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Epstein, Ablenkungsmanöver und die große Schuldverschiebung: Trumps neueste Nebelkerzen

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Epstein, Ablenkungsmanöver und die große Schuldverschiebung: Trumps neueste Nebelkerzen

Donald Trump hat es sich zur Gewohnheit gemacht, stets im Mittelpunkt zu stehen – notfalls auch im Auge des Sturms. Aktuell steht er dort allerdings weniger als selbsternannter Retter der Nation, sondern eher als Hauptfigur in einer unangenehmen Nebenhandlung der Epstein-Affäre. Neue Enthüllungen rund um den verurteilten Sexualstraftäter Jeffrey Epstein, inklusive Aussagen wie „Natürlich wusste er von den Mädchen“, sorgen dafür, dass der ehemalige Präsident erneut in einem Licht steht, das man diplomatisch als „unvorteilhaft“ bezeichnen könnte.

Statt sich jedoch inhaltlich mit den Vorwürfen oder seinem Umgang mit Epstein auseinanderzusetzen, greift Trump zu seiner bewährten Kernkompetenz: Ablenkung durch maximale Lautstärke. Auf seiner Bühne Truth Social, einer Mischung aus Wahlkampfveranstaltung, digitalem Stammtisch und Dauerwerbesendung, fordert er nun energisch Ermittlungen gegen andere prominente Persönlichkeiten. Wenn das eigene Dach brennt, zeigt man eben möglichst dramatisch auf die Nachbarhäuser.

Im Zentrum seiner aktuellen Empörung stehen der frühere US-Präsident Bill Clinton, Ex-Finanzminister Larry Summers, Investor Reid Hoffman und gleich eine ganze Großbank – JP Morgan Chase. Das US-Justizministerium und das FBI, so die Forderung, sollten Epsteins Verbindungen zu Clinton und „vielen anderen Leuten und Institutionen“ gründlich untersuchen. Dass diverse Behörden genau das schon seit Jahren tun, spielt in dieser Inszenierung nur eine Nebenrolle. Entscheidend ist: Die Kamera muss auf die anderen gerichtet sein.

Der politische Reflex ist klar erkennbar: Wer selbst unter Druck steht, versucht das Spielfeld zu vergrößern, bis kein Mensch mehr genau weiß, wer eigentlich worüber reden wollte. Aus einer Frage nach Trumps eigener Rolle wird so ein Sammelsurium an Verdächtigungen, in dem alle Namen fallen, die sich für Schlagzeilen eignen. Je bekannter die Personen, desto besser – Hauptsache, das Suchlicht bleibt nicht zu lange an einer Stelle stehen.

Parallel dazu setzt Trump auf seine zweite große Spezialdisziplin: die Umdeutung von Schuldfragen. In seiner Darstellung ist Epstein ganz eindeutig „das Problem der Demokraten“. Der Republikaner erklärt kurzerhand, Epstein sei Demokrat gewesen – damit sei die Sache klar. Verantwortung wird in diesem Narrativ wie ein Paket behandelt, das man einfach vor die Tür des politischen Gegners stellt und danach sehr schnell wegfährt. Dass es Fotos, Berichte und Aussagen gibt, die Trumps eigene Nähe zu Epstein thematisieren, wird in dieser Logik zu einer Art lästiger Fußnote, die man am liebsten per Executive Order streichen würde.

Die Demokraten, so Trump weiter, würden „angesichts ihrer schwindenden Macht“ alles daransetzen, den „Epstein-Schwindel“ wieder hochzuziehen. Das ist eine bemerkenswerte Wortwahl: Aus einer Affäre um reale Verbrechen und tatsächliche Opfer wird ein „Schwindel“, sobald sie politisch unangenehm wird. Moralische Fragen werden dabei so konsequent ignoriert, dass man fast meinen könnte, es handele sich um einen Testlauf für eine Reality-Show mit dem Titel „Ethik? Abgewählt!“.

