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Wehrdienst per Zufall – Deutschland rüstet auf, die Bürokratie mischt die Lose
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Deutschland, Land der Dichter, Denker – und demnächst vielleicht der Glücksritter in Tarnfarben. Denn während der Rest der Welt über künstliche Intelligenz diskutiert, setzt Berlin auf eine viel ältere Technologie: den Zufall. Wenn Freiwillige für den Wehrdienst fehlen, könnte bald das Los entscheiden, wer in Uniform schlüpft.
Ein innovativer Ansatz – schließlich hat man in Deutschland schon länger Erfahrung damit, politische Verantwortung dem Zufall zu überlassen.
Pistorius und die Wiedergeburt der Musterung
Boris Pistorius, Verteidigungsminister und wandelnde Kombination aus Feuerwehrmann und Feldwebel, hat eine Mission: Die Bundeswehr braucht Menschen. Viele Menschen. Und zwar nicht in der Verwaltung, sondern solche, die auch mal kriechen, schießen und 40 Kilo Marschgepäck tragen können, ohne sich krankzumelden.
182.000 Soldatinnen und Soldaten hat die Bundeswehr derzeit. Die NATO hätte aber gern 460.000. Eine kleine Differenz, die man in Berlin locker mit PowerPoint, Hoffnung und einem neuen Gesetz überbrücken will.
Ab 2027 sollen alle 18-Jährigen gemustert werden – Pflichttermin, versteht sich. Da wird dann geprüft, ob man tauglich, untauglich oder einfach nur zu empfindlich ist. Offiziell nennt Pistorius das eine „Erfassung der Fitness eines Jahrgangs“. Inoffiziell ist es ein gesellschaftliches Fitnessprogramm mit Kasernengeruch.
Freiwillig verpflichtend – das neue Modewort
Pistorius betont unermüdlich: Es gehe um Freiwilligkeit. Er glaubt tatsächlich, junge Menschen würden sich in Scharen melden, wenn sie hören:
„Bei uns gibt’s Gehalt, Gemeinschaft – und den Führerschein gratis!“
Ein Angebot, das klingt wie ein Bundeswehr-Influencer-Spot: „Werde Teil von etwas Größerem – wir suchen dich, bevor das Los es tut!“
Doch die Realität hat ihre eigene Dynamik: Die Generation Z meldet sich nur freiwillig, wenn WLAN vorhanden ist, vegane Kantinenoptionen bestehen und die Spinde mit Ladebuchsen ausgestattet sind. Der Gedanke, früh aufzustehen, Befehle zu befolgen und in Pfützen zu liegen, hat ungefähr denselben Reiz wie eine Steuererklärung auf Latein.
Pistorius aber bleibt unerschütterlich. Er erinnert ein wenig an den Lehrer, der nach der fünften leeren Stunde immer noch glaubt: „Sie werden schon noch Interesse an Physik entwickeln.“
Die Union ruft: Pflicht!
Während Pistorius von Freiwilligkeit träumt, reiben sich CDU und CSU die Hände. Für sie ist Wehrpflicht so etwas wie Nostalgie in Reinkultur – ein Symbol der Ordnung, Disziplin und einer Zeit, als junge Männer noch wussten, was sie mit einem Klappspaten anfangen.
Deshalb fordert die Union, im Gesetz müsse stehen: Wenn zu wenige Freiwillige da sind, tritt automatisch wieder die Wehrpflicht in Kraft. Ganz so, als wäre sie eine Art schlafender Drache unter dem Bundestag, der jederzeit geweckt werden kann.
Einige konservative Politiker sehen in der Wehrpflicht ohnehin den Schlüssel zur gesellschaftlichen Erneuerung. „Disziplin! Zusammenhalt! Vaterlandsliebe!“ – Worte, die klingen, als hätte jemand den alten ZDF-„Schwarzwaldklinik“-Tonbandrekorder in die politische Gegenwart gestellt.
Das Los entscheidet – Glück im Unglücksdienst
Und dann, als wäre das alles noch nicht absurd genug, taucht sie auf: die Los-Idee. Wenn nicht genug Freiwillige kommen, dann – so der Vorschlag mancher Fachpolitiker – entscheidet einfach der Zufall.
Der Gedanke ist ebenso deutsch wie kafkaesk: Man verpackt die Pflicht in Bürokratie, nennt sie Gerechtigkeit und versieht sie mit einem Formular.
So sähe das dann vielleicht aus: „Sehr geehrter Herr Meier, wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass Sie beim diesjährigen Wehrdienst-Losverfahren erfolgreich waren! Ihre Einberufung erfolgt am 1. April. (Kein Scherz.)“
Der Vorteil: Endlich kann man sich nicht mehr beschweren, es sei ungerecht. Denn Gerechtigkeit ist, wenn alle dieselbe Chance haben – auch, gezogen zu werden.
