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Macrons „Premiers in Rotation“ – Frankreichs Regierung als Polit-Seifenoper

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Macrons „Premiers in Rotation“ – Frankreichs Regierung als Polit-Seifenoper

Eine Republik zwischen Amtsmüdigkeit, Überheblichkeit und Croissants

Paris, Élysée-Palast. Emmanuel Macron steht wieder einmal allein auf seiner Bühne – umgeben von hektischen Beratern, leeren Stühlen und einer Nation, die kollektiv die Augen verdreht. Frankreich hat keinen Premierminister, keinen Haushalt, aber jede Menge Geduld. Der Präsident nimmt sich – mal wieder – zwei Tage Bedenkzeit. Zwei Tage, um einen Regierungschef zu finden, der bereit ist, das politische Gegenstück zu einem brennenden Crêpe zu übernehmen.

Die Franzosen nennen das inzwischen spöttisch „la stratégie du micro-onde“ – die Mikrowellenstrategie: Macron steckt die Republik kurz rein, drückt auf „Aufwärmen“ und hofft, dass irgendetwas dabei herauskommt, das man servieren kann.

Ein Präsident auf der Suche nach dem nächsten Freiwilligen

Der Élysée-Palast gleicht dieser Tage einem Castingstudio. Macron, charmant wie immer, lächelt sein dünnes Jupiter-Lächeln, während er Bewerber empfängt, die sich innerlich fragen: „Was habe ich verbrochen, dass ich mir das antue?“

„Monsieur, möchten Sie Premierminister werden?“ „Äh … nein?“ „Ausgezeichnet. Wir melden uns.“

Die Kandidatenliste gleicht einer französischen Weinprobe: viele Namen, wenig Substanz, und am Ende bleibt man beim letzten Rest, weil man schon zu müde ist, weiterzusuchen. Sébastien Lecornu, der bereits zurückgetretene, aber noch amtierende Premier im Wartestand, darf derweil im Fernsehen verkünden, dass „der Weg schwierig, aber möglich“ sei. Eine Formulierung, die in Frankreich immer dann fällt, wenn man genau weiß, dass er unmöglich, aber notwendig ist.

Die politische Endlosschleife – oder: „Zurück in die Krise“

Seit 2022, dem Jahr, in dem Macron die absolute Mehrheit im Parlament verlor, befindet sich Frankreich in einer Art politischem Zeitschleifenexperiment. Premierminister kommen, Premierminister gehen, die Krise bleibt. Es ist wie eine Netflix-Serie mit immer gleichen Schauspielern, nur die Dialoge ändern sich leicht – und die Einschaltquoten sinken.

Frankreich hat inzwischen mehr Premierminister in zwei Jahren gesehen, als Deutschland in zwanzig. Das Volk hat sich daran gewöhnt: Man schaut die Ernennung im Fernsehen, zuckt mit den Schultern und sagt:

„Ah, ein Neuer. Mal sehen, wie lange der durchhält.“

Das Vertrauen in die Regierung ist so tief wie der französische Staatsdefizitgraben: 3,3 Billionen Euro – und ein Haushalt, der mehr Lücken hat als ein Camembert nach dem Frühstück.

Die große Angst vor der Wahlurne

Macron weiß: Eine Neuwahl wäre politischer Selbstmord mit Ansage. Das Parlament ist zersplittert – links, rechts, Mitte, und dazwischen die frustrierte Mehrheit, die einfach nur will, dass irgendjemand den Müll abholt. Selbst die Abgeordneten, die sonst jede Gelegenheit zum Protest nutzen, zittern plötzlich vor der Idee einer Auflösung.

Lecornu erklärte es im Fernsehen mit der ihm eigenen diplomatischen Euphemismuskunst:

„Es gibt eine absolute Mehrheit, die gegen Neuwahlen ist – nicht aus Angst, sondern aus Einsicht.“

Die Wahrheit: Viele Abgeordnete haben schlicht keine Lust, ihre Sitze an Marine Le Pens Rassemblement National zu verlieren. Oder, wie ein französischer Kommentator bissig anmerkte:

„Unsere Parlamentarier glauben an Demokratie – aber nur, solange sie nicht persönlich davon betroffen sind.“

Renten, Reformen und andere französische Grundübel

Im Zentrum der nächsten Krise steht – natürlich – die Rentenreform. Macrons politisches Lieblingskind, von der Bevölkerung etwa so geliebt wie ein Parkticket. Die Linke will sie kippen, die Rechte verschärfen, die Mitte sie „verbessern“, was in Frankreich bedeutet: ein neues Komitee gründen, das zwei Jahre lang nichts entscheidet.

