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Frankreich dreht am Premier-Karussell – Lecornu Reloaded

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Frankreich dreht am Premier-Karussell – Lecornu Reloaded

Paris – Die Stadt der Liebe, der Lichter und der Leitartikel über politische Dauerkrisen. Frankreich hat es wieder geschafft, die Demokratie nicht nur zu leben, sondern sie auch regelmäßig zu rebooten. Der Präsident der unendlichen Regierungsversuche, Emmanuel Macron, hat sich nach einer „Phase intensiven Nachdenkens“ – was bei ihm ungefähr die Dauer eines Espressos entspricht – entschieden, den frisch zurückgetretenen Premier Sébastien Lecornu einfach wieder einzusetzen.

Das klingt wie ein Scherz, ist aber bittere Realität: Frankreichs Regierung ist jetzt offiziell ein Möbiusband – man kann sie drehen, wenden und austauschen, aber am Ende landet man wieder beim Alten.

Politische Wiederverwertung à la française

Erst am Montag hatte Lecornu das Handtuch geworfen – mit der Begründung, die Parteien seien so kompromissbereit wie zwei betrunkene Boule-Spieler im Regen. Doch kaum war der Rücktritt verdaut, rief Macron an. Und wie ein Mann, der bei seiner Ex bettelt, doch bitte noch eine Chance zu bekommen, sagte er sinngemäß:

„Sébastien, es war ein Missverständnis. Wir brauchen dich. Und diesmal wird alles anders. Versprochen!“

Was folgte, war das französische Äquivalent einer toxischen Beziehung: Lecornu sagte erst non, dann na gut, und nun darf er wieder das Chaos managen, das er vor vier Wochen hinterlassen hatte. Ein französischer Kommentator brachte es trocken auf den Punkt:

„Macron hat nicht nur die Nerven, sondern offenbar auch den Papierkorb recycelt.“

Ein Premier, zwei Rücktritte und kein Fortschritt

Lecornu, 39, gilt als pflichtbewusster Krisenverwalter mit dem Charisma eines Verwaltungsformulars, aber der Geduld eines Beamten. Er war eigentlich fertig mit dem Amt, doch Macron überredete ihn – mit dem Argument, dass keiner sonst übrig geblieben ist.

Frankreichs politische Landschaft gleicht derzeit einem Schachbrett, auf dem alle Figuren gleichzeitig beleidigt sind. Die Linke (La France Insoumise) tobt, die Rechte (Rassemblement National) brüllt, die Mitte schweigt – und Macron steht dazwischen und glaubt immer noch, er sei Napoleon im Slim-Fit-Anzug.

Lecornu II – das klingt nach Fortsetzung eines Films, den niemand sehen wollte. „Lecornu II: Der Premier schlägt zurück“ – diesmal mit noch weniger Mehrheit, noch mehr Druck und noch weniger Zeit.

Der Haushalt als politisches Himmelfahrtskommando

Frankreich hat, man ahnt es, keinen Haushalt für 2026. Und das wäre nicht weiter tragisch – wenn da nicht diese blöde Verfassung wäre, die vorschreibt, dass einer bis Montag vorgelegt werden muss. Sonst drohen Notgesetze, EU-Schelte und die Rückkehr des gefürchteten Kürzungsworts „Austerité“.

Macron vertraut darauf, dass Lecornu das irgendwie hinbekommt – eine Art Wunderheilung durch Bürokratie. Doch das Parlament ist in drei Lager gespalten, die sich ungefähr so einig sind wie ein Gourmetkoch, ein Veganer und ein Tiefkühlpizza-Hersteller.

Die Linke fordert Steuererhöhungen für Reiche, die Rechte will Steuersenkungen für alle (außer Arme), und die Mitte möchte am liebsten gar nichts entscheiden, um niemanden zu verärgern. Kurz gesagt: Frankreichs Haushalt gleicht einem Soufflé – aufgeblasen, wacklig und kurz vorm Zusammenfallen.

