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Lecornu Reloaded – Frankreich probt den politischen Hamsterlauf
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Ein ausführlich Bericht über Frankreichs frisch recycelten Premier, den Dauerpatienten Élysée und die hohe Kunst des Rücktritts mit Rückfahrkarte.
Paris, 2025. Frankreichs Politik gleicht derzeit einem schlechten französischen Film – nur ohne Humor, Pointe oder Budget. Und in der Hauptrolle: Sébastien Lecornu, 39 Jahre jung, zweimal Premier in vier Wochen, ein Mann, der offenbar denselben Job zweimal verliert, um ihn dann wieder zu bekommen. Sein Motto scheint zu lauten: „Wer hinfällt, steht wieder auf – und ruft den Präsidenten an.“
Emmanuel Macron, Frankreichs ewiger Jongleur zwischen Vision und Verzweiflung, hat Lecornu erneut zum Premierminister ernannt. Und das, obwohl der erst am Montag „aus Gewissensgründen“ zurückgetreten war – also exakt aus jenen Gründen, die ihn jetzt offenbar wieder ins Amt befördern. Die französische Politik nennt das Pflichtbewusstsein. Der Rest der Welt nennt es vermutlich politische Nekromantie.
Macrons Wahl: Wenn Plan B wieder Plan A wird
Macrons Begründung für die Wiederauferstehung seines Premiers: „Lecornu hat Rückgrat bewiesen.“ Was man so interpretieren könnte wie: „Er war der Einzige, der ans Telefon ging.“
Der Präsident hatte versprochen, nach Lecornus Rücktritt „mit allen Seiten zu sprechen“. Das tat er auch – allerdings nur, um festzustellen, dass keine Seite mit ihm sprechen wollte. Also blieb nur eine Lösung: Zurück zu Lecornu, dem Mann, der alles kann – außer gewinnen.
Frankreichs politische Kommentatoren sprechen bereits von einem „Recycling-Regime“. Ein System, in dem Kabinette nicht gebildet, sondern einfach wieder aufgewärmt werden. So spart man Zeit, Energie und politische Alternativen.
Lecornu selbst: Der höflichste Phoenix der Republik
Bei seiner Rückkehr ins Rampenlicht gab sich Lecornu gewohnt bescheiden: „Ich habe keinen anderen Ehrgeiz, als uns aus dieser Situation zu befreien.“ Das klang ungefähr so glaubwürdig, wie wenn ein Feuerwehrmann verspricht, den Brand zu löschen – und dabei selbst noch den Benzinkanister hält.
Er sprach in L’Haÿ-les-Roses, einem Ort, dessen Name romantisch klingt, aber sinnbildlich steht für die französische Politik: Viel Duft, wenig Blüte, und die Dornen stecken tief.
„Ich habe verstanden, dass Frankreich Stabilität braucht“, sagte Lecornu. Was übersetzt heißt: „Niemand sonst wollte den Job.“ Die „Stabilität“ ist in Paris mittlerweile so wackelig, dass selbst der Eiffelturm Angst bekommt, man könne ihn bald als Stützpfeiler fürs Kabinett missbrauchen.
Die Mission: Haushalt um jeden Preis – außer Vernunft
Lecornus neue Mission ist klar: Bis Montag muss das Budget stehen. Eine Mammutaufgabe – vor allem, wenn man bedenkt, dass Frankreichs Staatskasse derzeit so leer ist, dass selbst die Büroklammern im Finanzministerium aus Praktikantenspeichel bestehen.
Frankreichs Haushaltsdefizit liegt bei 5,8 Prozent, die Schulden bei 3,3 Billionen Euro. Kurz gesagt: Das Land finanziert sich von Gläubiger zu Gläubiger wie ein Bankrotteur mit Champagnerabo.
Lecornu soll nun also sparen, ohne zu kürzen, investieren, ohne zu haben, und Reformen schaffen, ohne dass jemand protestiert. Das ist ungefähr so, als würde man einem Kellner sagen: „Mach mir bitte ein Soufflé – aber ohne Eier, Mehl, Zucker, Ofen und Hoffnung.“
Das Parlament: Ein Ballett der Blockierer
Macron hat im Parlament keine Mehrheit – was in Frankreich eigentlich Tradition ist. Drei politische Lager kämpfen dort um die Vorherrschaft: Links, Rechts und Präsidentenfrust.
