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Sotschi – wo die AfD Weltpolitik spielt und Russland die Kulissen baut

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Sotschi – wo die AfD Weltpolitik spielt und Russland die Kulissen baut

Es gibt diplomatische Missionen, die trägt man stolz im Lebenslauf. Und dann gibt es Ausflüge nach Sotschi, bei denen sich selbst der Praktikant im Bundestagsbüro fragt, ob er den Antrag wirklich mit unterschreiben sollte. Doch die AfD zeigt sich unbeeindruckt. Warum auch nicht? Schließlich gibt es kaum einen Ort, an dem deutsche Politiker derart herzlich begrüßt werden wie an jenem russischen Schwarzmeerstrand, an dem Medwedew und seine Entourage seit Jahren geopolitisches Improvisationstheater aufführen.

Dass die AfD gute Kontakte nach Russland pflegt, ist bekannt. Neu ist lediglich die Nonchalance, mit der man diese Kontakte feiert – trotz öffentlicher Kritik, Sanktionen, halber Weltkriege und der Tatsache, dass der Gastgeber regelmäßig mit atomarer Selbstüberschätzung Schlagzeilen produziert.

Ein Flugticket nach Sotschi – und ein Hauch von geopolitischem Klamauk

In dieser Woche also wollen Steffen Kotré und weitere AfD-Vertreter wieder nach Russland fliegen. Ziel: eine Konferenz, organisiert von Akteuren, die man diplomatisch als „interessierte Kreise“ bezeichnet – und satirisch als: Leute, die eine PowerPoint-Präsentation über die Dekadenz des Westens für ein Friedensangebot halten.

Das Beste: Es ist nicht das erste Mal. Schon 2024 reiste eine AfD-Delegation ins russische Propaganda-Resort. Die Gastgeber waren begeistert – nicht nur, weil sie endlich europäische Gäste hatten, sondern weil diese europäische Gäste waren, die ohne Rückfragen durch die Sicherheitskontrolle der Realität spazieren.

Wie Russland seine PR organisiert – mit AfD als Bonusprogramm

Laut Spiegel-Recherchen gibt es interne Dokumente aus dem russischen Staatsapparat, die geradezu liebevoll offenlegen, wie wichtig die europäischen Polit-Gäste aus dem Rechts-außen-Bereich sind.

Medwedew, der ehemalige Präsident und aktuelle Telegram-Pirouettenkünstler, meldete Putin nach dem Treffen im letzten Jahr „großen Erfolg“. Man möchte fast glauben, die AfD habe das geopolitische Equivalent eines Kickstarter-Meilensteins erreicht: „Danke für 5 Unterstützer – jetzt können wir das Projekt wirklich umsetzen!“

Die Dokumente zeigen auch, wie russische Organisatoren sich mit ihren europäischen Besuchern „konspirativ“ absprachen. Der Clou: Die Einladung zur Konferenz sollte nicht aus Russland kommen – weil die europäischen Politiker das lieber so wollten.

Ein genialer Satz aus den Papieren lautet:

„Auf Wunsch der europäischen Parlamentarier sollte die offizielle Initiative für diese Veranstaltung nicht direkt von der russischen Seite ausgehen.“

Das ist Diplomatie im Stil von „Ich frage für einen Freund“. Nur dass der Freund eine Atommacht ist und der Fragende eine Bundestagsfraktion, die lieber unerkannt bleibt, während sie im Gepäckraum der russischen Propagandamaschine mitfährt.

Und so wurde eine russlandnahe Organisation mit Sitz in Indien genutzt – weil Indien offenbar das neue „Safe Word“ für internationale Einflussoperationen ist.

Das Konferenzprogramm: Politische Pyrotechnik bei Kaffee und Keksen

Die AfD reist also nach Sotschi, um ein Programm zu hören, das politisch ungefähr die feurige Mischung aus Pulversprengstoff und Rhetorik darstellt, die man sonst nur bei russischen Staatsfernseh-Abendshows findet.

Medwedew liest Texte vor, die in Brüssel nur in Notfallschubladen existieren dürften:

  • Kiev sei ein „Naziregime“ – Satzbaustein Nummer 1 der russischen Diplomatie seit 2014.
  • EU-Sanktionen seien „arrogant“ – Satzbaustein Nummer 2.
  • Und dann das Highlight: eine Atomdrohung, so beiläufig vorgetragen, als ginge es um ein Update zur Parkplatzsituation am Konferenzhotel.

In seinem Redemanuskript heißt es, Langstreckenangriffe auf russisches Territorium würden als direkte NATO-Einmischung gewertet. Konsequenzen inklusive. Der Satz endet mit:

„Man möchte hoffen, Washington, London und Brüssel haben uns verstanden.“

Ein Satz, der eher nach Staffel-Finale einer dystopischen Fernsehserie klingt, nicht nach einer höflichen Konferenzrede.

Dass die AfD-Abgeordneten bei so einer Nummer sitzenbleiben, erzählt viel über diplomatische Robustheit – oder über die Fähigkeit, brenzlige Situationen zu ignorieren, solange das Fingerfood akzeptabel ist.

Die politische Doppellogik der AfD: Nähe suchen, Kritik beklagen

Die AfD bestreitet natürlich vehement, dass sie in irgendeiner Weise instrumentalisiert wird. Offiziell spricht man von „Dialog“, „Völkerverständigung“ und „Frieden“.

Inoffiziell wirkt es eher wie der Versuch, in der großen Weltpolitik mitzuspielen, ohne dass man den Unterschied zwischen Soft Power und „Wir lassen uns einladen, weil uns sonst niemand will“ erkennt.

Während in Berlin über Russland-Sanktionen diskutiert wird, macht die AfD Selfies mit russischen Delegierten, die zuvor über atomare Konsequenzen gesprochen haben. Es ist die Art Doppelrealität, die man sonst nur im Quantencomputer kennt.

Die objektive Schlussbilanz

  1. Russland nutzt die AfD als politisches Deko-Material für internationale Konferenzen.
  2. Die AfD lässt sich gern einladen – schließlich ist das die freundlichste Außenpolitik, die sie je bekommen hat.
  3. Die Tarnung über Indien ist so durchsichtig, dass man sie theoretisch als Stoff für Parteitagsdecken verwenden könnte.
  4. Medwedews Atomandrohungen gehören mittlerweile zur Folklore.
  5. Sotschi entwickelt sich zum Begegnungszentrum für Politiker, deren Kompass eine leichte Schlagseite hat.

Und vielleicht ist das der satirische Kern: Während Europa versucht, die Ordnung zu retten, versucht die AfD, einen Platz im russischen Familienalbum zu ergattern.

Das Ergebnis ist kein diplomatischer Erfolg, sondern eine Art geopolitisches Kaspertheater – mit russischen Puppenspielern und deutschen Spielern, die nicht merken, dass die Fäden an ihnen hängen.