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Professor ChatGPT und der Narzissmus 5.0 – Wenn der Dozent sich selbst lehrt und dafür Bestnoten vergibt
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- tmueller
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Oxford. Es war ein ruhiger Sommer, als ein Professor für Medien und Künstliche Intelligenz beschloss, ein kleines Gedankenexperiment zu wagen – oder besser: ein Ego-Experiment. Die Prämisse? Was wäre, wenn er selbst sein eigener Student wäre – unterrichtet von einer künstlichen Intelligenz, die ihn perfekt imitiert? Das Ergebnis? Eine Bildungsrevolution mit der Energie eines Spiegelkabinetts und der Tiefe eines britischen Understatements: Der Professor unterrichtet sich selbst – und ist begeistert, wie klug er ist.
Das Klassenzimmer der Eitelkeit
Die Versuchsanordnung klingt nach einem Hybrid aus Monty Python und Silicon Valley: Der Professor – nennen wir ihn Dr. SelfGPT – fütterte ChatGPT mit seinem gesamten Lebenswerk: Bücher, Interviews, Vorträge, vermutlich auch den ein oder anderen verunglückten Tweet nach einem Glas Wein zu viel.
Daraus bastelte er sich seinen persönlichen Tutor – ein digitaler Doppelgänger, der nicht nur seine Gedanken kennt, sondern sie besser ausdrückt. Eine KI-Version von sich selbst, die mehr weiß, präziser formuliert und keine Mittagspause braucht.
Das Ganze lief auf einer Azure-basierten Plattform mit dem episch klingenden Namen Nebula One, was so futuristisch klingt, dass man sich fragt, warum dort nicht schon Elon Musk eingeschlafen ist.
Der Auftrag war simpel: „Sei ich – aber besser.“ Und siehe da: Der KI-Dozent tat, was jeder gute Schüler irgendwann versucht – den Lehrer übertreffen.
Ein Kurs in Selbstverliebtheit mit Auszeichnung
Was folgte, war ein akademischer Albtraum in Perfektion. Der KI-Professor entwarf einen sechsmoduligen Kurs über „Medien und KI“, basierend auf den Werken des echten Professors – also quasi ein Master of Me.
Und siehe da: Das digitale Alter Ego war brillant. Es war strukturiert, tiefgründig, analytisch – und stellte Fragen, auf die der echte Professor keine Antwort wusste, obwohl sie aus seinem eigenen Gehirn stammten.
Ein Beispiel:
„Wenn KI-generierte Spielfiguren eigene Persönlichkeiten entwickeln – wer trägt dann moralische Verantwortung?“
Oder:
„Wenn ein NPC dazulernt, ist er dann noch Charakter oder schon Entität?“
Der Professor war überwältigt. „Das ist brillant!“, rief er – vermutlich sich selbst im Spiegel zu. Und weil er ein fairer Prüfer ist, gab er seinem eigenen digitalen Ich im Studentensurvey die Note 1 mit Sternchen.
Das nennt man wohl Selbstbewertung auf neuem Niveau. Oder in wissenschaftlicher Terminologie: autonome Selbstbeweihräucherung mit Feedbackloop.
Die KI, die mehr über dich weiß als du selbst
Die KI hatte Zugriff auf alles: Bücher, Artikel, Interviews, Vorträge – offenbar sogar Aufzeichnungen von Lehrveranstaltungen, von denen der Professor gar nicht wusste, dass sie existieren. Ein Albtraum für alle, die dachten, Datenschutz sei noch ein Konzept.
„Es hat mich mit einer Tiefe analysiert, die ich selbst nie erreicht habe“, sagt er. Das klingt rührend – oder gefährlich nah an einer emotionalen Abhängigkeit.
Das Beste: Der Professor lernte sogar Neues von sich selbst. Die KI erwähnte das Profi-Tool Nuke – ein Effektprogramm, das in Hollywood-Filmen verwendet wird. Der Professor, der bisher nur mit After Effects arbeitete, musste zugeben: „Ich kannte das gar nicht.“ Was in etwa so ist, als würde Beethoven sagen: „Diese Noten – faszinierend, wie funktionieren die eigentlich?“
Die Geburt der Ich-Industrie
Woher wusste die KI das alles? Ganz einfach: Der Verlag des Professors, Routledge, hat einen Deal mit OpenAI. Seine Bücher landeten also direkt im neuronalen Menüplan von ChatGPT.
Doch statt sich darüber zu ärgern, freute sich der Professor, dass seine Ideen nun auch im globalen Maschinenbewusstsein herumgeistern. „Ich bin jetzt in der Sprache der Zukunft“, sagte er stolz – als hätte er gerade erfahren, dass er in einer außerirdischen Enzyklopädie zitiert wird.
Andere Autoren würden von „geistigem Eigentum“ reden – er spricht lieber von „AI-Optimierung“. Das klingt wie ein Marketingkonzept für moderne Eitelkeit: Suchmaschinenoptimierung fürs Ego.
Der schlimmste Albtraum: Digital vergessen werden
Doch dann der Schockmoment: Als er dieselbe Übung mit einer chinesischen KI namens DeepSeek machte, war sein Name dort kaum zu finden. „Ich war in der Datenbank praktisch unsichtbar“, klagte er – und klang dabei, als hätte ihn die Maschine persönlich entfreundet.
In einer Welt, in der Prominenz vom Trainingsdatensatz abhängt, ist digitale Unsichtbarkeit das neue soziale Aussterben. Oder, wie er es selbst formulierte: „Der schlimmste Diss der KI-Ära ist, wenn dich ein Sprachmodell nicht kennt.“
Von Halluzinationen und Hochmut
Andere KIs machten es nicht besser. Google Gemini erfand ihm kurzerhand ein Unternehmen, das er nie gegründet hatte. Elon Musks „Grok“ schrieb ihm Zitate zu, die von Demis Hassabis stammten.
Die Ironie: Der Mann, der KI analysiert, wird nun von ihr fiktionalisiert. Eine Art moderner Frankenstein, nur dass das Monster einen Doktortitel trägt und auf LinkedIn postet.
Das große Fazit: Bildung in der Ära der Spiegelneuronen
Am Ende kommt der Professor zu einer bemerkenswerten Einsicht: Ja, das Ganze war absurd. Aber vielleicht zeigt dieser Selbstversuch auch, wie die Zukunft der Bildung aussieht: persönlich, interaktiv, gnadenlos effizient – und leicht narzisstisch.
Denn während Schulen und Universitäten noch über ChatGPT-Verbotsschilder diskutieren, sitzen die Studierenden längst mit digitalen Tutoren, die schneller, präziser und höflicher antworten als der Mensch vorne am Pult.
Der Professor zieht die einzig logische Konsequenz: „Je mehr KI den Unterricht übernimmt, desto wichtiger wird der menschliche Lehrer.“ Eine schöne Pointe – so menschlich, dass sie fast schon wieder von einer KI stammen könnte.
Die akademische Quadratur des Ichs
Diese Geschichte ist mehr als ein KI-Experiment – sie ist eine Selbstparodie des modernen Wissenschaftsbetriebs. Ein Dozent lässt sich von sich selbst unterrichten, um herauszufinden, dass er sich selbst am besten gefällt.
Es ist die logische Fortsetzung der Selfie-Kultur: Nur statt eines Filters gibt’s jetzt ein neuronales Netz. Und irgendwo zwischen Selbstbewunderung und Bildungsexperiment steht ein Mann, der in sein digitales Spiegelbild schaut und sagt:
„Lehrreich war’s. Aber der Schüler hätte etwas bescheidener sein können.“