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Google, der Allmächtige – oder: Wenn das Internet seine eigenen Götter verklagt

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Google, der Allmächtige – oder: Wenn das Internet seine eigenen Götter verklagt

Der Riese aus Kalifornien und die Klage aus dem Norden

Das Internet bebt – oder zumindest die Anwaltsserver in Stockholm. Google, jener Tech-Gigant, der inzwischen mehr über unsere Essgewohnheiten, Urlaubsziele und emotionalen Defizite weiß als unsere Mütter, steht erneut vor Gericht. Diesmal nicht wegen Datenschutz, Desinformation oder Weltbeherrschungsfantasien – nein, diesmal geht’s um etwas ganz anderes: Preisvergleiche.

Die schwedische Firma Klarna, die man bislang eher als hippen Zahlungsdienst kannte („Kauf jetzt, denk später!“), hat mit ihrem Preisvergleichsportal Pricerunner den ganz großen Wurf gewagt: Eine Klage über sieben Milliarden Euro gegen Google – wegen unlauteren Wettbewerbs.

Das ist in etwa so, als würde ein kleiner schwedischer Elch den Mount Everest verklagen, weil er ihm die Sonne nimmt.

Shopping im Schatten des Algorithmus

Der Vorwurf ist altbekannt, fast schon Klassiker der digitalen Antike: Google soll eigene Dienste bevorzugen, insbesondere den hauseigenen Preisvergleich Google Shopping. Heißt: Wenn du „Staubsauger“ googelst, bekommst du zuerst Google-Empfehlungen – und erst danach, irgendwo zwischen Platz 27 und dem digitalen Nirwana, tauchen die anderen Anbieter auf.

Oder wie es Klarna sinngemäß formuliert:

„Google hat den Algorithmus so manipuliert, dass man unsere Seite nur findet, wenn man zufällig beim Scrollen einschläft.“

Google sieht das natürlich anders. Der Konzern bestreitet alles, behauptet, man habe die Vorgaben der EU längst umgesetzt und verweist auf „faire Suchergebnisse“. Das klingt ein bisschen wie ein Casino-Betreiber, der behauptet, der Jackpot sei völlig zufällig – während er gerade das Kleingeld aus den Taschen der Spieler zählt.

Ein Déjà-vu in Milliardenhöhe

Es ist nicht das erste Mal, dass Google sich erklären muss. 2017 hatte die EU-Kommission den Konzern bereits zu einer Rekordstrafe von 2,4 Milliarden Euro verdonnert – ebenfalls wegen Google Shopping. Damals versprach man in Brüssel feierlich: „Das wird Google eine Lehre sein!“

Tja, offenbar nicht. Denn wie sich zeigt, hat Google die EU-Strafe vermutlich einfach in den „Marketingkosten“-Ordner geschoben – direkt neben „Lobbyarbeit“ und „Gratis-Cloud für Kommissare“.

Klarna – die Ritter der geregelten Preise

Nun also Klarna. Das Unternehmen, bekannt für seinen schicken „Zahl-in-14-Tagen“-Charme, hat das Preisvergleichsportal Pricerunner 2022 übernommen und sofort beschlossen, Gerechtigkeit zu suchen – oder zumindest Schlagzeilen. Denn sieben Milliarden Euro sind kein Pappenstiel. Das ist mehr als das Bruttoinlandsprodukt einiger kleiner Inselstaaten – oder etwa der Gegenwert von 1,2 Millionen iPhones inklusive AppleCare.

Man kann sich die Szene im Klarna-Hauptquartier lebhaft vorstellen: Ein Meetingraum, die Luft riecht nach Filterkaffee und Euphorie, und der CEO ruft:

„Wir verklagen Google! Wenn’s klappt, können wir uns den Planeten leisten, auf dem unsere Server stehen!“

Googles Verteidigung – oder die Kunst des gepflegten Algorithmus-Gesprächs

Google hingegen bleibt gelassen. Das Unternehmen bestreitet, irgendwem geschadet zu haben. Schließlich, so das Argument, könne jeder über die Suchmaschine gefunden werden – „wenn er nur gute Inhalte und starke SEO hat“.

Ein klassischer Satz aus dem Silicon-Valley-Wörterbuch für Arroganz.

Das erinnert an einen Türsteher, der sagt:

„Jeder darf rein – außer denen, die ich nicht mag. Und die meisten mag ich nicht.“

Der Konzern beruft sich außerdem darauf, dass Pricerunner „kein messbarer Schaden“ entstanden sei. Das ist natürlich schwer zu beweisen – schließlich sind Klicks, Sichtbarkeit und Marktanteile für Google das, was Sauerstoff für den Rest der Menschheit ist: allgegenwärtig, aber exklusiv kontrolliert.

Das schwedische Gericht als digitale Weltbühne

Der Prozess hat heute in Stockholm begonnen – und schon jetzt ist klar: Es geht nicht nur ums Geld, sondern ums Prinzip. Um die Frage: Darf ein Konzern, der 90 Prozent der globalen Suchanfragen kontrolliert, auch noch die Ergebnisse zu seinen Gunsten sortieren?

Oder, in einfacher Sprache: Soll Google entscheiden dürfen, was wir sehen – oder wollen wir lieber wieder selbst dumm bleiben?

Das Gericht steht damit vor einer gewaltigen Aufgabe. Denn wie beurteilt man eine Suchmaschine juristisch, die in der Lage ist, das Urteil schon vor der Urteilsverkündung auf Seite 1 zu platzieren?

Europa gegen den digitalen Koloss

Man könnte sagen: Das ist ein Kampf zwischen europäischem Rechtsverständnis und amerikanischer Datenlogik. Europa sagt: „Wettbewerb muss fair sein!“ Google sagt: „Fairness? Oh, das ist dieses Open-Source-Tool, das keiner nutzt.“

Während Klarna auf moralische Integrität pocht, kalkuliert Google vermutlich schon die Strafe mit ein – als „Investition in nachhaltige Marktführerschaft“.

Der Algorithmus hat immer recht

Ob Klarna gewinnt oder nicht, ist fast zweitrangig. Denn die eigentliche Tragödie ist längst offensichtlich: Wir leben in einer Welt, in der man selbst für Gerechtigkeit erst einmal bei Google nachsehen muss – und dann auf Seite 6 fündig wird.

Sollte Klarna tatsächlich Erfolg haben, wird das Urteil wohl heißen: „Google, bitte fairer ranken.“ Worauf Google freundlich antworten wird: „Diese Anfrage konnte nicht gefunden werden.“