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Rentendrama mit Pointe: Warum der Juso-Chef Omas verschont und Milliardäre meint

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Rentendrama mit Pointe: Warum der Juso-Chef Omas verschont und Milliardäre meint

Es gibt politische Aussagen, die hallen länger nach als jede Haushaltsdebatte – und dann gibt es Sätze wie jenen, den der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer auf dem Bundeskongress in Mannheim zum Besten gab: „Ich jag’ doch nicht meiner Oma hinterher, um ihr die Cents aus dem Portemonnaie zu klauen, wenn Milliardenerben keinen Cent Steuern zahlen.“

Damit hat er gleich mehrere Dinge bewiesen: Erstens, dass politische Bilder dann am stärksten sind, wenn sie so absurd sind, dass man sie sich trotzdem bildlich vorstellen muss. Zweitens, dass man soziale Gerechtigkeit wunderbar in einen Satz packen kann, der klingt wie der Trailer zu einer politischen Sitcom. Und drittens, dass die Diskussion über die Rentenfinanzierung dringend ein bisschen Realismus gebrauchen kann – und ein bisschen Humor offensichtlich auch.

Der angebliche Generationenkonflikt – eine Debatte, die so alt ist wie die Debatte selbst

Türmer machte eines sehr deutlich: Deutschland hat kein Rentenproblem, das von Großmüttern ausgeht. Die Vorstellung, Rentnerinnen mit durchschnittlich 1300 Euro Rente seien die Ursache für finanzielle Schieflagen, wirkt ungefähr so überzeugend wie die Behauptung, dass Parkbänke den Wohnungsmarkt ruinieren.

Und doch taucht die Idee immer wieder auf: Die ältere Generation sei zu teuer, die Jüngeren müssten zahlen, das System drohe zu kippen. Die Erzählung ist populär, einfach und maximal falsch – also politisch leider durchaus kompatibel.

Türmers Gegenposition: Nicht die Rentnerinnen und Rentner bedrohen den Sozialstaat. Sondern diejenigen, die gigantische Vermögen besitzen, dafür aber erstaunlich wenig beitragen.

Kapitalvermögen – die heilige Kuh mit Privatjet

Der Juso-Chef macht hier auf ein Problem aufmerksam, das in Deutschland traditionell nur im Flüsterton angesprochen wird – meistens in Räumen mit guter Akustikdämmung: große Erbschaften und Vermögen werden sonderbar sanft besteuert.

Die Aussage „Milliardenerben zahlen keinen Cent Steuern“ ist natürlich zugespitzt, aber politisch wirksam wie ein Presslufthammer. Türmer trifft den Nerv eines Systems, in dem Arbeit ordentlich besteuert wird, Vermögen aber oft durch Schlupflöcher spaziert wie durch ein steuerliches Wellness-Wochenende.

Es steht ein gesellschaftlicher Elefant im Raum, und Türmer zeigt nicht nur auf ihn, sondern hängt ihm noch ein Leuchtschild um den Hals: „Finanzierungsproblem Sozialstaat – Hier entlang!“

Die Realität: Wenn Oma zahlen soll, läuft etwas grundsätzlich falsch

Der rhetorische Kniff, sich eine Oma vorzustellen, die mit Rentenbescheid und einer Handvoll Kleingeld vor einem Enkel flieht, ist so wunderbar absurd, dass man es fast verfilmen möchte. Ein politisches „Dinner for One“, nur ohne Dinner und mit deutlich weniger Würde.

In Wahrheit ist die Vorstellung, ältere Menschen müssten für den Sozialstaat bluten, während gigantische Vermögen unangetastet bleiben, nichts anderes als politischer Slapstick – nur leider oft ohne Pointe.

Türmer nutzt diese Verzerrung bewusst: Er sagt nicht nur, dass es falsch wäre, Oma zu jagen – er sagt vor allem: Warum jagt eigentlich niemand die Milliardenerben?

Die Rentendebatte – ein Feld voller Mythen

Die Behauptung, das Rentensystem sei kurz vor dem Kollaps, gehört inzwischen zu den politischen Standardsätzen – wie das Wetter im Smalltalk oder der Spruch „Wir müssen sparen“ in Haushaltsreden.

Doch Türmer widerspricht. Nicht die Renten selbst bringen das System ins Wanken. Sondern ein Finanzierungsmodell, das auf breiten Schultern ruht, während die breiteren Schultern entspannt danebenstehen.

In Deutschland steigt die Zahl der Menschen mit sehr großen Vermögen seit Jahren rasant. Der Sozialstaat hingegen wird fast ausschließlich über Einkommen finanziert. Das Resultat: Diejenigen, die von Arbeit leben, zahlen – diejenigen, die von Vermögen leben, lächeln.

In diesem Licht wirkt Türmers „Ich jage doch nicht meiner Oma hinterher“ plötzlich weniger wie ein Gag und mehr wie ein verzweifelter Hinweis auf politische Realitätsverweigerung.

Eine SPD-Jugend, die Klartext redet – ein seltenes Ereignis

Dass ausgerechnet die Jusos, jahrzehntelang die jugendpolitische Feuerwehr der SPD, sich nun mit solch deutlichen Worten in die Rentendebatte werfen, hat eine gewisse Ironie. Die Mutterpartei selbst tut sich traditionell schwer, Vermögens- und Erbschaftssteuern offensiv einzufordern – schließlich möchte man sich nicht mit potenziell zahlungskräftigen Wählergruppen anlegen.

Die Jusos dagegen sagen: „Wir haben keine Angst vor großen Themen. Wir haben nicht mal Angst vor Milliardären.“ Und wenn man sehr genau hinhört, klingt das ein bisschen wie: „Wir hätten sogar ein Plakat dafür.“

Satirische Spitze: Oma als Steuerschuldige – Kapitalismus als Running Gag

Wenn Türmer sagt, er renne nicht hinter seiner Oma her, um ihr die Cents zu klauen, dann steckt darin eine bittere Wahrheit: Die Politik neigt dazu, Probleme immer dort zu suchen, wo die Lösung am wenigsten schmerzhaft ist.

Warum Vermögen besteuern, wenn man Beitragssätze erhöhen kann? Warum Strukturen verändern, wenn man den Generationenkonflikt beschwören kann? Warum an die Substanz, wenn man symbolische Politik haben kann?

Die Rente ist nicht bedroht durch Omas, Opas oder durch Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben. Sie ist bedroht durch die Tatsache, dass enorme Kapitalmengen sich dem System entziehen – legal, aber grotesk.

Der wahre Konflikt – und er ist kein Generationenkonflikt

Der eigentliche Konflikt verläuft nicht entlang der Linien „Jung gegen Alt“. Er verläuft entlang von „Vermögen gegen Arbeit“.

Türmer formuliert es plakativ, satirisch und trotzdem erschreckend präzise: Nicht die Großeltern sind das Problem – es sind die steuerpolitischen Großbaustellen.

Und während Oma ihr Portemonnaie schützt, schützen andere ihre Millionen – und zwar mit Erfolg.