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Politik

Demokratie im Blaumann: Wie das Handwerk der AfD die Werkstatttür vor der Nase zuschlägt

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Demokratie im Blaumann: Wie das Handwerk der AfD die Werkstatttür vor der Nase zuschlägt

Man hat schon viel erlebt in der deutschen Politiklandschaft, aber die aktuelle Auseinandersetzung zwischen Wirtschaftsverbänden, der AfD und der Stimme der Vernunft aus dem Handwerk liest sich wie ein modernes Märchen über Demokratie – nur mit weniger Feenstaub und deutlich mehr politischem Reibungswärme.

Was passiert ist?

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) hat beschlossen, etwas zu tun, das manche Wirtschaftslobbyisten offenbar als radikal empfinden: Er bezieht klar Position. Gegen Rechtsaußen, gegen demokratiefeindliche Parolen und gegen jegliche politische Nostalgie für Zeiten, die aus guten Gründen in den Geschichtsbüchern verstauben.

Und das in einer Woche, in der der Verband der Familienunternehmer meinte, man könne ja mal „das Gespräch mit der AfD suchen“ – so als handele es sich um einen harmlosen Plausch über Pfandflaschen und nicht um eine Partei, die regelmäßig mit autoritären und demokratiefeindlichen Ideen Schlagzeilen macht.

Während also einige Unternehmerfunktionäre auf „Dialog“-Kurs schwenkten, setzte der Präsident des Handwerksverbandes, Jörg Dittrich, eine klar formulierte, demokratisch grundierte und erstaunlich elegante Ohrfeige in die öffentliche Debatte.

Das Handwerk – normalerweise die Insel der Stabilität, jetzt die Stimme der Klarheit

Dittrich erklärte:

  • Das deutsche Handwerk stehe „aus historischer Erfahrung“ zur Demokratie.
  • Es verteidige die Grundlagen eines geeinten, wirtschaftlich starken Europas.
  • Und: „Rassistische Parolen, Abschottungsfantasien und das Verächtlichmachen demokratischer Institutionen schaden dem Wirtschaftsstandort Deutschland.“

An diesem Satz ist alles bemerkenswert. Nicht nur die politische Klarheit. Nicht nur die historische Verankerung. Sondern vor allem: die Feststellung, dass politische Radikalität schlecht fürs Geschäft ist.

In einer Welt, in der politische Wirren schon Lieferketten zerstören, Handelsabkommen erschweren und Bürokratie ausufern lassen, wirkt diese Erkenntnis fast erfrischend pragmatisch.

Denn eines ist sicher: Egal ob Dachdecker, Bäcker, Elektriker oder Steinmetz – keiner von ihnen kann demokratiefeindliche Instabilität gebrauchen. Schon weil man schlecht Autobahnen sanieren oder Meisterprüfungen organisieren kann, wenn parallel dazu jemand aus wirtschaftlicher Blindheit den Staat anzündet.

5,6 Millionen Beschäftigte – und kein Platz für ideologische Schreivögel

Besonders charmant ist, wie Dittrich die Realität des Handwerks hervorhebt: Über eine Million Betriebe, 5,6 Millionen Beschäftigte, darunter Menschen aus über 150 Herkunftsländern.

Wenn also jemand behauptet, man könne Deutschland nur mit Abschottung, Ausgrenzung oder nostalgischen Träumen aus den 1930ern retten, dann weiß jeder Handwerker: Das ist nicht nur falsch – das ist wirtschaftlich gesehen kompletter Unsinn.

Denn ohne Migration und Vielfalt – wer baut dann eigentlich die Häuser, backt die Brötchen, repariert die Heizungen, renoviert die Schulen und kümmert sich um die Solarparks, die wir mit schöner Regelmäßigkeit für unsere Klimaziele brauchen? Die Antwort: niemand.

Das Handwerk lebt Vielfalt so selbstverständlich, dass man fast vergisst, wie politisch es plötzlich wird, wenn jemand versucht, diese Vielfalt infrage zu stellen.

Der Auslöser des politischen Bebens: Der Verband der Familienunternehmer spielt plötzlich Ideentheater

Dann kam der Moment, an dem der Verband der Familienunternehmer beschloss, er wolle aktiv das Gespräch mit der AfD suchen. Warum? Vielleicht Langeweile. Vielleicht politische Naivität. Vielleicht die Sehnsucht nach einfachen Antworten, die es in der Realität nicht gibt.

