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Die MAGA-Madame geht: Marjorie Taylor Greene und der spektakulärste Abgang seit Reality-TV erfunden wurde
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„Wenn politische Dramen Netflix alt aussehen lassen“
In der amerikanischen Politik sind Überraschungen so selten wie funktionierende Faxgeräte in deutschen Behörden — und doch zeigt Marjorie Taylor Greene einmal mehr, dass sich die politische Landschaft der USA anfühlt wie eine Reality-Show, die nicht enden will, weil die Produzenten immer neue Drehbücher finden. Nun kündigt ausgerechnet eine der lautesten Stimmen des Trumpismus ihren Rückzug aus dem Kongress an. Die Frau, die verbal ganze Talkshow-Runden alleine hätte ersetzen können, will plötzlich aussteigen. Und man fragt sich unweigerlich: Was ist passiert? Hat jemand versehentlich den „ruhiger“-Modus bei ihr aktiviert?
Natürlich nicht. Stattdessen kommt es zum finalen, dramatischsten, publikumswirksamsten Zerwürfnis mit Donald Trump, dem Mann, der sich unzweifelhaft für den wahren Sonnenmittelpunkt der Republikanischen Partei hält. Greene galt lange als seine glühendste Unterstützerin – eine Art politischer Wachhund, der jedes fremde Geräusch lauter kommentierte als nötig. Doch dann kam der Epstein-Fall. Und wenn Trump eines nicht mag, dann sind es Fragen. Besonders unbequeme Fragen. Am allerwenigsten Fragen, die sich auf Unterlagen beziehen, die man gerade nicht veröffentlichen will.
Greene wollte Veröffentlichung, Trump wollte Schweigen. Greene wollte Aufklärung, Trump wollte Stille. Greene wollte Transparenz, Trump wollte lieber… was immer das Gegenteil von Transparenz ist. Kurz: Es knallte.
Und zwar so sehr, dass Trump öffentlich über sie herfiel, als wäre sie ein unkooperativer Kandidat seiner eigenen Reality-Show. Die Wortwahl reichte von „durchgeknallt“ über „zeternde Irre“ bis hin zur hochwissenschaftlichen Einschätzung, sie sei „nach links abgedriftet“ – was vor allem zeigt, wie schnell man im MAGA-Kosmos zur „Linksradikalen“ wird: Man muss dafür lediglich eine Frage zu viel stellen.
Der Bruch führte schließlich zum politischen Paukenschlag: Greene kündigte via X ihren Rücktritt an. Ein Ereignis, das man kaum anders als „staffelfinale-tauglich“ bezeichnen kann. Besonders, weil sie in einem vierseitigen Statement ihre Beweggründe erklärte, und zwar in einem Ton, der irgendwo zwischen Selbstkritik, Empörung und dem Bedürfnis nach einer spirituellen Reinigungszeremonie schwebt.
Sie betonte, es gehe ihr um Gerechtigkeit für Frauen, die in jungen Jahren durch Epstein und seine mächtigen Komplizen missbraucht wurden. Und sie frage sich, warum sie dafür bedroht werde, dass sie sich einsetzt, während „reiche, mächtige Männer geschützt werden“. Etwas, das man als stille Selbstreflexion stehen lassen könnte — wenn es nicht ausgerechnet von einer Politikerin käme, die über Jahre hinweg jede rhetorische Molotowcocktail-Gelegenheit genutzt hat.
Doch objektiv betrachtet hat Greene recht: Das Epstein-Thema ist politisch hochexplosiv. Nur überrascht es, dass sie ausgerechnet jetzt einen moralischen Kompass entdeckt, während Trump lieber weiterhin mit der Schaufel den Sandkasten seiner eigenen Narrative dekoriert.
Greene und die Vergangenheit: eine Sammlung politischer Vulkanausbrüche
Es wäre unfair, Greene nur auf diesen jüngsten Konflikt zu reduzieren. Immerhin hat sie sich über die Jahre um ein Repertoire bemüht, das selbst extremistische Telegram-Kanäle neidisch machen würde. Sie hat über „jüdische Laserstrahlen aus dem All“ fabuliert, über geheime Eliten, über totale Regierungsverschwörungen — alles, was man so sagt, wenn man eine politische Karriere eher als Actionfilm denn als seriöse Tätigkeit versteht.
Doch selbst Hardlinerinnen haben manchmal Momente der Erkenntnis. Bei Greene kam dieser offenbar, als der rechte Influencer Charlie Kirk ermordet wurde. Ein Ereignis, das sie als „Erweckungsmoment“ beschreibt. Ganz so, als hätte jemand das Licht angeknipst und ihr plötzlich gezeigt, wie giftig politische Gewalt geworden ist — inklusive solcher Gewalt, die sie zuvor verbal mit angefacht hatte.
Vor dem Epstein-Streit hatte sie bereits mehrfach gegen die Parteilinie geschossen. Sie kritisierte die Israel-Politik der Republikaner, unterstützte Obamacare-Subventionen, beschuldigte ihre Partei am Shutdown — und schuf damit das politische Äquivalent zu einem Funkenregen im Munitionslager. Trump mochte es gar nicht. Seine Wut, wie üblich per Truth-Social-Rundumschlag ausgeliefert, ebbte nie ab.
Das Drama eines Bruchs, den alle kommen sahen — außer Greene
Dass dieser Konflikt eskalieren würde, war weniger eine Überraschung als ein politisches Naturgesetz. Die Beziehung Trump–Greene war von Anfang an wie eine toxische Serie, in der jede Staffel lauter, wütender und inhaltlich instabiler wurde. Am Ende stand ein Bruch, der sich anfühlt wie das Finale einer Show, bei der beide Protagonisten gleichzeitig um die Hauptrolle kämpfen.
Für die Republikaner bedeutet Greenes Rückzug einen Machtverlust — allerdings weniger im politischen Sinne, sondern eher in der medialen Lautstärke. Denn eines muss man ihr lassen: Sie hat jeden Raum gefüllt, sobald sie ihn betrat. Nicht immer sinnvoll. Nicht immer hilfreich. Aber immer hörbar.
Für die amerikanische Demokratie bedeutet ihr Abschied… nun ja… einen geringfügig ruhigeren Kongressgang. Weniger Feuerwerk. Weniger Rauch. Weniger Grundrauschen im politischen Dauerlärm.