Lecornu, immer bemüht, die Flamme der Hoffnung zu schüren, sagte dazu:

„Ich habe dem Präsidenten gesagt, dass man Wege finden muss, über die Rentenreform zu diskutieren.“

Diskutieren. In Frankreich ist das ein Nationalsport, gleich hinter Streiken und Rauchen. Die Diskussion ersetzt die Entscheidung, die Debatte ersetzt die Tat, und wenn es ganz schlimm kommt, gründet man eine Kommission. Das alles dauert so lange, bis der Präsident sagen kann: „Die Zeit war gegen uns.“

Der Präsident der leeren Ankündigungen

Macron liebt das Dramatische – aber nur in kontrollierten Dosen. Er inszeniert sich als Retter, als Vermittler, als Übervater – und am Ende als Zuschauer. Er ist der einzige Mensch der Welt, der ein Feuer löscht, indem er mit einem Föhn davorsteht.

Das französische Volk sieht ihm dabei zu, fasziniert und frustriert zugleich. Man weiß, dass nichts passieren wird, aber man schaut trotzdem hin – wie bei einer Live-Übertragung eines Verkehrsstaus.

Dass er nun wieder zwei Tage braucht, um einen Premier zu ernennen, wirkt wie eine Parodie auf sich selbst. Frankreich ist in Schockstarre, und der Präsident spielt Sudoku mit Lebensläufen.

Lecornu – der Mann, der zurücktrat, um weiterzuarbeiten

Während Macron sinniert, führt Lecornu weiter Sondierungen. Er ist zurückgetreten, aber noch da – eine Art politischer Zombie im Maßanzug. „Ich laufe dem Amt nicht hinterher“, sagte er, was charmant klingt, wenn man bedenkt, dass das Amt ihm auch schon längst davonläuft.

Er verhandelt mit den Sozialisten, den Grünen, den Liberalen – und findet immerhin eines heraus: Jeder will Stabilität, aber nur zu seinen eigenen Bedingungen. Das erinnert stark an eine französische Eheberatung.

Am Ende seiner Mission erklärt Lecornu, er habe „den Willen zur Zusammenarbeit gespürt“. In Frankreich bedeutet das meist: Niemand hat Nein gesagt, weil alle zu müde waren, noch einmal Ja oder Nein zu sagen.

Frankreich, das Land der ewigen Provisorien

Frankreich liebt Übergangslösungen. Geschäftsführende Minister, kommissarische Ämter, temporäre Mehrheiten – das alles ist längst Normalzustand. Das Land wirkt, als sei es in Dauerprobe für eine Regierung, die nie Premiere feiert.

Die Bevölkerung reagiert mit Galgenhumor:

„Wir sind die stabilste instabile Demokratie Europas.“ Und sie hat nicht unrecht.

Wenn Macron am Freitag tatsächlich einen neuen Premier ernennt, wird es kein Akt der Hoffnung, sondern einer der Erschöpfung. Denn spätestens am Montag muss dieser Mensch – wer immer er sein mag – einen Haushaltsplan vorlegen, den ohnehin niemand beschließen wird.

Vive la Transition!

Macron wirkt wie ein Kapitän, der stolz verkündet, das Schiff fahre „geradeaus in die Zukunft“, während das Wasser bis zur Kajüte steht. Die Franzosen nicken, trinken ihren Café au Lait und sagen:

„C’est la politique.“

Frankreich wird weiterwursteln, charmant und chaotisch zugleich. Ein Land, das die Krise so perfekt inszeniert, dass man sie fast für Kunst halten könnte.

Oder, wie ein Karikaturist es diese Woche formulierte:

„Macron sucht keinen Premierminister. Er sucht jemanden, der Schuld ist, wenn es wieder schiefgeht.“

Und dieser Posten – ist in Paris derzeit der gefährlichste Job Europas.