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Friedensplan oder Fallstrick? Wie Trumps 28-Punkte-Papier mehr Moskau als Washington klingt
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In der geopolitischen Großbäckerei, in der täglich neue politische Halbwarheiten in Umlauf gebracht werden, versucht das Weiße Haus nun mit Nachdruck klarzustellen, dass die USA natürlich nicht einseitig Moskaus Positionen übernehmen. Die Sprecherin des Präsidenten, Karoline Leavitt, machte das in gewohnt strengem „Wir–haben–alles–unter-Kontrolle“-Ton deutlich. Dass diese Versicherung ungefähr so überzeugend wirkt wie ein Feuerwehrmann, der sagt, das kleine Flämmchen neben ihm sei lediglich dekoratives Licht – darüber lässt sich streiten.
Die Kritik stammt nicht etwa aus einem überraschenden demokratischen Hinterhalt, sondern aus den eigenen Reihen der Republikaner. Und wenn die schon anfangen, Trump „Russlandnähe“ zu unterstellen, ist das in der politischen Skala ungefähr dort einzuordnen, wo ein Veganer beginnt, den Tofu zu hinterfragen: ein Zeichen, dass etwas ernsthaft brennt.
Auslöser ist der jüngste 28-Punkte-Plan der US-Regierung, der an die Ukraine herangetragen wurde und dessen Kernbestandteile klingen, als wären sie in einer besonders kreativen Nacht im Kreml konzipiert worden. Neben territorialen Abtretungen ganzer Regionen – darunter solche, die Russland nicht einmal erobert hat – fordert das Papier außerdem eine Obergrenze für die ukrainischen Streitkräfte und den etwaigen Verzicht auf eine NATO-Mitgliedschaft. Kurz: Der Plan liest sich wie eine Wunschliste, die Putin vor der Bescherung zu Boden fallen ließ, und bei der das Weiße Haus sagte: „Ach, nett, das heften wir mal an unser offizielles Briefpapier!“
Die Regierung bestehen allerdings darauf, dass die USA „beide Seiten gleichermaßen“ betrachten würden. Ein Satz, der so kühn formuliert ist, dass man kurz innehält. Die Ukraine – ein Staat, der seit Jahren unter einem Angriffskrieg leidet. Und Russland – ein Staat, der diesen Krieg begonnen hat. Beide Seiten „gleich betrachten“ wäre etwa so, wie wenn ein Richter sagen würde: „Der Bankräuber und die Bank haben beide Fehler gemacht…“
Doch Trump – laut Sprecherin Leavitt „frustriert“ vom Fortgang des Krieges – möchte, dass die Sache nun endlich ein Ende findet. Er habe die amerikanische Finanzierung des Krieges eingestellt, die USA lieferten aber weiterhin Waffen. Womit der Präsident implizit sagt: „Wir zahlen nicht mehr für den Krieg, aber wir verkaufen weiterhin Zubehör.“ Eine Art Geopolitik-Outletstore.
In Genf wurde also erneut verhandelt. Kiew und die europäischen Verbündeten berichten – höflich, diplomatisch, zurückhaltend – von Fortschritten. Fortschritten, die man zwischen den Zeilen ungefähr so interpretieren kann: „Wir haben es geschafft, die schlimmsten Passagen des Plans aus der Hölle abzuschwächen, aber der Rest riecht immer noch stark nach Moskau.“
Der ukrainische Präsident Selenskyj erklärte, der Plan sei „reduziert“ worden und man habe nun „viel Arbeit“ vor sich. Jede diplomatische Übersetzungssoftware der Welt erkennt darin die politische Variante von: „Wir haben das Schlimmste verhindert, aber was bleibt, ist immer noch ein absoluter Albtraum.“
Er wolle mit Trump direkt sprechen – vermutlich in der Hoffnung, dass der Präsident nicht wieder während der Besprechung impulsiv neue Punkte hinzufügt wie: „Punkt 29: Kiew liefert jedes Jahr 5000 Tonnen Weizen als Dankeschön.“ oder „Punkt 30: Selenskyj muss das Time-Magazine überzeugen, mich wieder auf das Cover zu setzen.“
Die westlichen Unterstützerstaaten dagegen rätseln weiter: Ist dieser Plan ein ernsthafter diplomatischer Versuch – oder eine geopolitische Fata Morgana, bei der man aus der Ferne Wasser sieht, aber in Wahrheit nur russischen Sand trinkt?
Denn eines ist klar: Friedenspläne, die aussehen, riechen und schmecken wie ein Friedensplan, sind nicht automatisch welche. Eine Giftpflanze bleibt eine Giftpflanze – selbst wenn man sie „Blume der Deeskalation“ nennt.
Der 28-Punkte-Plan enthält nämlich all die richtigen Vokabeln: „Sicherheitsgarantien“, „Wiederaufbau“, „Nichtangriffsabkommen“. Das klingt vernünftig. Das klingt nach Diplomatie. Das klingt nach „Wir wollen Frieden“. Doch sobald man genauer liest, merkt man: Einige Punkte sind so schädlich, dass man sie eigentlich nur in Schutzkleidung anfassen sollte.
Kaum verwunderlich also, dass die Ukraine die Vorschläge in ihrer ursprünglichen Form kategorisch ablehnt. Selbst diejenigen europäischen Staaten, die bisher stets bemüht waren, diplomatische Eleganz zu wahren, ringen sich zu vorsichtig formuliertem Entsetzen durch.
Die große Frage bleibt: Ist das ein Friedensplan – oder ein politisches Placebo?
Die Tatsache, dass der Plan seit einer Woche landauf, landab diskutiert wird, macht ihn nicht automatisch gut. In der internationalen Politik gilt: Nur weil etwas aufwendig ist, muss es nicht sinnvoll sein. Ein IKEA-Schrank ist aufwendig, aber wenn am Ende zwei Bretter übrig bleiben, sollte man skeptisch werden.
Ein Friedensplan, der Kiew einseitig zum Verzicht zwingt und gleichzeitig den Aggressor belohnt, ist eher ein „Krieg-auf-Pause-Plan“. Man drückt auf Stopp, aber nicht auf Zurückspulen.
Das Weiße Haus betont, dass man „nur noch bei wenigen Punkten weit auseinander“ liege. Eine Formulierung, die sich ähnlich beruhigend anhört wie: „Ihr Flug hat nur eine kleine Verzögerung von 15 Stunden.“
Fest steht: Der 28-Punkte-Plan ist kein neutrales Papier. Er ist weder ausgewogen noch fair – sondern ein gefährlicher Versuch, den Krieg abzukürzen, indem man der Ukraine den Stift wegnimmt und Russland das letzte Wort überlässt.
Ein Plan, der exakt so toxisch ist, wie Friedenspläne eben sind, wenn sie in Wahrheit Verluste legitimieren.