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Politik

„Mit Mehrheit, aber ohne Schmuddelkinder“ – Söders neuer politischer Eiertanz

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„Mit Mehrheit, aber ohne Schmuddelkinder“ – Söders neuer politischer Eiertanz

In einer Republik, in der politische Linien manchmal so klar gezogen sind wie die Kritzeleien eines übermüdeten Grundschülers, sorgt nun CSU-Chef Markus Söder wieder für eine jener Klarstellungen, die gleichzeitig eindeutig, schwammig und erstaunlich gymnastisch sind. In der ARD-Sendung „Caren Miosga“ teilte er mit, dass eine Abhängigkeit der Union von der AfD selbstverständlich ausgeschlossen sei. Ein Satz, der so selbstverständlich klingt, dass man sich unweigerlich fragt, warum er überhaupt ausgesprochen werden musste.

Natürlich, so Söder, könne es vorkommen, dass die AfD „Vorschläge der Union mitträgt“. Das sei rein parlamentarisch, zufällig, fast schon naturgegeben – wie Pollenflug im Frühling oder die unvermeidbare Diskussion über die Bierpreise auf Volksfesten. Aber entscheidend, so betonte er, sei: Man brauche eine eigene Mehrheit. Eine Zusammenarbeit, so der bayerische Ministerpräsident, sei ausgeschlossen. Und man werde natürlich auch keinen Antrag der AfD unterstützen.

Es ist dieser Moment, in dem man erkennt, dass die Sprache der deutschen Politik eine faszinierende Fähigkeit besitzt: Sie kann „Nein“ sagen, dabei aber ein kleines „Vielleicht, wenn’s keiner sieht“ elegant hinter dem Rücken verstecken.

Die Sache mit den Schmuddelkindern

Besonders farbenfroh wurde Söder, als er davon sprach, dass „die Schmuddelkinder von der AfD“ keine heimlichen Mehrheiten beschaffen sollten. Ein Ausdruck, der Erinnerungen an Pausenhofzeiten weckt, in denen die „Schmuddelkinder“ eher diejenigen waren, die heimlich Kaugummi unter den Tisch klebten – nicht jedoch jene, die parlamentarische Arithmetik maßgeblich beeinflussen könnten.

Die Botschaft ist klar: Unionspolitik sei wie ein gepflegter weißer Teppich – und AfD-Stimmen seien die Schuhe, mit denen man bitte nicht darüber laufen solle. Zumindest nicht, wenn jemand zuschaut.

Ein Blick zurück: Die Migrationsentschließung und das große „Ups?“

Doch dann kam der heikle Teil. Die Migrationsentschließung während des Bundestagswahlkampfs 2025, die damals mit Stimmen der AfD durchging. Heute, mit dem Abstand einiger politischer Monate, wirkt sie auf Söder wie der klassische Moment, in dem man nach einer Party sagt: „Ja gut… vielleicht war es doch ein Fehler, die Karaoke-Maschine am Ende noch zu benutzen.“

Damals sei es eine Entscheidung des Kanzlerkandidaten gewesen. Und wer Wahlkämpfe kennt, weiß: Ein Kanzlerkandidat hat immer recht. Zumindest bis der Wahlkampf vorbei ist – dann war er gelegentlich doch nicht ganz so unfehlbar, wie es währenddessen klang.

Es war – so Söder – eine „Leitentscheidung“. Ein Begriff, der im politischen Lexikon ungefähr so viel bedeutet wie „Wir haben’s durchgezogen, aber bitte fragt jetzt nicht zu detailliert warum.“

Das zähnefletschende Erwachen

Besonders eindrücklich schilderte Söder dann die Szene danach: Der AfD-Parlamentsgeschäftsführer habe, so seine Worte, „zähnefletschend, geifernd“ im Bundestag davon gesprochen, dass nun eine neue Zeit angebrochen sei.

Man möchte sich diese Szene kurz wie ein kleines Polit-Theater vorstellen: Ein Mann, der wirkte, als hätte er soeben die Bundestagsordnung mit bloßen Händen zerknüllt, während einige Unionsabgeordnete im Hintergrund vermutlich dachten: „Oh weh. Das wird uns jetzt länger nachhängen als die letzte Bierzeltsaison.“

Spätestens in diesem Moment, so Söder, sei klar gewesen, dass man der AfD eine Chance gegeben habe, die man gar nicht geben wollte. Eine Einsicht, die ungefähr so überraschend wirkt wie die Erkenntnis, dass man nach dem Verzehr von fünf Energy-Drinks schlechter schläft.

Die Kunst der politischen Distanzierung

Was bleibt, ist die bekannte Formel der deutschen Mitte-Rechts-Parteien: Auf keinen Fall mit der AfD zusammenarbeiten – außer, wenn es passiert, aber dann war es ein Unfall, ein Betriebsfehler, ein Ausrutscher der Demokratie in Socken auf glattem Parkett.

Söder bemühte sich spürbar, diese Linie erneut einzuzeichnen, dieses Mal mit extra dicker Markierung: Die Union sei unabhängig. Die Mehrheit müsse immer aus den eigenen Reihen kommen. Alles andere wäre nicht akzeptabel, nicht moralisch vertretbar, und nicht „staatstragend“, wie man es in Bayern vermutlich nennen würde.

Doch wer länger Politik beobachtet, weiß: Die Realität hält sich selten an Pressemitteilungen. Mehrheit ist Mehrheit, egal wer sie formell mitträgt. Auch wenn man sich danach demonstrativ die Hände wäscht, desinfiziert und sicherheitshalber noch politisches Parfüm darüber sprüht.

Der Balanceakt geht weiter

Am Ende bleibt der Eindruck, dass Söder versucht, ein sehr kompliziertes Gleichgewicht zu halten: – Distanz zur AfD, ohne gleichzeitig Koalitionen unmöglich zu machen, – klare Grenzen, die trotzdem flexibel bleiben müssen, – und eine moralische Haltung, die stark genug wirkt, um die Öffentlichkeit zu beruhigen, aber elastisch genug, um den parlamentarischen Alltag zu überstehen.

Es ist ein Tanz auf dem politischen Drahtseil – nur dass das Drahtseil inzwischen über einer Manege gespannt ist, in der mehrere Parteien mit Fackeln und gelangweilten Tigern im Kreis laufen.