Die Linke (LFI) nennt Lecornu einen „politischen Zombie“. Der Rassemblement National (RN) spricht von einer „Beleidigung des Volkswillens“. Und die Grünen haben sich noch nicht entschieden, ob sie dagegen protestieren oder lieber einen Untersuchungsausschuss zum Thema „ökologische Regierungsbildung“ fordern.
Ein Misstrauensvotum ist bereits angekündigt – und das noch bevor Lecornu überhaupt ein Kabinett hat. Frankreichs Opposition hat eben Stil: Man bringt Regierungen zu Fall, noch bevor sie existieren.
Der Haushalt als nationale Glaubensfrage
Frankreich steht finanziell am Abgrund, aber politisch tanzt es Walzer. Lecornu will das Land mit einem „realistischen“ Sparplan retten. Die Sozialisten wollen ihn dulden – aber nur, wenn er die Rentenreform auf Eis legt. Macron hingegen will an der Reform festhalten – schließlich war sie das Einzige, was er seit 2017 geschafft hat, ohne komplett ausgebuht zu werden.
Also beginnt das große französische Ritual: Verhandlungen mit vollem Pathos und leerem Ergebnis. Ein Kabinett der Kompromisse, in dem jeder gewinnt – außer das Land.
Wenn Frankreich seine Staatsfinanzen retten will, müsste es wohl damit anfangen, die Zeitverschwendung im Parlament zu besteuern.
Macron & Lecornu – Ein Polit-Duett in Moll
Die Beziehung zwischen Macron und Lecornu wirkt wie die eines alten Ehepaares, das sich nicht trennen kann, weil das Haus noch nicht abbezahlt ist. Macron braucht Lecornu, um den Haushalt durchzubringen. Lecornu braucht Macron, um nicht als gescheiterter One-Hit-Wonder in die Geschichtsbücher einzugehen.
Beide sind von „Pflichtbewusstsein“ getrieben – ein Begriff, der in Frankreich inzwischen synonym ist mit „keine andere Wahl“.
Lecornu sagt, er wolle eine „freie Regierung“ bilden – also unabhängig von Parteien. Das ist löblich, aber ein bisschen naiv: Frankreichs Politik ohne Parteien ist wie Paris ohne Verkehrsstau – eine schöne Idee, aber völlig unrealistisch.
Die Franzosen: Erschöpft, aber nicht überrascht
Die Bevölkerung reagiert auf die Wiederernennung des Premiers mit einem kollektiven Schulterzucken. „Ach, wieder der?“, fragt eine Frau auf der Straße in Marseille, während sie ein Baguette zerdrückt. Ein anderer ergänzt: „So ist das in Frankreich – die Politiker treten zurück wie Raucher: mit Ansage, aber nie endgültig.“
Viele Franzosen haben längst den Überblick verloren, wie viele Regierungen das Land seit 2022 hatte. Fünf? Sechs? „Egal“, sagen sie, „die nächste kommt bestimmt – spätestens nächste Woche.“
Frankreichs Regierung als Endlosschleife
Lecornu ist wieder Premier, Macron wieder ratlos, und Frankreich wieder im Krisenmodus – also alles wie immer. Das Land hat sich an seine eigene politische Instabilität gewöhnt, so wie andere an schlechtes Wetter oder Bahnstreiks.
Die große Frage ist nur: Wie lange hält Lecornu diesmal durch? Bis Montag? Bis zur nächsten Haushaltsdebatte? Oder bis er wieder „aus Pflichtbewusstsein“ zurücktritt – um dann erneut berufen zu werden?
Frankreich bleibt das Land, in dem man den gleichen Fehler zweimal begeht – und ihn dann stolz „Staatsraison“ nennt.
Oder, wie ein Pariser Kabarettist es formulierte:
„Macron hat aus Lecornu ein Symbol gemacht: für Kontinuität in der Katastrophe. Und das ist immerhin auch eine Form von Stabilität.“