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Deutschland schmeißt satt: Elf Millionen Tonnen Lebensmittel für die Mülltonne

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Deutschland schmeißt satt: Elf Millionen Tonnen Lebensmittel für die Mülltonne

Deutschland, die Heimat von Ingenieurskunst, Effizienz und DIN-genormter Bratwurst, hat es mal wieder geschafft: Elf Millionen Tonnen Lebensmittel landen jedes Jahr im Müll. Das ist, als würde man den Bodensee mit Milch füllen, ihn vergären lassen – und anschließend streng nach Vorschrift entsorgen, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum auf dem Karton „gestern“ abgelaufen ist. Willkommen in der Republik, in der Logik abläuft wie Joghurt im Kühlregal.

Supermärkte: Die Helden der Wegwerf-Ökonomie

Besonders kreativ in Sachen Abfall sind die Supermärkte. Für sie gilt die goldene Faustregel: Wegwerfen ist billiger als Spenden. Spenden bedeutet Aufwand – sortieren, dokumentieren, Kühlung sicherstellen, Transport organisieren, Haftung übernehmen. Alles anstrengend. Alles teuer. Da schüttelt die Buchhaltung nur den Kopf und sagt: „Bitte ab in die Tonne, das kostet weniger.“

So kommt es, dass ein perfekt genießbarer Apfel mit leichter Druckstelle wie ein kriminelles Beweisstück behandelt wird. Währenddessen sitzen Bedürftige draußen und schauen auf Müllcontainer, die praller gefüllt sind als mancher Kühlschrank in Wohngemeinschaften.

SPD entdeckt die Banane im Container

Nun hat die SPD ihre Chance erkannt und schlägt vor: Wegwerfen soll nicht länger günstiger sein als Spenden. Ein revolutionärer Gedanke, der in anderen Ländern längst Praxis ist. In Deutschland dagegen wirkt er wie eine kühne Utopie – fast so verrückt, als würde man vorschlagen, dass Bahnfahrpläne eingehalten werden.

Agrarpolitiker Esra Limbacher fordert außerdem, das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) für Konserven, Nudeln und Reis abzuschaffen. Und ganz ehrlich: Wer schon einmal eine Dose Ravioli gegessen hat, weiß, dass die Apokalypse kommt und geht – die Ravioli aber bleibt.

Containern: Ein Verbrechen mit Karotte in der Hand

Das deutsche Strafrecht hat es bisher geschafft, aus dem Retten von Lebensmitteln eine Straftat zu machen. Wer nachts in Supermarktcontainern nach Nahrung sucht, macht sich strafbar. Die Botschaft ist eindeutig: Lieber Lebensmittel verrotten lassen, als dass ein Bedürftiger satt wird.

Es ist, als würde man jemanden bestrafen, der ein brennendes Haus verlässt – während der Eigentümer dafür ausgezeichnet wird, die Feuerwehr gebeten zu haben, die Flammen „ordnungsgemäß“ niederzubrennen.

Politische Doppelmoral: Sicherheit für wen?

Während in Talkshows über Versorgungssicherheit, steigende Preise und globale Hungerkrisen debattiert wird, schaufeln wir tonnenweise Essen auf den Müll. Jeder dritte Kartoffelchip überlebt die Selektion nicht, weil er nicht der Idealform entspricht. Jeder zweite Apfel wird entsorgt, weil er aussieht wie ein Gesicht mit Pickeln.

Und der Staat schaut zu – achselzuckend, aber mit sauber sortierten Statistiken. Die deutsche Gründlichkeit hört eben beim Essen nicht auf, sondern beginnt erst beim Müll.

Bürokratie frisst Moral

Das Kernproblem liegt in der Bürokratie. Spenden erfordern Papiere, Prüfungen, Kühlketten und Versicherungen. Wegwerfen? Eine simple Rechnung: Müllentsorgungskosten minus Haftungsrisiko = Gewinn. Die Moral bleibt da auf der Strecke – vermutlich in derselben Tonne, in der gestern noch das Brot lag, das heute niemand mehr anfassen darf.

Mindesthaltbarkeit der Vernunft überschritten

Deutschland hat die paradoxe Fähigkeit entwickelt, Lebensmittelvernichtung zur Routine zu machen und gleichzeitig „Aktionswochen“ wie „Zu gut für die Tonne“ zu veranstalten. Ein Name, der in der Realität klingt wie Satire aus dem Innenministerium: „Zu gut für den Teller, aber perfekt für den Container.“

Die Vorschläge der SPD sind vernünftig – doch wie bei vielen guten Ideen in Deutschland gilt: Sie verfallen meist schneller als das MHD auf einem Joghurt.

Vielleicht sollte man das Mindesthaltbarkeitsdatum auch auf politische Entscheidungen drucken. Dann wüssten wir wenigstens, wann Ideen endgültig sauer geworden sind – und könnten sie rechtzeitig in den Papierkorb werfen, statt sie erst zwei Jahre lang schimmeln zu lassen.