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Befehl verweigert? Wie ein Video die US-Politik in einen militärischen Ausnahmezustand stürzt

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Befehl verweigert? Wie ein Video die US-Politik in einen militärischen Ausnahmezustand stürzt

In Washington hat man sich längst daran gewöhnt, dass politische Diskussionen sich gelegentlich wie ein schlecht choreografierter Actionfilm anfühlen. Doch nun tritt eine Szene auf die Bühne, die selbst für die USA bemerkenswert absurd ist: Ein Video von sechs demokratischen Abgeordneten, allesamt mit militärischem oder geheimdienstlichem Hintergrund, in dem sie US-Soldaten auffordern, „illegale Befehle zu verweigern“. Ein Satz, der in einem demokratischen Rechtsstaat eigentlich so selbstverständlich sein sollte wie das Atmen – und trotzdem eine politische Explosion ausgelöst hat, die lauter dröhnt als ein F-35-Jetstart bei Seitenwind.

Einer der Beteiligten, der demokratische Senator und ehemalige Navy-Offizier Mark Kelly, sieht sich nun plötzlich im Visier des US-Verteidigungsministeriums – einer Behörde, die sich seit kurzem zwar „Kriegsministerium“ nennt, aber dennoch gerne so tut, als hätte sie alles im Griff. Kelly soll überprüft werden, ob er aufgrund seines „Fehlverhaltens“ in den aktiven Dienst zurückbeordert werden könne, um sich vor einem Militärgericht zu verantworten. Ein Vorgang, der in der Tradition amerikanischer Politik ungefähr dort einzuordnen ist, wo man normalerweise Reality-TV vermutet, nicht Militärrecht.

Doch der Auslöser des Dramas ist erstaunlich banal: Das Video fordert Soldaten dazu auf, Anordnungen, die gegen Recht oder Verfassung verstoßen, nicht zu befolgen. Fachterminus: Pflicht. Politischer Terminus aktuell: Aufstand, Verrat, staatsfeindliche Umtriebe. Jedenfalls, wenn man Donald Trump fragt.

Der Präsident reagierte erwartungsgemäß ohne Verzögerung und ohne rhetorische Sicherheitsgurte: Auf Truth Social bezeichnete er die Gruppe als „aufständische Verräter“ und fügte später hinzu: „AUFSTÄNDISCHES VERHALTEN, mit dem TODE bestrafbar!“ Es war der Moment, in dem der demokratische Minderheitsführer Chuck Schumer darauf hinwies, dass der Präsident der Vereinigten Staaten gerade faktisch zur Hinrichtung von gewählten Volksvertretern aufruft – eine Bemerkung, die in jedem anderen Land vermutlich zu einem diplomatischen Erdrutsch geführt hätte, in den USA aber lediglich zu hochgezogener medialer Augenbraue.

Trump versuchte anschließend, seine Aussage zu „relativieren“ – eine Disziplin, die bei ihm ähnlich elegant abläuft wie ein Presslufthammer in einer Porzellanabteilung. Er habe nicht wirklich mit dem Tod gedroht, so Trump. Aber „früher bedeutete das den Tod“. Ein Satz, der sich anhört, als hätte ein Geschichtslehrer sein altes Unterrichtsmaterial mit einem Mafia-Film verwechselt.

Aus Trumps Sicht haben die Parlamentarier das Gesetz gebrochen, indem sie Soldaten dazu „ermutigt“ hätten, illegale Befehle zu verweigern. Ein Argument, das nur dann Sinn ergibt, wenn man davon ausgeht, dass jeder Befehl eines Präsidenten automatisch legal ist – eine Sichtweise, die in der amerikanischen Verfassung glücklicherweise nicht vorgesehen ist, aber in Teilen des Weißen Hauses offenbar immer beliebter wird.

Währenddessen verteidigt die demokratische Senatorin Elissa Slotkin das Video. Sie berichtet von jungen Offizieren, die sich unsicher seien, ob sie Befehle ausführen sollen – insbesondere Nationalgardisten und Einheiten in Lateinamerika. Auf die Frage, ob Trump bislang illegale Befehle erteilt habe, antwortet Slotkin diplomatisch: „Mir sind keine illegalen Dinge bekannt, aber es gibt gewisse juristische Winkelzüge im Zusammenhang mit den Angriffen in der Karibik und allem, was mit Venezuela zu tun hat.“ Juristische Winkelzüge – ein Begriff, der vermutlich in den kommenden Jahren ganze Regalreihen politischer Literatur füllen wird.

Pentagon-Chef Pete Hegseth bezeichnete das Video als „verabscheuungswürdig, rücksichtslos und falsch“. Man müsse sich klarmachen: Fünf der sechs Beteiligten fallen gar nicht unter das Militärrecht. In denen kann das Pentagon maximal missbilligend schauen. Kelly jedoch – ehemaliger Navy-Offizier, Kampfpilot, Veteran des Irakkriegs – unterliegt weiterhin den Regeln des Militärrechts. Man könnte sagen: Ein Mann, der einst Bomben präzise abwarf, steht nun selbst im Fadenkreuz eines Ministeriums, das politisch aufgeladen ist wie ein Starkstromkabel bei Gewitter.

Doch hinter all dem Lärm bleibt die eigentliche Kernfrage bestehen: Darf ein Abgeordneter öffentlich daran erinnern, dass Soldaten geltendes Recht beachten müssen – auch gegenüber einem präsidialen Befehl? Die Antwort sollte selbstverständlich sein. Doch in Zeiten, in denen ein Video mit dem Hinweis „Befehle müssen legal sein“ als Aufstand gewertet wird, scheint die US-Politik sich immer tiefer in ein Paralleluniversum zu bohren, in dem Logik optional und Loyalität Pflicht ist.

Der Vorgang zeigt vor allem eines: Der politische Diskurs in den Vereinigten Staaten ist inzwischen so vergiftet, dass selbst grundlegende Rechtsprinzipien zum politischen Sprengstoff werden. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass die Frage nicht mehr ist, was gesagt wird – sondern wer es sagt und ob es dem aktuellen Machtzentrum genehm ist.