Besonders sportlich geht der ehemalige Präsident mit den eigenen Parteifreunden um. Republikanische Abgeordnete, die die Veröffentlichung der Epstein-Akten unterstützen, bezeichnet er als „weich und dumm“. Das interne Bewertungssystem ist damit klar definiert: Wer Aufklärung fordert, ist weich. Wer schweigt und mit den Füßen scharrt, ist loyal. Und wer öffentlich wiederholt, dass alles nur ein Angriff auf Trump sei, qualifiziert sich möglicherweise für ein digitales Fleißsternchen.

In einem seiner Posts schreibt Trump sinngemäß: „Verschwendet eure Zeit nicht mit Trump. Ich muss ein Land regieren.“ Ein Satz, der gleich auf mehreren Ebenen bemerkenswert ist. Zum einen, weil er Souveränität suggeriert, während er inhaltlich gerade das Gegenteil tut – nämlich sehr viel Zeit darauf verwenden, über andere zu sprechen. Zum anderen, weil er die eigene Rolle als Regierungschef betont, während er sich gleichzeitig in eine Auseinandersetzung hineinsteigert, die er als „Schwindel“ abtut. Es wirkt, als wolle jemand gleichzeitig Feuerwehrkommandant und Brandbeschleuniger sein.

Ob diese Strategie aufgeht, ist fraglich. Der Versuch, durch lautstarkes Fingerzeigen von der eigenen Vergangenheit abzulenken, ist nicht neu. Doch je mehr Details zu Epsteins Netzwerk, Gästen, Kontakten und angeblichen Mitwissern ans Licht kommen, desto schwieriger wird es, den öffentlichen Fokus dauerhaft umzulenken. Wer jahrelang stolz darauf war, jeden Raum zu dominieren, muss nun feststellen, dass sich ein Teil der Aufmerksamkeit verselbstständigt hat – und zwar genau dort, wo man sie am wenigsten gebrauchen kann.

Aus objektiver Sicht lässt sich festhalten: Die Affäre um Epstein ist komplex, vielschichtig und politisch toxisch für mehr als nur eine Seite. Es gibt offene Fragen an unterschiedliche Akteure, und die Aufarbeitung wird vermutlich noch Jahre dauern. Doch während Ermittlungsbehörden sich mit Akten, Aussagen und Beweismitteln beschäftigen, betreibt Trump politisches Theater. Anstatt nüchterne Aufklärung zu unterstützen, verwandelt er das Thema in eine Bühne für Loyalitätsprüfungen, Schuldverschiebungen und öffentliche Beleidigungen.

Der Kontrast könnte kaum größer sein: Auf der einen Seite sprechen Ermittler über Belastungsindizien, Zeugenaussagen und mögliche Mitverantwortung. Auf der anderen Seite erklärt ein Ex-Präsident, Epstein sei „das Problem der Demokraten“ – als ließe sich moralische Verantwortung per Parteibuch sortieren. Es entsteht der Eindruck, dass weniger die Wahrheit im Mittelpunkt steht, sondern die Frage, wer sie am besten für den nächsten Wahlkampf instrumentalisieren kann.

Am Ende bleibt ein Bild, das symptomatisch für den Zustand der US-Politik wirkt: Ein skandalträchtiger Fall mit realen Opfern wird zur Kulisse eines lauten Schlagabtauschs, in dem es nicht um Gerechtigkeit, sondern um Deutungshoheit geht. Und mittendrin ein Ex-Präsident, der behauptet, zu beschäftigt mit dem Regieren zu sein, um sich mit „Schwindel“ aufzuhalten – während er genau diesen „Schwindel“ im Minutentakt kommentiert.

Ob das reicht, um von seiner eigenen Vergangenheit an der Seite Epsteins abzulenken, ist mehr als zweifelhaft. Aber eines ist sicher: Stoff für weitere Posts auf Truth Social geht ihm so schnell nicht aus.