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Maut mich nicht an!

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Maut mich nicht an!

Wie Andreas Scheuer die teuerste Gedächtnislücke der Republik erfand – und dabei fast Kanzler geworden wäre (zumindest in seinem Kopf)

Berlin, Amtsgericht am Rande des kollektiven Fremdschämens. Wenn es in der deutschen Politik einen Menschen gibt, der mit dem Wort „Verantwortung“ so vertraut ist wie ein Fisch mit dem Mountainbike, dann heißt er Andreas Scheuer. Der Mann, der es schaffte, mit einem einzigen Projekt – der „Pkw-Maut“ – eine ganze Nation daran zu erinnern, dass Inkompetenz nicht nur weh, sondern auch richtig teuer tun kann. 243 Millionen Euro teuer. Und das, ohne je eine einzige Maut eingenommen zu haben!

Jetzt droht dem ehemaligen Bundesverkehrsminister die Quittung – und zwar nicht die vom Rastplatz, sondern vom Berliner Landgericht. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage erhoben. Wegen Erinnerungsschwäche im Deluxe-Format.

ScheuerGate – Die Maut der Amnesie

Der Vorwurf: Uneidliche Falschaussage. Übersetzt: „Ich kann mich an nichts erinnern, Euer Ehren.“ – der neue Klassiker unter CSU-Ministerbiografien. Es geht um ein Frühstückstreffen mit den Mautbetreibern Kapsch und Eventim im November 2018. Angeblich boten die höflich an, mit dem Vertragsabschluss auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu warten. Angeblich sagte Scheuer: „Nö, wir machen das jetzt. Sonst wird das nix bis zur Wahl, und was ist schon ein Gericht im Vergleich zu einem CSU-Wahlversprechen?“

Blöd nur, dass er sich genau daran nicht erinnern kann. Aber zum Glück hat Andreas Scheuer Erfahrung im professionellen Vergessen. Schließlich war er fünf Jahre lang Verkehrsminister. Da muss man viel ausblenden, sonst wird man wahnsinnig.

Der Untersuchungsausschuss: Bühne frei für das große Nichts

Der U-Ausschuss, liebevoll auch „Das große Vergessen“ genannt, wurde zum Theaterstück in mehreren Akten. Andreas Scheuer trat auf wie ein bayerischer Hamlet auf Valium. Statt „Sein oder nicht sein?“ lautete sein Motto: „Ich weiß es nicht. Ich erinnere mich nicht. Ich war es nicht.“

Staatssekretär Schulz – Scheuers Sidekick mit ähnlich selektivem Erinnerungsvermögen – stützte diese Darstellung liebevoll. Man sprach von „Kennenlerngesprächen“ und „allgemeinem Austausch“, als ob sich bei Croissants und Orangensaft versehentlich 243 Millionen Euro in einen Vertrag verirrt hätten.

Die Betreiber? Die sagten was ganz anderes. Angeblich war das Gespräch glasklar. Angeblich sagte Scheuer sogar so etwas wie: „Wenn die Maut erst 2021 kommt, sind wir tot. Tot! TOT!“ (O-Ton: Politisch, versteht sich.)

Die Rechnung bitte – aber nicht für mich

Und was bleibt? Eine Maut, die nie kam. Ein Schadenersatz, der ganz real gezahlt wurde. Und ein Minister, der mittlerweile eine Beratungsfirma führt. Für wen? Man weiß es nicht. Vielleicht berät er Leute, wie man 243 Millionen versenkt und trotzdem mit erhobenem Kopf aus dem Bundestag marschiert. Das ist eine Marktlücke. Oder sagen wir: eine Gedächtnislücke mit Geschäftsidee.

Die CSU im Sturmmodus: Schuld sind wie immer die anderen

Alexander Hoffmann, CSU-Landesgruppenchef, spricht von politischer Motivation. Natürlich. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Wahrscheinlich wurde das Frühstück von Linksextremen organisiert. Oder von Karl Lauterbach persönlich manipuliert. Oder vom Wetter. Man kennt das.

Die Grünen hingegen feiern innerlich ein kleines Freudenfest. Endlich hat jemand aus der Union nicht nur den Rückspiegel verloren, sondern auch das Navigationsgerät, den Fahrzeugschein und die Erinnerung an die letzte Ausfahrt zur Glaubwürdigkeit.

Was droht bei einer Verurteilung?

Laut Gesetz: Drei Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe. Laut CSU: Drei Monate Öffentlichkeitsarbeit mit Franz Josef Strauß-Zitaten. Laut Andreas Scheuer: „Ich kann mich an keine Strafe erinnern.“

Und wenn es zum Prozess kommt, dann ist das nicht irgendein Prozess – sondern „U-Ausschuss – die Rückkehr“. Zeugen, Schauspieler, Mautzombies, das volle Programm. Es wird gelacht, geweint, und vielleicht fragt jemand: „Herr Scheuer, erinnern Sie sich, wer Sie heute früh geweckt hat?“ – „Nein, aber das Frühstück war okay.“

Vom Mautminister zum Memoirenvergesser

Andreas Scheuer hat der deutschen Politik eine wertvolle Lektion erteilt: Man muss nicht kompetent sein, um Millionen zu bewegen. Es reicht, sich nicht mehr zu erinnern, was man bewegt hat.

Ob er schuldig ist? Das entscheiden die Richter. Ob er sich erinnern wird? Vielleicht – wenn man ihn lang genug frühstücken lässt. Ob wir was gelernt haben? Ja: Der nächste Verkehrsminister bekommt bitte ein Tagebuch.

Bewertung: 🛑 Projektlogik: 0/10 💶 Schaden: 243 Millionen/243 Millionen 🤯 Erinnerungsvermögen: gelöscht 👔 Beratungsfähigkeiten: unbezahlbar (im wahrsten Sinne) 🎬 Filmidee: „Mautlos durch Deutschland – Die Andreas-Scheuer-Story“

Vorschlag für einen Klappentext für Andreas Scheuers (vermutlich nie erscheinende) Autobiografie: „Erinnerungslücken und andere Erfolgsgeschichten – Mein Leben zwischen Vertrag und Vergessen“.