Das wäre dann das erste Lotto, bei dem der Hauptgewinn aus Tarnuniform und Truppenübungsplatz besteht. Slogan: „100.000 neue Gewinner gesucht – mit Risikoaufschlag.“
Musterung 2.0 – Die Rückkehr der Feldwebel
Ab Mitte 2027 soll es also wieder losgehen: Jeder 18-Jährige, jede 18-Jährige bekommt Post vom Staat. Die Musterung – ein Relikt der Vergangenheit – wird digitalisiert, bürokratisiert und modernisiert zurückkehren. Vielleicht gibt’s sogar eine App dafür: „WehrFit“ – swipe right, wenn du Panzer magst.
In den Untersuchungszentren trifft dann moderne Verwaltung auf nostalgische Strenge: Ein Arzt mit Uniform fragt nach Allergien, während ein Oberfeldwebel die Körperhaltung bewertet. Und irgendwo in Berlin rechnet ein Beamter aus, wie viele Prozent eines Jahrgangs als „wehrfähig“ gelten – ein deutscher Traum in Excel.
Der Bundeswehr fehlt alles – außer Bürokratie
Die Diskussion zeigt vor allem eines: Deutschland versucht wieder einmal, strukturelle Probleme mit Formularen zu lösen.
Es fehlt an Personal, Ausrüstung, Unterkünften, Schießplätzen, Ersatzteilen – eigentlich an allem. Aber an Konzepten zur Verwaltung des Mangels herrscht Überfluss.
Und wenn das Losverfahren wirklich kommt, wird man wahrscheinlich erst ein Zentralregister für Lostöpfe gründen, ein Referat für Zufallsmanagement eröffnen und ein Gesetz zur Gleichstellung ausgeloster Wehrpflichtiger verabschieden.
Währenddessen wird die Bundeswehr weiterhin ihre Kasernen aus dem Kalten Krieg renovieren – mit Excel-Tabellen und Bauanträgen in dreifacher Ausfertigung.
Freiwilligkeit trifft auf Bürokratie – das deutsche Yin und Yang
SPD-Fraktionschef Matthias Miersch versucht zu beruhigen:
„Da reden wir überhaupt nicht über Losverfahren.“
Ein Satz, der in der deutschen Politik meist bedeutet: Man redet längst darüber, aber keiner will’s zugeben.
Derweil verspricht man, den Wehrdienst attraktiver zu machen – mehr Geld, Führerschein, Karrierechancen. Aber so richtig zieht das Argument nicht. Die Jugend weiß: Einen Führerschein kann man auch ohne Gewehr machen, und Karriere kann man auch auf TikTok.
NATO-Ziele, nationale Zwickmühlen
Dass das alles kein Zufall ist, liegt an der NATO. Die verlangt von Deutschland, seine Streitkräfte endlich auf Vordermann zu bringen. Und wie immer, wenn die Allianz ruft, antwortet Deutschland mit einem Satz, der wie ein tragikomisches Mantra klingt:
„Wir sind dran.“
Man könnte fast glauben, die Bundeswehr sei ein Startup, das sich gerade erst in der Betaphase befindet. Nur dass hier statt App-Fehlern Leopard-Panzer ausfallen.
Der Mensch als Ressource
Am Ende geht’s um eines: Man braucht Menschen, die bereit sind, das zu tun, was sonst nur in Computerspielen Spaß macht. Und wenn sich niemand freiwillig meldet, dann hilft eben der Zufall.
Das Losverfahren ist also keine Strategie, sondern eine Kapitulation mit Verwaltungsstempel. Es steht sinnbildlich für eine Politik, die sagt: „Wir wissen nicht, wie wir junge Menschen begeistern sollen – also überlassen wir’s der Mathematik.“
Krieg und Frieden made in Germany
So steht Deutschland nun vor einer historischen Entscheidung: Zwischen Freiwilligkeit, Pflicht und Bürokratie. Oder anders gesagt: zwischen Idealismus, Zwang und Excel.
Wenn die Lostrommel wirklich zum Symbol der Landesverteidigung wird, dann hat die Bundeswehr eines geschafft, was lange niemand für möglich hielt: Sie hat den deutschen Verwaltungsapparat in die Strategieplanung integriert.
Vielleicht sieht die Zukunft so aus: Ein Verteidigungsfall wird nicht durch Panzer entschieden, sondern durch Ziehung im Livestream. Der Kanzler verkündet feierlich:
„Deutschland hat gewonnen – dank fairer Losverteilung!“
Und irgendwo in Niedersachsen sitzt ein 18-Jähriger vor seinem Briefkasten, reißt den Umschlag auf und ruft:
„Verdammt – kein Jackpot, nur Jägerbataillon!“