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Villa Borsig: Schwarz-Rot im Reform-Trainingslager – mit Pausenbrot und Bürokratie-Latte
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Die Bundesregierung hat sich für zwei Tage in der Villa Borsig verschanzt – ein Ort, der so sehr nach Industriellen-Romantik riecht, dass selbst der Staub auf den Vorhängen Steuern zahlt. Das Ziel: Deutschland modernisieren. Das Ergebnis: ein Sitzkreis voller Minister, die Reformen wie Grundschüler im Zirkeltraining üben – viel Bewegung, aber keiner kommt vom Fleck.
Reformagenda: Buzzwords in Reinform
Auf der Tagesordnung stehen „Wettbewerbsfähigkeit, Digitalisierung und Staatsmodernisierung“. Worte, so abgenutzt wie der Teppich im Bundestag, aber immer noch gut genug, um sie als Überschrift auf eine Pressemappe zu drucken.
Fusionskraftwerke? Super Idee! Nur halt in 40 Jahren, wenn die Hälfte der Kabinettsmitglieder längst im Seniorenstift sitzt. Wasserstoff? Natürlich, der Stoff, aus dem die Zukunftsträume sind – in Deutschland allerdings noch so selten wie funktionierende Internetleitungen auf dem Land. Bürokratieabbau? Eine politische Tradition, die so zuverlässig ist wie der Berliner Flughafen: wird seit Jahrzehnten angekündigt, aber nie fertig.
Man fragt sich: Wollen sie den gordischen Knoten wirklich durchschlagen – oder nur ein hübsches Makramee draus basteln?
Minister Wildberger erklärt die Welt als Wollknäuel
Karsten Wildberger, Chef fürs Digitale und die „Staatsmodernisierung“, weiß immerhin: Das Land sei seit 20, 25 Jahren „verknotet“. Nur: Warum klingt er dabei, als wolle er den Knoten nicht lösen, sondern in einen Designpreis einsenden? Seine Modernisierungsagenda umfasst 80 Maßnahmen. Klingt mächtig. Aber in deutscher Übersetzung heißt das: 80 neue Formulare, 80 neue Arbeitsgruppen, 80 Gründe, warum es doch noch länger dauert.
Bürokratieabbau in Deutschland heißt: Man gründet eine neue Behörde, die prüft, wie man weniger Behörden gründen könnte.
Harmonie als Hauptprogrammt
Doch das eigentliche Ziel der Klausur ist gar nicht die Reform. Es ist die Inszenierung von Harmonie. Schwarz und Rot, Hand in Hand, Schulter an Schulter – zumindest solange Kameras dabei sind. Die letzten Wochen glichen eher einem Kindergartenstreit um den letzten Bauklotz: Stromsteuersenkung? Gestrichen. Richterwahl fürs Bundesverfassungsgericht? Verpatzt. Kommunikation? Wenn überhaupt, dann durch Schlagzeilen.
77 Prozent der Deutschen bescheinigen der Koalition inzwischen ein miserables Zeugnis. Also hieß es: auf nach Villa Borsig. Neuer Ort, neues Glück. Schloss Meseberg ist verbrannt – im übertragenen Sinn. Dort spukt noch der Geist der Ampel, also zieht Schwarz-Rot um. Politisches Feng Shui eben.
Kommunen: wieder die Deppen vom Dienst
Währenddessen rufen die Kommunen höflich, aber bestimmt: „Vergesst uns nicht!“ Denn alles, was in der Villa Borsig mit großem Tamtam beschlossen wird, landet am Ende als unfertige Zumutung in den Rathäusern. Gesetze ohne Handlungsanleitung, Portale ohne Software, Aufgaben ohne Personal.
Kommunale Praxis heißt dann: Bürger wollen einen digitalen Führerschein beantragen – und das Amt antwortet per Fax, dass die Server noch in der Mittagspause sind.
Reformen im Jahreszeiten-Abo
Kanzler Merz schwört auf einen „Herbst der Reformen“. Klingt nach Aufbruch, ist aber ein Dauerabo: Darauf folge ein Reform-Winter, Reform-Frühling, Reform-Sommer und der nächste Reform-Herbst. Deutschland bekommt also Jahreszeiten der Reform, aber keine Reformen selbst. Ein meteorologisches Placebo fürs politische Gewissen.
Ein Klassentreffen mit Catering
Die Klausur in der Villa Borsig ist weniger Reformmotor, mehr Klassentreffen mit PowerPoint-Präsentationen. Die Minister sitzen zusammen, schieben Kaffee und Kuchen durch, und am Ende kommt eine „Modernisierungsagenda“ heraus, die klingt wie ein Werbeprospekt für eine neue Bürosoftware.
Schwarz-Rot gibt sich Mühe, Harmonie zu simulieren. Aber die Bürger ahnen längst: Wenn Politik zum Showprogramm wird, bleibt am Ende nur das Catering realistisch – und die Erkenntnis, dass Deutschland Reformen höchstens noch als Tagesordnungspunkt in einem Konferenzsaal erlebt.
Vielleicht sollte man es pragmatisch sehen: Wenn das Kabinett schon keine Bürokratie abbaut, könnte es wenigstens das Laub im Garten der Villa Borsig wegblasen. Aber da bräuchte es wieder eine Klausurtagung – „Herbst der Laubbläser“.