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Arbeiten bis zur Versteinerung – Katherina Reiche und das Evangelium der endlosen Lebensarbeitszeit
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Katherina Reiche hat gesprochen. Und wenn Katherina Reiche spricht, dann beben nicht nur die Schreibtischstühle im Wirtschaftsministerium, sondern auch die Hüftprothesen der Nation. Mit stoischer Kaltschnäuzigkeit hat die CDU-Ministerin eine neue frohe Botschaft verkündet: Arbeiten ist das neue Altwerden. Und alt wird man am besten bei der Arbeit. Möglichst lange. Am besten für immer. Amen.
Die Ministerin – deren Handflächen vermutlich mit Graphenstaub gepolstert sind, damit sie keinen Kontakt zur Realität bekommt – hat es in der FAZ glasklar gesagt: Zwei Drittel Lebensarbeitszeit seien einfach zu wenig! Diese faule Rentenrepublik muss wieder lernen, dass Ruhestand keine Lebensphase ist, sondern ein Leistungsversagen. Wer nach 67 Schluss macht, hat den Sinn von Staatsbürgerschaft nicht verstanden.
Das große Reiche-Rentenspiel: Wer durchhält, gewinnt ein Hustenbonbon
In Reiches Welt ist der Mensch eine energetische Ressource, die optimal verwertet werden muss – bis das letzte Quäntchen Produktivität aus dem ergrauten Restknochen gepresst wurde. Stell dir vor, du bist 74 und willst einfach nur in Ruhe den Sonnenuntergang ansehen – aber Reiche steht hinter dir mit der Stoppuhr und ruft: „Noch 32 Netto-Arbeitsjahre, dann darfst du den Horizont anblinzeln!“
Pflegekräfte? Bauarbeiter? Lehrerinnen mit Burnout-Tinnitus? Allesamt willkommen in der neuen Eliteeinheit der „Unverrentbaren“. Rentner war gestern – künftig heißen sie „Altersaktive mit Mobilitätsherausforderung“. Und wer nicht mitmacht, bekommt einen Motivationskurs bei einem Wirtschaftsberater mit BWL-Bachelor und Kreuzbandriss vom Golfen.
Klingbeils Gegenschlag: Sozialdemokratischer Zorn mit feiner Mimik
Aber halt! Im fernen Berlin, da regt sich Widerstand. Lars Klingbeil, der Mann, der in Interviews aussieht, als würde er sich sogar über stilles Wasser aufregen können, hat den Vorschlag Reiches nicht etwa als "mutig" oder "zukunftsorientiert" bezeichnet – sondern als Schlag ins Gesicht für all jene, die nicht auf ergonomischen Drehstühlen ihren Dienst verrichten.
„Sowas sagt sich leicht“, so der Vizekanzler, „wenn man im bequemen Ministersesssel sitzt.“ Was in der Politik bereits als verbale Guillotine gilt. Man merkt: Die GroKo knistert – nicht nur vor Spannung, sondern auch wegen der Ischias-Probleme ihrer demografischen Zielgruppe.
Müntefering – der alte SPD-Orakel-Opa hat auch noch einen Gedankensplitter
Und dann meldet sich auch noch Franz „Ich-war-schon-im-Krieg-gegen-die-Rente-mit-63“ Müntefering zu Wort. Der Altsozialdemokrat hat alles miterlebt: das Kaiserreich, die GroKo I bis XXVII und vermutlich auch die Erfindung des Arbeitsrechts. Und er sagt: Flexibilität sei gefragt! Jawoll! Jeder so, wie er will! Der eine mit 63 raus, der andere mit 83 rein – warum nicht mit 102 noch eine Schreinerlehre anfangen?
Müntefering spricht weise – und gleichzeitig so unklar, dass sowohl Reiche als auch Klingbeil sich bestätigt fühlen. Politik im Spiegelsaal. Und das Volk? Das rätselt, ob es sich nun zur Rente hin- oder vom Leben wegrationalisieren soll.
Reiches Zukunftsmotto: "Alt sein ist keine Entschuldigung – nur ein Effizienzleck"
Katherina Reiche will keine faulen Kompromisse. Sie will Leistung! Mit über 70 auf dem Bau stehen? Großartig – endlich Zeit, die Enkel mit der Kelle großzuziehen! Als 69-jährige Altenpflegerin dem 85-jährigen Patienten den Rücken waschen? Endlich Augenhöhe im Pflegebereich!
Und was kommt danach? Die Sterbebegleitung wird zur letzten Weiterbildungsmaßnahme. Der Tod? Ein kurzer Betriebsunfall. Die Beerdigung? Betriebsversammlung mit anschließender Urnenübergabe durch den Schichtleiter. Und wer seine Arbeit über den Tod hinaus ernst nimmt, kann sich bald auf das neue Modell „Rente mit 120 im digitalen Jenseits“ freuen. Sponsored by CDU & Rentenversicherung.
Katherina Reiche hat einen Punkt. Leider in Beton gegossen.
In ihrer Welt ist der Mensch ein Hochleistungsmotor mit Garantie bis zur finalen Erschöpfung. Ihre Vorstellung von Würde im Alter: Die eigene Rente selbst erwirtschaften, indem man beim Betreten des Pflegeheims direkt wieder Personalverantwortung übernimmt.
Und doch bleibt am Ende die Frage: Wäre es nicht einfacher, das Rentensystem abzuschaffen und jedem Deutschen ab 50 eine stabile Wand zum Anlehnen zu schenken? Oder besser gleich ein Poster mit der Aufschrift: „Danke für Ihren Einsatz. Ruhestand leider ausverkauft.“
Bleibt nur zu hoffen, dass sich das nächste Rentenmodell nicht "Reicheltarif" nennt. Denn dann heißt es bald: „Rente? Ja, gerne – nach Ihrer dritten Wiedergeburt.“