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High Society – Dobrindt, Drogen und das Drama um die deutsche Nüchternheit
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Deutschland im Drogenrausch – aber nur beim Empören
Deutschland hat wieder ein Problem. Nicht mit Inflation, nicht mit Bürokratie – nein, mit Drogen! Und wer könnte das besser verkünden als Innenminister Alexander Dobrindt (CSU), der Mann, der aussieht, als hätte er noch nie einen Energy-Drink ohne schlechtes Gewissen getrunken.
Mit feierlicher Miene und leichtem moralischem Tremolo verkündet Dobrindt vor der Presse:
„Wir haben ein massives Drogenproblem in Deutschland!“
Er meint damit nicht die wöchentlichen Weinfeste in Bayern oder den Kaffeekonsum im Bundestag, sondern die richtigen Drogen – Kokain, Crystal, Ecstasy. Und wenn man ihn so reden hört, bekommt man den Eindruck, die Berliner Clubszene habe heimlich die Bundesregierung übernommen – was allerdings einiges erklären würde.
Doch Dobrindt liefert auch Zahlen, die das Grauen quantifizieren sollen: Der Handel mit harten Drogen sei im zweistelligen Prozentbereich gestiegen, Kokain sogar um 45,2 Prozent in den letzten fünf Jahren. Deutschland rutscht also statistisch betrachtet vom Feierabendbier in den Vollrausch – oder, wie man im Innenministerium sagt: „Das ist kein Flash, das ist ein Notfall.“
Wenn weniger Verbrechen plötzlich schlimmer ist
Nun könnte man meinen, die Lage sei nicht ganz so düster. Denn die Zahl der registrierten Rauschgiftdelikte ist gesunken – um satte 34 Prozent. Aber Dobrindt winkt ab:
„Das ist nur eine statistische Verzerrung durch die Teillegalisierung von Cannabis.“
Mit anderen Worten: Die Deutschen sind also gar nicht weniger kriminell, sie dürfen es nur inzwischen. Eine These, die so deutsch ist, dass sie eigentlich in die Straßenverkehrsordnung gehört: „Wer nicht mehr illegal kifft, begeht ein Ordnungswidrigkeitsgefühl.“
Die Ampelregierung hat Cannabis entkriminalisiert – Dobrindt sieht darin den Untergang des Abendlands. Er nennt das Gesetz ein
„richtiges Scheißgesetz“.
Man könnte meinen, er hätte gerade von seinem Parteikollegen Markus Söder erfahren, dass Bayern jetzt ein Windrad genehmigen muss.
Der Streit der Saubermänner
Kaum war das Wort „Scheißgesetz“ gefallen, flogen die empörten Statements durch Berlin wie Pollen im Frühjahr. SPD-Mann Christos Pantazis empörte sich über die „sprachliche Entgleisung“ und forderte mehr Sachlichkeit. Man kann sich gut vorstellen, wie Dobrindt darauf reagierte – vermutlich mit einem tiefen Seufzen und einem weiteren Maß an Empörung.
Pantazis erklärte weiter:
„Die Cannabisreform war und ist ein gesundheitspolitischer Paradigmenwechsel.“
Ein Satz, der so technokratisch klingt, dass man fast vergisst, dass es dabei um Leute geht, die einfach mal gemütlich einen durchziehen wollen, ohne dass das SEK durchs Fenster kommt.
Dobrindt dagegen befürchtet, dass Cannabis der Einstieg in härtere Drogen sei – was in etwa so plausibel ist, wie zu behaupten, alkoholfreies Bier führe direkt zum Wodka-Komasaufen.
Wenn die Realität härter ist als Crystal
Drogenbeauftragter Hendrik Streeck bringt sich in die Diskussion ein – und zwar als der einzige, der tatsächlich Ahnung vom Thema hat. Er weist darauf hin, dass der Konsum harter Drogen wie Crack und Fentanyl zunimmt.
„Noch nie war der Mischkonsum so verbreitet: vier, fünf, sechs Substanzen gleichzeitig.“
Was für Außenstehende klingt wie eine wissenschaftliche Studie, ist für viele schlicht das Wochenende auf dem Festivalgelände.
Gleichzeitig warnt Streeck vor steigenden Drogentoten unter 30. Eine ernste Entwicklung – doch statt Ursachenforschung zu betreiben, zieht die Politik lieber wieder die uralte „Moral-Karte“: Schuld ist die Gesellschaft, die Erziehung, die Ampel, vermutlich auch Netflix.
Schmuggler, Statistik und Symbolpolitik
BKA-Chef Holger Münch ergänzt das Panorama: Die Schmuggler würden inzwischen kleinere Häfen in Frankreich und Spanien ansteuern, weil Hamburg und Rotterdam zu stark kontrolliert würden. Eine logistische Meisterleistung, die deutsche Bürokraten ins Grübeln bringen müsste: „Wenn Dealer effizienter umdisponieren als die Bahn, wer ist hier eigentlich das Problem?“
Münch warnt, die Kartelle nähmen mit Bestechung und Gewalt „Einfluss auf gesellschaftliche Strukturen“. Ein Satz, der fast klingt, als spreche er über Lobbyismus, nur eben mit mehr Kokain und weniger Krawatten.
Deutschland, der Moraljunkie
Während in Berlin Politiker hitzig diskutieren, ob Cannabis zur Einstiegsdroge oder zur Entlastung der Justiz führt, dreht sich der Rest der Welt längst weiter. In den USA verkauft man THC-Limonade im Supermarkt, in den Niederlanden stehen Hanfplantagen unter Glasdächern, und in Deutschland diskutiert man, ob man beim Kiffen vielleicht den Führerschein verliert.
Dobrindt steht also sinnbildlich für das alte Deutschland: ein Land, das beim Thema Drogen lieber in Angst investiert als in Aufklärung. Er will eine Gesellschaft, die nüchtern bleibt – politisch, moralisch und emotional. Das Ergebnis ist eine Nation, die sich im Kreis empört, während anderswo längst gelacht wird.
Vom Rausch der Kontrolle
Vielleicht liegt das eigentliche Drogenproblem Deutschlands gar nicht im Rauschgift, sondern in der Sucht nach Kontrolle. Egal ob Verkehr, Moral oder Drogen: Deutschland will alles regulieren – bis keiner mehr durchblickt.
Und so bleibt am Ende nur ein Fazit: Während Dobrindt in seiner rhetorischen Anti-Drogen-Kampagne das Abendland retten will, dreht sich die Welt weiter – und zwar ziemlich beschwipst. Manchmal hilft eben keine Abstinenz, sondern nur ein bisschen Entspannung.
Oder, wie man in Bayern sagen würde:
„A Maß G’setz, bitte!“