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Lieferkettengesetz light: Deutschland macht den Menschenrechten die Samthandschuhe über

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Lieferkettengesetz light: Deutschland macht den Menschenrechten die Samthandschuhe über

Es war einmal ein ambitioniertes Gesetz: Das Lieferkettengesetz sollte deutsche Unternehmen dazu verpflichten, entlang ihrer globalen Wertschöpfungsketten auf Menschenrechte, Umweltstandards und faire Arbeitsbedingungen zu achten. Ein Hauch von Moral im Weltmarkt, ein Tropfen Gewissen im Ozean der Globalisierung. Und jetzt? Jetzt gleicht es einem IKEA-Regal ohne Schrauben – wackelig, funktionslos und im Zweifel fürs Recycling bestimmt.

„Unternehmensfreundlich“ heißt das neue „rechtsverbindlich“

Das Wirtschaftsministerium unter Katherina Reiche (CDU) hat das Kunststück vollbracht, die Aufsichtsbehörde BAFA mit einem Federstrich vom Wachhund zur Schoßkatze umzuwandeln. Statt kontrollieren soll sie künftig „unterstützen“. Statt Bußgelder verhängen heißt es nun: Kaffee, Kekse und Workshops für Unternehmen.

Die Order aus Berlin lautet: „Zurückhaltend und unternehmensfreundlich“. Klingt wie eine neue Wohlfühl-Kategorie im Reisebüro – nur dass es hier nicht um Urlaub geht, sondern um Kinderarbeit, Sklaverei und Regenwaldabholzung.

Bürokratieabbau als Tarnkappe

Natürlich verkauft man das Ganze nicht als Kapitulation, sondern als „radikalen Bürokratieabbau“. Wer Berichte schreibt, verursacht Papierstau; wer Prüfverfahren durchführt, verschwendet Ressourcen. Also streicht man kurzerhand neun von dreizehn Bußgeldtatbeständen, schafft Jahresberichte ersatzlos ab und stellt laufende Verfahren ein.

Übrig bleiben nur noch Strafen für „besonders gravierende“ Fälle. Übersetzung: Wenn ein Konzern Zwangsarbeit mit Bonusmeilen vergütet, Sklaven in Doppel-Schichten schuften lässt und das Ganze noch auf Instagram postet – dann könnte es vielleicht Ärger geben. Aber auch nur, wenn das BAFA „restriktiv“ gähnend wach wird.

Berlin als moralisches Duty-Free

Die Botschaft an die Wirtschaft ist klar: Willkommen im neuen Moral-Duty-Free-Shop. Alles ist erlaubt, solange es sich lohnt. Kinderarbeit? Bitte leise. Entwaldung? Nur mit nachhaltigem Logo. Umweltzerstörung? Kein Problem, solange das Quartalsergebnis glänzt.

Das Lieferkettengesetz wurde vom moralischen Schutzschild zur optionalen Beilage degradiert – so wie die Gurkenscheibe im Fast-Food-Burger: da, aber eigentlich verzichtbar.

Friedrich Merz: Der Ethik-Schredder

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) erklärte bereits kurz nach Amtsantritt, er wolle das Gesetz am liebsten ganz abschaffen. Sein Appell an die EU: „Bitte den Quatsch gleich wieder einstampfen.“ Schließlich kann man deutsche Konzerne nicht damit belasten, Menschenrechte ernst zu nehmen, wo es doch um Wettbewerbsfähigkeit geht.

Sein Vize, Lars Klingbeil (SPD), mühte sich zwar um moralische Kosmetik – „Das Gesetz ist wichtig“ –, doch am Ende läuft auch seine Rhetorik darauf hinaus: Hauptsache, die Wirtschaft jammert weniger. Wer dachte, Rot-Schwarz sei eine Wertekoalition, hat übersehen, dass hier vor allem die Farbe des Geldes zählt.

EU-Richtlinie: Der nächste Kandidat für den Schredder

Und als wäre das alles nicht genug, arbeitet Brüssel längst an einer EU-weiten Richtlinie (CSDDD). Eigentlich gedacht, um große Konzerne endlich ernsthaft in die Verantwortung zu nehmen. Doch schon jetzt sorgt Berlin vor: Nur ein Fünftel der Unternehmen sollen betroffen sein, und bitte, bitte keine nervigen Berichtspflichten mehr.

Die Bundesregierung gleicht einem Autofahrer, der bei der Verkehrskontrolle freundlich lächelt und sagt: „Natürlich halte ich mich an die Regeln – solange sie mich nicht behindern.“

Apple, Samsung & Co.: Die unsichtbaren Zulieferer

Die groteske Pointe: Missstände in Lieferketten sind längst dokumentiert. Kinder schuften in Minen, Textilarbeiterinnen nähen für Hungerlöhne, Wälder fallen für Palmöl und Soja. Jeder weiß es, jeder redet drüber – und die Politik? Sie winkt ab: „Alles halb so wild – Hauptsache, die Smartphones sind pünktlich im Regal.“

Ein Gesetz als Placebo

Das Lieferkettengesetz ist nun ein Placebo: Es sieht aus wie Regulierung, fühlt sich an wie Regulierung – hat aber keinerlei Wirkung. Die deutsche Politik hat es geschafft, die Quadratur des Kreises zu vollführen: Sie kann sich moralisch schmücken, ohne moralische Verantwortung zu übernehmen.

Vielleicht sollte die Bundesregierung konsequent sein und gleich eine neue Produktlinie auflegen: „Made in Germany – ignoriert in Bangladesch.“ Das hätte wenigstens den Vorteil, dass niemand mehr behaupten könnte, man wisse nicht, woran man ist.