Opposition auf französisch: große Worte, noch größere Gesten

Kaum war Lecornus Wiederauferstehung offiziell, explodierte Paris – allerdings nur rhetorisch. LFI-Anführer Mélenchon nannte die Entscheidung „eine Farce, wie sie selbst das französische Theater nicht mehr inszenieren würde“. RN-Chef Bardella sprach von einer „Demütigung der Franzosen“ – was in seiner Rhetorik heißt: Er hat schon Wahlplakate drucken lassen.

Und irgendwo dazwischen nickte der Rest des politischen Establishments höflich, in der Hoffnung, dass der Sturm bald vorbei sei. Doch die Franzosen haben ein feines Gespür für Absurdität – schließlich leben sie in einem Land, in dem man über drei Sorten Käse gleichzeitig streiten kann, aber nicht über politische Stabilität.

Macron: der Dirigent ohne Orchester

Macron selbst wirkt zunehmend wie ein Mann, der ein Orchester dirigiert, dessen Musiker entweder streiken oder lieber Solokarriere machen. Seine Strategie: einfach weitermachen, bis die Welt begreift, dass er recht hat. Seine Realität: niemand spielt mehr mit.

Seit seiner Wiederwahl 2022 hat Macron fünf Premierminister verschlissen – ein Schnitt, bei dem selbst das englische Fußballmanagement applaudieren würde. Jetzt also wieder Lecornu, der offenbar das französische Synonym für „Letzter Versuch vor dem Staatsbankrott“ ist.

Ein EU-Diplomat sagte hinter vorgehaltener Hand:

„Frankreich hat aktuell zwei Regierungsformen: die formelle – und die improvisierte.“

Frankreichs Schuldenberg: höher als der Eiffelturm, stabil wie ein Crêpe

Mit 114 Prozent Schuldenquote und einem Defizit von 5,8 Prozent ist Frankreich wirtschaftlich ungefähr so solide wie ein Soufflé im Erdbeben. Die EU hat längst ein Defizitverfahren eröffnet, aber Macron reagiert darauf mit typisch gallischer Eleganz: Er nennt es „eine kreative Neuinterpretation der Fiskalpolitik“.

Die Frage, ob man lieber spart oder die Reichen stärker besteuert, wird in Frankreich traditionell mit Streiks beantwortet. Doch selbst die Gewerkschaften wissen nicht mehr, gegen wen genau sie diesmal protestieren sollen – gegen Lecornu I, Lecornu II oder gegen die Tatsache, dass der Premier vermutlich bald auch wieder Lecornu III heißen wird.

Ein Land zwischen Größenwahn und Galgenhumor

Frankreich steht still – und tut dabei so, als bewege es sich. Das Land ist politisch blockiert, finanziell überfordert und kommunikativ brillant darin, alles in „europäischen Werten“ zu verpacken. Macron nennt es „die Kunst des Gleichgewichts“. Kritiker nennen es „die Kunst, mit einem Bein im Defizit zu tanzen“.

Und Lecornu? Der nickt, schreibt, telefoniert – und weiß vermutlich schon jetzt, dass er in ein paar Wochen wieder zurücktritt, um danach erneut ernannt zu werden.

Vive la Déjà-vue-République

Frankreichs Regierung ist kein Machtapparat mehr, sondern eine politische Zeitschleife, irgendwo zwischen Kafka und Kabarett. Macron setzt auf Kontinuität, Lecornu auf Gehorsam – und die Opposition auf Empörung als Volkssport.

Das Land braucht einen Haushalt, bekommt aber eine Wiederholung. Es braucht Lösungen, bekommt aber ein Spin-off. Und während Europa staunend zusieht, wie Paris sich in seiner eigenen Bürokratie verheddert, murmeln die Franzosen resigniert:

„C’est la vie politique.“

Oder, wie ein französischer Satiriker es ausdrückte:

„Frankreich hat jetzt das erste Regierungsmodell mit Rückgaberecht. Leider ohne Garantie.“