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Epstein, Schattenpolitik & Scripted Reality: Die sechs Tage, die keiner sehen wollte
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Es gibt politische Enthüllungen, die klingen wie das Staffelfinale einer sehr schlecht geschriebenen Serie, von der man dachte, sie sei längst abgesetzt: Mit der Veröffentlichung neuer Dokumente im Kontext der Verbindungen des verurteilten Sexualstraftäters Jeffrey Epstein taucht erneut ein Kapitel auf, das man lieber in einer geschlossenen Akte mit der Aufschrift „bitte nicht mehr öffnen“ gelassen hätte. Doch die Realität hat sich offenbar entschlossen, unbeirrt Material für die nächste Staffel amerikanischer Polit-Farce zu liefern.
Dieses Mal im Fokus: Epstein und ein prominenter Ideengeber der US-Rechten, der im öffentlichen Diskurs zwar gerne wie eine Mischung aus Polit-Messias und apokalyptischem Trendberater auftritt, aber hinter den Kulissen offenbar denselben Rat suchte wie jeder mittelmäßige Influencer vor einem TikTok-Live: „Wie komme ich rüber?“
Wie der „Guardian“ berichtet, pflegten Epstein und der betreffende rechte Stratege im Jahr 2018 einen sechstägigen, durchaus intensiven Nachrichtenaustausch. Sechs Tage – das klingt nicht nach beiläufigem Networking, sondern nach der Art von digitaler Nähe, die sonst nur entsteht, wenn jemand versucht, einer Dating-App den Algorithmus abzutrotzen. Während der Stratege damals öffentlichkeitswirksam die Politik des damaligen US-Präsidenten verteidigte, flüsterte Epstein ihm offenbar hinter den Kulissen mediale Tipps zu. Eine merkwürdige Kombination: Der eine wollte America great machen, der andere war damit beschäftigt, sich selbst als unverzichtbaren Strippenzieher zu inszenieren – und beide waren anscheinend der Überzeugung, dass sie gemeinsam etwas erschaffen könnten, das man „Kommunikationsstrategie“ nennt.
Die veröffentlichten Nachrichten zeigen laut Guardian, wie Epstein Fernsehauftritte, politische Botschaften und mediale Inszenierungen kommentierte und mitgestaltete. Man könnte fast meinen, Epstein habe sich in diesen Momenten als eine Art „Schattenberater“ verstanden – halb PR-Coach, halb düsterer Hofnarr. Wenn man bedenkt, dass es in den USA Berufe wie „Executive Media Whisperer“ gibt, wäre es nur folgerichtig, der Liste einen neuen Posten hinzuzufügen: „Berater für öffentlichkeitswirksame Kontroversen mit maximalem Aufmerksamkeitsfaktor.“
Interessant ist auch, wie schnell sich Experten sicher waren, dass der unkenntlich gemachte Gesprächspartner niemand anderes als der bekannte rechte Ideologe war. Offensichtlich lassen sich manche Kommunikationsmuster ebenso eindeutig identifizieren wie der Klang eines Laubbläsers im Morgengrauen. Besonders Hinweise auf frühere Ereignisse – etwa den unrühmlichen Abgang aus dem Weißen Haus ein Jahr zuvor – wirkten wie Signaturzüge. Wenn jemand also noch nach einem Beweis suchte, dass Politiker gerne ihre eigenen PR-Dramen recyceln: bitte sehr, hier ist die Fußnote.
Der Stratege selbst äußerte sich bisher nicht zu den Enthüllungen. Schweigen ist in der Politik traditionell ein vielseitiges Werkzeug: Man kann damit Anstand simulieren, Desinteresse vortäuschen oder hoffen, dass die Presse kollektiv vergisst, dass man existiert. Im modernen Politikbetrieb gleicht Schweigen allerdings eher der Hoffnung, dass ein Küchenbrand von allein verschwindet.
Was die Nachrichten jedoch klar erkennen lassen: Der Stratege hatte offenkundig das Bedürfnis, weiterhin als moralischer Bodyguard des Ex-Präsidenten aufzutreten, selbst ein Jahr nach seinem offiziellen Ausscheiden aus dem Regierungsumfeld. Es wirkt fast rührend – wie der Versuch eines längst entlassenen Praktikanten, im Büro weiterhin als unverzichtbare Stütze wahrgenommen zu werden. Trump brauchte jemanden, der seine Botschaften mit markigen Worten flankiert – und Epstein war anscheinend bereit, die mediale Feinabstimmung zu übernehmen.
Noch spannender: Die Dokumente zeigen Epsteins Beteiligung an politischen Themen wie Steuersenkungen und Einwanderung. Dass ein Mann, dessen eigener moralischer Kompass bereits auf Werkseinstellungen gescheitert war, auf einmal über gesellschaftspolitische Debatten mitreden wollte, ist eine Ironie, die man nicht schreiben könnte, ohne rot zu werden. Medienstrategie ausgerechnet aus dieser Ecke gleicht der Entscheidung, ein brennendes Streichholz zum Beraten einer Feuerwehr einzusetzen.
Unklar bleibt, ob der veröffentlichte Austausch nur ein Ausschnitt aus einer längeren Kommunikation war – oder ob die sechs Tage bereits das volle Ausmaß dieser „kreativen Zusammenarbeit“ zeigen. Politische Beobachter spekulieren, manche mit Sorge, andere mit einem gewissen fatalistischen Humor, dass die gemeinsame Vision der beiden Herren wohl auf dem bekannten Prinzip beruhte: Lautstärke plus Konfrontation gleich Aufmerksamkeit. Ein Erfolgsrezept, das in den vergangenen Jahren so exzessiv angewandt wurde, dass selbst Reality-TV-Produzenten beeindruckt wären.
Insgesamt zeichnet der Vorgang ein Bild, das eindrücklicher kaum sein könnte: Eine politische Szene, in der sich im Hintergrund Figuren bewegen, deren moralische Untiefen tiefer liegen als die Atlantis-Gerüchteküche. Und in der mediale Ratschläge offenbar von jenen erteilt wurden, die selbst längst jeden Anspruch auf gesellschaftliche Glaubwürdigkeit verwirkt hatten.
Es bleibt die Frage, warum diese Enthüllungen überhaupt noch überraschen. Vielleicht, weil jeder Mensch insgeheim hofft, dass Politik wenigstens ein Mindestmaß an Schamgefühl besitzt. Doch die wiederholte Erfahrung zeigt: In der amerikanischen Politik gibt es kaum etwas, das nicht noch ein kleines Stück absurder werden kann. Und falls doch – findet sich garantiert jemand, der bereit ist, es in einer Textnachricht vorzuschlagen.