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"Pay or Okay": Datenschutz oder Deine Seele?
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Wenn Webseiten uns vor die Wahl stellen, und beide Optionen sind ein schlechter Witz
Wien, 2025. Die Alpen stöhnen, der Rechtsstaat schnauft – und mitten in der Datenschutzwüste steht ein Urteil des österreichischen Bundesverwaltungsgerichts, das klingt, als hätte ein besonders pedantischer Datenschutzjurist einen Nervenzusammenbruch gehabt – aber einen in Reimform.
Der Fall: Ein einziger Nutzer, bewaffnet mit der DSGVO und dem moralischen Rückgrat eines veganen Datenschützers, zieht in die Schlacht gegen ein Online-Medienimperium – namentlich Der Standard. Und warum?
Weil man dort offenbar meinte, die DSGVO sei ein interaktives Drama und der Cookie-Banner ein Erpressungsinstrument im Stil von: * "Zahl!" oder * "Wir sehen dir zu – bei allem."
Die Cookie-Aufforderung: „Willst du unsere Inhalte, gib uns deinen digitalen Erstgeborenen.“
Beim Besuch auf derstandard.at stand der Nutzer vor der Wahl:
- Option A: Bezahle ein Monatsabo in der Höhe von drei Doppelkeksen und einer halben Netflix-Episode.
- Option B: Stimme zu, dass dein gesamtes digitales Verhalten – inklusive Mausbewegungen, Atemfrequenz und vermutlich auch Geburtsdatum der Katze deiner Tante – ausgewertet, verkauft, zerkaut und für personalisierte Werbung verwendet wird.
So stand es sinngemäß im Cookie-Banner. Allerdings in 8-Punkt-Schrift, grau auf grauer Fläche – direkt unter dem farblich auffällig blinkenden „ZUSTIMMEN“-Button in Orban-Rot.
Der Datenschutzanwalt als moderner Don Quijote
Der Nutzer – offenbar ein masochistisch veranlagter Fan von 500-seitigen Urteilen – rief NOYB (None of Your Business) zu Hilfe. Eine Organisation, die im Grunde so etwas wie das A-Team der Einwilligungsformulare ist. Ihre Spezialität: Jeden Checkbox-Missbrauch aufzudecken und Cookie-Monster in Rente zu schicken.
Das Urteil: Granularität, Baby!
Das Gericht urteilte nun (in grob verständlichem DSGVO-Neusprech):
"Wer mehrere Verarbeitungszwecke miteinander vermischt wie Zutaten für einen schlechten Eintopf, bekommt keine gültige Einwilligung. Und schon gar keine rechtssichere."
Oder anders gesagt: Du darfst nicht auf „Ja zu allem“ klicken, wenn du gar nicht weißt, wozu du alles Ja sagst. Nicht einmal in Österreich. Und dort sagt man wirklich oft Ja – zur Neutralität, zur Gemütlichkeit, zum Kaiserschmarrn. Aber hier war Schluss mit lustig.
Der Verlag: „Wir sind doch die Guten! Pressefreiheit! Medienprivileg!“
Der Verlag konterte im Stil eines verzweifelten Operntenors:
„Aber wir machen doch Journalismus! Und wenn keiner uns freiwillig zahlt, dann müssen wir halt Daten auswringen wie nasse Schwämme – im Dienste der vierten Gewalt!“
Doch das Gericht blätterte in der DSGVO, sah den Begriff „Medienprivileg“ und antwortete trocken:
„Ja, aber nicht für euer Werbe-Geraffel, Freunde. Das Privileg endet dort, wo Meta anfängt. Oder wo euer Plugin aufhört, zu loggen, was ich gerade esse.“
Das bedeutet: Auch wenn Werbung eure einzige Einkommensquelle ist – sie darf nicht euer einziger Rechtsgrund sein.
Die Datenschutzbehörde: Mal so, mal so – Hauptsache Kaffee!
Besonders hübsch: Die österreichische Datenschutzbehörde hatte 2018 das Modell noch für okay erklärt – vermutlich nach dem dritten Almdudler beim Mittagessen – aber 2019 plötzlich doch nicht mehr.
Das Gericht kommentierte salomonisch:
„Eine Behörde darf sich irren. Sogar öfter. Aber wehe, sie hört auf, sich zu irren – dann wird’s verdächtig!“
Ein Lob auf den Verwaltungsirrtum als staatstragende Konstante.
Europäisches Finale in Sicht: DSGVO – The Final Chapter?
Falls Der Standard in Revision geht – was wahrscheinlicher ist als ein ehrlicher Cookie-Banner – dann landet der Fall womöglich vor dem Europäischen Gerichtshof. Dort entscheiden dann 27 Richter darüber, ob man für Datenschutz zahlen oder Werbung einfach überleben muss.
Ein Grundsatzurteil droht. Mit Auswirkungen auf:
- FAZ: Muss ihre „FAIR USE? – FAIR PAY!“-Strategie überdenken
- Springer: Muss eventuell doch wieder Journalismus machen
- Heise: Muss 72 Checkboxen auf einen halben Bildschirm quetschen
- Dein Lieblingsblog: Braucht einen neuen Cookie-Banner – diesmal mit Pantomime.
Wer zahlt, surft. Wer nicht zahlt, wird verkauft.
So sieht er aus, der digitale Gesellschaftsvertrag anno 2025:
- Entweder du bezahlst für Inhalte,
- oder du bezahlst mit dir selbst.
Und wie sagte einst ein großer österreichischer Philosoph (vermutlich beim Finanzamt):
„Nichts ist sicher. Außer, dass dein Klickverhalten jemandem gehört.“
Wenn Kafka heute noch leben würde, würde er sagen:
„Ich habe ein neues Buch geschrieben: Das Schloss. Kapitel 1: Paywall. Kapitel 2: Einwilligung. Kapitel 3: Logout.“
Und dann würde er auf „Alle Cookies ablehnen“ klicken – und zusehen, wie die Seite einfriert.
Ende. Oder auch: Fortsetzung folgt – im Cache deiner Werbe-ID.