- Veröffentlicht am
- • Politik
Deserteure des Vaterlandes – Wenn Putins Soldaten schneller laufen als ihre Panzer
- Autor
-
-
- Benutzer
- tmueller
- Beiträge dieses Autors
- Beiträge dieses Autors
-

Ein kritisch-satirischer Bericht über Russlands Armee zwischen Heldenpathos, Erschöpfung und Flucht in alle Richtungen
Moskau / Donbass – Es ist ein sonderbarer Krieg, den Russland führt. Einer, bei dem die Frontlinie nicht nur in der Ukraine verläuft, sondern auch zwischen den eigenen Soldaten und ihrem Überlebensinstinkt. Während das russische Staatsfernsehen triumphierend von „heldenhaften Siegen im Donbass“ berichtet, melden andere Quellen eine ganz andere Bewegung: massive Rückzugsgefechte – allerdings in Richtung Heimat. Und zwar ohne Befehl.
Die russische Armee verliert nicht nur Panzer, Munition und Moral, sondern zunehmend das Interesse ihrer Soldaten, dabei zu bleiben. Laut Dokumenten des Verteidigungsministeriums, die von der ukrainischen Initiative „Ich will leben“ veröffentlicht wurden, haben sich in diesem Jahr bereits doppelt so viele Soldaten aus dem Staub gemacht wie 2024. Wenn der Trend anhält, sind bis Jahresende 70.000 Russen offiziell „auf freiem Fuß“, inoffiziell: auf der Flucht vor der Befreiung.
Die fünf Wege des russischen Rückzugs
Die moderne Desertion hat in Russland viele Gesichter – und keine Heldenlieder. Wer dem Vaterland entkommen will, hat laut ukrainischen Recherchen fünf klassische Optionen:
- Der „Kasernen-Sprinter“ – Er verlässt die Einheit noch vor dem Einsatz. Motto: „Wenn du schon kämpfen musst, dann nur gegen den Wecker.“
- Der „Urlaubsvergesser“ – reist legal ab, kehrt illegal nie zurück. Eine Art All-inclusive-Flucht mit Souvenir.
- Der „Krankenhaus-Houdini“ – lässt sich verwunden, um zu verschwinden. In russischen Kliniken nennt man das inzwischen „Selbstheilung durch Abwesenheit“.
- Der „Checkpoint-Akrobat“ – flieht direkt von der Front, überwindet Sperren, Stacheldraht und wütende Offiziere – oft schneller als die russische Bürokratie reagieren kann.
- Der „Papierzauberer“ – bastelt sich gefälschte Urlaubsdokumente. Denn in Russland ist Papier mächtiger als Panzer.
Offiziell nennt das Verteidigungsministerium solche Fälle „unautorisierte Standortkorrekturen“. Inoffiziell: Flucht vor Wahnsinn, Willkür und Wassermangel.
Von Eifersucht bis Existenzangst – die Psychologie der Flucht
Dass viele russische Soldaten einfach keine Lust mehr haben, den „Spezialoperationen“ zu dienen, überrascht wenig. Aber laut Recherchen von Kavkaz.Realii gibt es noch ganz andere, sehr russische Motive. An erster Stelle: Eheliche Untreue.
Ein Soldat aus Woronesch erklärte, er sei desertiert, weil seine Frau „zu oft und zu fröhlich mit dem Nachbarn über das Vaterland diskutierte“. Ein anderer gab an, er habe sich an die Front gemeldet, „um Patriot zu sein“, und sei zurückgekehrt, „um Detektiv zu werden“. So kämpft man in Russland nicht nur gegen NATO, Drohnen und Artillerie – sondern gegen die Verlockungen des Hausflurs.