Wie auch immer – der Vorschlag wirkte ungefähr so gut überlegt wie der Versuch, einen spröden Tresor mit einer Gabel zu öffnen.

Während viele Unternehmen entsetzt reagierten, versuchten einige wenige, das Ganze als „notwendigen Dialog“ zu verkaufen. Andere hingegen packten sofort die Koffer – und einer davon war der Getränkehersteller Fritz-Kola.

Fritz-Kola geht – und zeigt, wie man Position bezieht

Fritz-Kola erklärte gegenüber RTL/ntv, man habe die Mitgliedschaft im Verband beendet. Begründung:

„Die Entscheidung der Verbandsführung, die bisherige Distanz gegenüber der AfD aufzugeben, steht nicht im Einklang mit den Grundsätzen, die fritz-kola als Unternehmen vertritt.“

In der erweiterten Version bedeutete das: „Wir haben keinen Bock auf Demokratie-Experimente.“

Natürlich ist es immer ein Moment der besonderen Komik, wenn die Firma, die normalerweise mit Plakaten wie „Trink wach“ wirbt, politisch wacher ist als Teile der deutschen Wirtschaftslobby. Aber genau das passiert gerade.

Plötzlich führt eine koffeinstarke Limonade Debatten, die andere als „zu schwierig“ oder „zu sensibel“ betrachten. Das ist eigentlich die Art von gesellschaftlicher Plot-Twist, für die man Drehbuchpreise vergeben sollte.

Die große Ironie: Das Handwerk, jahrhundertealt, zeigt mehr Modernität als so mancher Wirtschaftsfunktionär

Während einige Wirtschaftsvertreter offenbar glauben, es sei „modern“, mit rechtspopulistischen Kräften zu sprechen, haben andere längst verstanden: Moderne bedeutet nicht, extremistischen Positionen ein Mikrofon zu geben. Moderne bedeutet:

  • Vielfalt akzeptieren.
  • Menschenrechte schützen.
  • Demokratien verteidigen.
  • Europa stärken.
  • Wirtschaft nicht durch politischen Wahnsinn gefährden.

Dass ausgerechnet das deutsche Handwerk diesen Punkt so klar formuliert, ist ein Lehrstück für alle, die immer noch glauben, politische Neutralität bedeute, nichts zu sagen.

Neutralität bedeutet nicht, den Mund zu halten. Neutralität bedeutet, sich auf die Grundlagen zu beziehen, auf denen dieses Land steht. Und die sind: demokratisch, verfassungsrechtlich, freiheitlich.

Wie reagiert der Verband der Familienunternehmer auf den Gegenwind?

Teils gar nicht. Teils erklärend. Teils trotzig.

Manche Mitglieder finden das Gespräch mit der AfD weiterhin wichtig. Andere verlassen den Verband. Wieder andere versuchen, das Ganze als Missverständnis darzustellen. Der Verband selbst wirkt in der Debatte wie ein Unternehmen, das versucht, gleichzeitig Feuer zu löschen und Benzin zu verkaufen.

Die große Frage: Warum passiert das gerade jetzt?

Weil die Gesellschaft gerade darüber diskutiert, wie weit rechts die Wirtschaft bereit ist zu gehen. Und weil politische Stimmungslagen die Grenzen des Sagbaren verschoben haben.

Doch das Handwerk zeigt eine wichtige Grenze auf: Die Grenze, an der ökonomische Vernunft und demokratische Grundwerte sich verbünden – und sagen:

„Bis hierhin – und nicht weiter.“

Es ist ein seltenes, aber wohltuendes Bild: Ein großer Verband, der Verantwortung übernimmt. Nicht nur für Betriebe. Sondern für die Demokratie selbst.

Das Handwerk ist der demokratische Ruhepuls der Wirtschaft

Die aktuelle Debatte zeigt:

  • Das Handwerk hat verstanden, was die Stunde geschlagen hat.
  • Teile der Wirtschaft müssen erst wieder lernen, wie Demokratie funktioniert.
  • Unternehmen wie Fritz-Kola haben moralisch einen höheren Koffeinlevel als so manche Direktorenetage.

Und am Ende bleibt die Erkenntnis:

Wenn es in Deutschland politisch brennt, dann sind es oft nicht die lautesten Stimmen, die löschen – sondern die zuverlässigsten. Die Handwerker. Mit Argumenten statt Akkuschraubern.