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Der Mann mit der Kettensäge – Mileis Triumph zwischen Markt, Marotten und Massenhysterie

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Der Mann mit der Kettensäge – Mileis Triumph zwischen Markt, Marotten und Massenhysterie

Argentinien hat gewählt. Wieder einmal. Und wer geglaubt hatte, die Bevölkerung wolle nach Jahrzehnten ausufernder Inflation, politischer Dauerkrise und Tangodramatik endlich ein bisschen Ruhe, der kennt die Argentinier schlecht. Stattdessen entschied man sich für den radikalliberalen Präsidenten Javier Milei – den Mann, der aussieht, als hätte er in einem „Mad Max“-Film die Rolle des Finanzministers abgelehnt, weil sie ihm zu realistisch war.

Mit seiner Partei La Libertad Avanza („Die Freiheit schreitet voran“) hat Milei bei den Zwischenwahlen rund 40 Prozent der Stimmen geholt. Die linke Opposition kam auf etwa 32 Prozent – was im argentinischen Maßstab einer Ohrfeige mit Quittung gleichkommt. Der Mann mit der Kettensäge (sein selbstgewähltes Symbol) kann also weitermachen – und zwar lauter, härter und, wie seine Anhänger sagen, „mit mehr Schneid“.

Ein Land zwischen Euphorie und Espresso-Entzug

Während vor dem Hotel Libertador jubelnde Anhänger mit Papp-Kettensägen winken und „Peluca! Peluca!“ rufen (sein Spitzname wegen der unkontrollierten Mähne, die aussieht wie eine Mischung aus Rockband und Stromschlag), herrscht im Rest des Landes eine Stimmung irgendwo zwischen Galgenhumor und Steuererklärung. „Ich bin glücklich, ich habe Hoffnung!“, sagt eine ältere Dame im Fernsehen. Und man glaubt ihr, weil Argentinier selbst in der Währungsapokalypse noch hoffen – meist auf den nächsten Präsidenten, der’s dann wirklich besser macht.

Sparen bis die Wirtschaft quietscht

Mileis Erfolg basiert auf einer Mischung aus Schocktherapie und Showgeschäft. Er hat die Inflation drastisch gesenkt – von vorher fast 300 Prozent auf rund 30. Das klingt nach Wunder, fühlt sich aber für viele an wie Fasten mit Kettensäge: effektiv, aber unangenehm. Denn sein Sparkurs hat auch 300.000 Jobs gekostet, Sozialleistungen gekürzt, und viele Familien zum Energiesparen gezwungen – nicht aus ökologischen, sondern aus finanziellen Gründen.

Und trotzdem lieben sie ihn. Warum? Weil Argentinier seit jeher zwischen Tragödie und Triumph tanzen. Milei ist für sie der politische Messi: klein, laut, unberechenbar – aber solange er trifft, darf er alles. Seine Fans nennen ihn „den Befreier“, seine Kritiker „den neoliberalen Friseur mit Explosionspotenzial“.

Die Opposition – eine politische Schlaftablette

Während Milei die Republik auf links dreht (und gleichzeitig die Linken abschafft), döst die Opposition vor sich hin. Die Peronisten, einst Helden der Arbeiterklasse, wirken heute wie eine Oldtimer-Partei, die vergessen hat, den Tankdeckel zu öffnen. Ihr Slogan „Eine Stimme für uns bremst Milei“ klang so inspirierend wie eine Gebrauchsanweisung für Fußmatten. Ein Gegenentwurf? Fehlanzeige. Stattdessen schwadronierte man über „sozialen Zusammenhalt“ und „die Würde des kleinen Mannes“, während dieser längst an der Supermarktkasse ohnmächtig wurde.

Trump, Dollars und Uran – ein ganz normaler Deal

Natürlich steht Milei mit seinem Reformfuror nicht allein da. Aus Washington kam liebevolle Unterstützung – oder sagen wir: ein 20-Milliarden-Dollar-Kredit mit Kleingedrucktem. US-Präsident Donald Trump (ja, er ist in dieser Geschichte wie ein politischer Running Gag) hatte dem libertären Wunderkind im Vorfeld das Finanz-Lasso hingeworfen. Bedingung: Milei muss „gewinnen“. Warum das Engagement? Offiziell, um Chinas Einfluss in Südamerika zu bremsen. Inoffiziell: weil in Argentinien Uran, Lithium und seltene Erden liegen. Und seltene Erden sind für die USA so wichtig wie TikTok für Teenager – man braucht sie, versteht sie nicht, aber will sie unbedingt besitzen.

Wirtschaftswunder mit Nebenwirkungen

Mit seinem Sieg hat Milei nun das erreicht, was seine Vorgänger stets versprochen und nie geschafft haben: ein ausgeglichener Haushalt. Einziger Nachteil: die Bevölkerung ist leerer als die Staatskasse. Der Peso schwächelt, die Preise für Grundnahrungsmittel klettern, und wer seinen Strom noch bezahlen kann, gilt offiziell als „gehobene Mittelschicht“. Trotzdem jubeln die Börsen, weil die Finanzmärkte bekanntlich auf Logik pfeifen. Analysten prophezeien steigende Aktienkurse, sinkende Staatsausgaben – und steigende Einfuhrpreise für Popcorn, denn die Welt schaut gebannt zu.

Der Peluca-Plan

Milei selbst sieht sich als Heilsbringer einer neuen Ära. „Heute beginnt die Konstruktion des großen Argentiniens“, ruft er ins Mikrofon, während seine Fans jubeln und hupende Busse am Hotel vorbeischrammen. Ob das „große Argentinien“ wirklich größer wird oder einfach nur lauter, bleibt abzuwarten. Sicher ist: Die nächsten zwei Jahre werden entweder in die Geschichte eingehen – oder in die Insolvenzstatistik.

Argentinien hat also wieder Hoffnung – jene spezielle Form lateinamerikanischer Hoffnung, die aufbricht, auch wenn das Schiff schon brennt. Milei hat nun den politischen Vorschlaghammer in der Hand und zwei Jahre Zeit, das Land zu „befreien“.

Wenn alles gutgeht, wird er als Retter gefeiert. Wenn nicht, bleibt ihm immer noch sein Haar – als Symbol dafür, dass man auch mit Chaos auf dem Kopf Geschichte schreiben kann.