähr so klingt, als würde jemand nach einem Auffahrunfall sagen: „Ich fahre schon seit Jahren Auto – ohne Sicherheitsgurt, aber mit Leidenschaft.“
Pädagogik am Abgrund
Was bleibt, ist eine unbequeme Erkenntnis: In einer Welt, in der Menschen Selfies an Klippen machen, um Likes zu sammeln, ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis jemand auf die Idee kommt, „Baby on Everest“ zu streamen.
Die Geschichte zeigt exemplarisch, wie Abenteuerlust und Ego eine toxische Allianz eingehen können. Während andere Eltern überlegen, ob das Baby schon für den Kinderwagen-Waldweg bereit ist, denken diese beiden in Höhenmetern und Hashtags.
Vielleicht wollte das Paar nur zeigen, dass man Elternschaft und Extremsport verbinden kann. Vielleicht war es auch einfach Dummheit mit Aussicht.
Der wahre Gipfel
Der wahre Gipfel dieser Geschichte ist jedoch nicht der Rysy – sondern die Erkenntnis, dass Mut nichts mit Verantwortung zu tun hat. Das Baby hat Glück gehabt. Und hoffentlich später eine gute Geschichte für den Therapeuten:
„Wissen Sie, mein erstes Wort war nicht ‚Mama‘ – sondern ‚Rettungshubschrauber‘.“