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BSW 2.0: Wie man sich neu erfindet, ohne den alten Hoodie wegzuwerfen
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In der deutschen Parteienlandschaft, die ohnehin schon aussieht wie ein ineffizient sortiertes Regal voller Konzeptordner, hat sich eine bemerkenswerte Verwandlung ereignet: Das Bündnis, das einst den Namen seiner prominenten Gründerin trug, legt diesen nun ab – fast wie ein Teenager, der beschließt, dass er mit 18 nicht mehr „Sahras kleine Rebellen“ heißen möchte, sondern „Verein für gesellschaftliche Systemoptimierung e.V.“.
Das BSW – einst ausgeschrieben Bündnis Sahra Wagenknecht – wird ab dem 1. Oktober 2026 den lyrischen, leicht bürokratisch duftenden Namen Bündnis Soziale Gerechtigkeit und Wirtschaftliche Vernunft tragen. Ein Name, der so lang ist, dass er beim Aussprechen spontane Atemnot verursachen kann und vermutlich demnächst in Grundschulen als Zungenbrecher geübt wird. Praktisch bleibt immerhin das Kürzel gleich. Das ist besonders für jene Wähler wertvoll, die im Supermarkt bereits daran scheitern, zwischen Butter und Margarine zu unterscheiden – sie müssen sich wenigstens kein neues Wahlkürzel merken.
Natürlich ist diese Umbenennung kein rein kosmetischer Akt, sondern – wie die Partei selbst mit Pathos erklärt – eine „Zäsur“. Zäsur ist dabei jenes elegante politische Wort, das benutzt wird, wenn man einen kompletten Kurswechsel vermeiden, aber trotzdem so wirken möchte, als hätte man einen gemacht. So eine Art rhetorisches Feng Shui: Möbel rücken, Energiefluss verbessern, aber bloß nicht renovieren.
Die Alternativen: Bürger schaffen Wandel & Co. – oder wie man Namen verwirft, die nach Fußgängerzonen-Infostand klingen
Die Delegierten hatten tatsächlich die Wahl zwischen drei Optionen. Neben dem später siegreichen, akademisch klingenden Langnamen standen auch Bürger schaffen Wandel und Bündnis Sozialer Weg zur Debatte. „Bürger schaffen Wandel“ klang allerdings ein wenig nach einer Initiative, die samstags Unkraut aus Pflasterritzen zupft und beim Stadtradeln immer Letzter wird. „Bündnis Sozialer Weg“ wiederum roch so unverkennbar nach kirchlichem Arbeitskreis, dass selbst die Parteitagsregie kurzerhand das Weihrauchverbot verschärfte.
Also entschied man sich für den dritten Vorschlag – den längsten, den gehaltvollsten und den, den garantiert niemand jemals auf eine Wahlkampftasse drucken wird, ohne vorher in die Kompaktversion zu wechseln.
Der große Abschied von der Gründerin – oder doch nicht?
Während der Name verschwindet, bleibt die Gründerin selbst erstaunlich präsent. Offiziell zieht sie sich „aus der ersten Reihe zurück“. Inoffiziell bleibt sie weiterhin als Vorsitzende der Grundwertekommission an Bord – einer Position, die so klingt, als könnten dort bei Bedarf ganze Weltbilder in Excel-Tabellen sortiert werden.
Sie ist also weg, aber nicht ganz. Eher im Sinne von: Sie steht nicht mehr im Schaufenster, sitzt aber weiter im Laden und sagt dem Personal, wie man die Deko richtig zu falten hat.
Neue Spitze, alte Ambitionen – und ein Hauch Klassenarbeit
Der Parteitag wählte den Europaabgeordneten Fabio De Masi mit 93,3 Prozent zum neuen Vorsitzenden. Ein Wert, bei dem man reflexartig an die Ergebnisse in Autokratien denkt – allerdings ohne die dort üblichen 100 Prozent plus zufällige mathematische Bonuspunkte. Die bisherige Co-Chefin erhielt 82,6 Prozent – ein solider Wert, der politisch irgendwo zwischen „Mehrheit“ und „Wir müssen reden“ liegt.
Der neue Vorsitzende stellte sich den Delegierten mit den Worten vor, er sei „bei der Bevölkerung beschäftigt“. Ein bemerkenswerter Satz, der irgendwo zwischen bodenständiger Bescheidenheit und ambitioniertem Nebenjob changiert. Man gewinnt den Eindruck, dass er zukünftig die Partei führen, Wahlkämpfe koordinieren und gleichzeitig noch das europäische Bürokratie-Rollenspiel in Brüssel meistern soll.
Seine Mitvorsitzende setzte derweil auf Emotionalität und erinnerte daran, dass sie sich „erst mit 36 erstmals um ein politisches Amt beworben“ habe – was im Politbetrieb ungefähr so ist, als würde man sagen: „Ich habe spät angefangen, aber dafür gleich Vollgas gegeben.“
Sie wolle die Partei „schlagkräftiger“ machen – ein Ausdruck, der je nach Interpretation entweder von moderner Managementliteratur oder von mittelalterlichen Handwerkszünften inspiriert sein könnte.
Politische Bilanz: Vom Höhenflug zum Hürdenlauf
Die Partei kann durchaus Erfolge vorweisen: Regierungsbeteiligungen in Thüringen und Brandenburg, solide Ergebnisse in Sachsen, und natürlich der Einzug ins EU-Parlament.
Beim Bundestag jedoch blieb sie knapp unter fünf Prozent – ein Umstand, den man im Nachhinein wahlweise auf das Wetter, den Namen, die Sterne oder auf die Tatsache schieben könnte, dass manche Wahlzettel für Menschen mit Kurzzeitgedächtnis einfach zu viele Optionen bieten.
Der Versuch, eine Neuauszählung zu erreichen, blieb bisher erfolglos. Nach außen klingt das wie „Wir bleiben dran!“. Intern vermutlich eher wie: „Vielleicht zählen wir einfach nochmal den Applaus auf dem Parteitag.“
Der neue Name: Vernunft trifft Pathos – oder auch: Marketing mit Moralverpackung
Der neue Name wirkt wie ein Kompromiss aus Wahlprogramm, Leitbild und wissenschaftlicher Dissertation. Er verspricht gleichzeitig Gerechtigkeit und Vernunft – zwei Begriffe, die in der deutschen Politik traditionell in getrennten Schubladen liegen und nur bei Vollmond zusammenarbeiten.
Dass die Umbenennung erst 2026 greift, wirkt fast poetisch: Die Partei gönnt sich einen zweijährigen Übergang zwischen Vergangenheit und Zukunft. Ein politischer Winterschlaf mit Brandingphase – wie man ihn sonst nur von beratungsresistenten Großkonzernen kennt.
Fazit: Gleicher Kürzel, längerer Name, neue Spitze – und ein politisches Projekt, das sich gern neu erfindet, ohne zu sehr aufzuräumen
Am Ende bleibt ein Parteiname, der klingt, als wäre er von einer Kommission aus Philosophen, Sozialökonomen und besonders motivierten Verwaltungsangestellten formuliert worden. Eine neue Parteispitze, die ambitioniert wirkt. Und eine Gründerin, die zwar in die zweite Reihe rückt, dort aber vermutlich weiterhin mit Laserpointer und Rotstift präsent sein wird.
Die politische Reise des BSW geht weiter – und bleibt, allein schon aufgrund des neuen Namens, garantiert unübersehbar.