Aber auch weniger amouröse Gründe spielen eine Rolle: unbezahlte Soldzahlungen, Hunger, mangelnde Ausrüstung, fehlende medizinische Versorgung – kurz: die russische Armee behandelt ihre Männer wie Einwegmunition mit Uniform. Einer der Deserteure fasste es lakonisch zusammen:
„Wir hatten nur zwei Optionen: sterben oder desertieren. Ich habe mich für das Unpatriotischere entschieden – das Leben.“
Putins Front: ein Arbeitsplatz mit Aufstiegschancen – im Grab
Die Zustände im Feld sind grotesk. Russische Offiziere werden zitiert, sie betrachteten „den Verlust eines Panzers als schwerwiegender als den von 20 Männern“. Denn Panzer kosten Geld, Soldaten nur Papierkram.
Wer desertiert, riskiert Folter, Demütigung oder Tod. Aber bleiben ist auch keine Lösung – dort drohen dieselben Konsequenzen, nur etwas später. So gleicht das russische Heer einem Betrieb, bei dem niemand kündigen darf, aber trotzdem alle gehen.
In einigen Einheiten wurden sogenannte „Sperrtrupps“ aufgestellt – Soldaten, die hinter den eigenen Reihen stehen, um Fliehende zu erschießen. Eine Art internes Anti-Fluchtprogramm mit finaler Personalmaßnahme. Russische Kommandeure nennen das „Motivation durch Feuerkraft“.
Und wer gefasst wird, erlebt oft Schlimmeres: die „Karussell-Strafe“. Deserteure werden an Fahrzeuge gebunden und über Felder geschleift, bis sie „wieder kampfbereit“ sind oder die Landschaft sehr gut kennen. Offiziell ist das eine „moralische Lektion“. Inoffiziell: ein makabrer Freizeitpark für Sadisten in Uniform.
Propaganda gegen Physik
Währenddessen erklärt das russische Staatsfernsehen unermüdlich, dass alles unter Kontrolle sei. Sprecher betonen, Russland habe die „höchste Moral seit dem Großen Vaterländischen Krieg“. Das stimmt sogar – nur dass die Moral nicht mehr im Heer, sondern bei den Fliehenden zu finden ist.
In Moskau nennt man Desertion „Fake News westlicher Agenten“. Dumm nur, dass mittlerweile selbst Militärgerichte überlaufen sind – allerdings nicht mit Angeklagten, sondern mit Richtern, die selbst weg wollen.
Und so kämpft Russland unermüdlich weiter – gegen die Realität. Ein hochrangiger Offizier, anonym zitiert, meinte:
„Wir haben keine Angst vor dem Westen. Wir haben Angst vor unseren eigenen Soldaten, wenn sie noch denken könnten.“
Die Ukraine: weniger Flucht, mehr Frust
Auch in der Ukraine gibt es Fälle von Fahnenflucht – aber dort winkt statt Folter eine Amnestie. Wer freiwillig zurückkehrt, darf bleiben. Wer an die Front zurückmuss, bekommt wenigstens Schuhe. Das ist in Russland schon Luxus. Kiew lockt mit höheren Gehältern, Macron mit Rhetorik, und Putin mit Drohungen. Man darf raten, wer die geringste Bewerberquote hat.
Das Vaterland läuft auf Reserve
Russlands Krieg ist längst kein Krieg mehr, sondern ein logistischer Albtraum mit Leichenrate. Eine Armee, die Soldaten mit Gewalt festhält, ist keine Armee mehr – sie ist eine Gefängnisverwaltung in Tarnfarben.
Putins Reich der Ordnung zeigt sich hier von seiner kafkaesken Seite: Er nennt es Disziplin, wenn Deserteure gefoltert werden, und Effizienz, wenn die Verluste fünfstellige Dimensionen erreichen. In Wahrheit ist es ein System, das seine Menschen schneller verbraucht als seine Munition.
Ein russischer Blogger brachte es auf den Punkt – bevor sein Account gelöscht wurde:
„Die Armee kämpft nicht mehr für Russland. Sie kämpft ums Überleben – und manchmal nur darum, wegzukommen.“
Und so ziehen sie davon, Schritt für Schritt, Schützengraben für Schützengraben. Putin nennt es „taktische Neuordnung“. Der Rest der Welt nennt es, was es ist: die größte Fluchtbewegung seit Napoleon – nur diesmal in entgegengesetzter Richtung.