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Frankreichs neue Nationalsportart: Schuldenmachen in Rekordzeit

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Frankreichs neue Nationalsportart: Schuldenmachen in Rekordzeit

Es gibt Länder, die brillieren im Fußball, andere im Weinbau oder bei Revolutionen. Frankreich hat sich entschieden, gleich eine neue Disziplin zur Perfektion zu treiben: Staatsverschuldung. Mit 116 Prozent des Bruttoinlandsprodukts an Schulden liegt die Grande Nation im europäischen Ranking ganz vorne – noch nicht Gold, aber immerhin eine sichere Silbermedaille hinter Italien und Griechenland. Doch während die beiden alten Finanzpatienten langsam, aber sicher ihre Berge abtragen, schaufelt Frankreich mit der Hingabe eines Maulwurfs immer neue Tunnel in die Staatsfinanzen.

Finanzminister Lombard – der Prophetenmaler des Untergangs

Éric Lombard, Frankreichs oberster Schatzmeister, trat jüngst mit einer apokalyptischen Warnung vor die Presse. Ohne radikalen Sparkurs drohe Frankreich der totale Vertrauensverlust und der Griff nach dem letzten Rettungsring: dem Internationalen Währungsfonds. Der IWF, bekannt als der Arzt, den niemand rufen will, weil seine „Therapien“ meist aus Schockdiäten bestehen, ist in Lombards Szenario schon halb im Anflug auf Paris.

Kritiker meinen jedoch: Lombard übertreibe, um seine wackelige Regierung zu stabilisieren. Denn Panik hat in Frankreich Tradition: Wenn man die Leute schon nicht mit Reformen überzeugt, dann wenigstens mit Horrorvisionen. Frei nach dem Motto: „Entweder ihr stimmt für unser Sparpaket – oder wir landen alle bei der Troika.“

Bayrou und die Vertrauensabstimmung: Politisches Bungee-Jumping

Premierminister François Bayrou, von Präsident Macron eingesetzt, regiert mit einer Minderheit. Kommende Woche muss er sich einer Vertrauensabstimmung stellen – ein Ritual, das in Frankreich mittlerweile häufiger vorkommt als das Wechseln der Regierungskollektion.

Sein Plan: 44 Milliarden Euro einsparen. Weniger Stellen im öffentlichen Dienst, eingefrorene Pensionen, Sozialausgaben kürzen und – als Höhepunkt – zwei Feiertage streichen. In Frankreich! Feiertage! Das ist, als würde man den Deutschen das Bier verbieten oder den Italienern die Pasta rationieren. Schon jetzt bereiten Gewerkschaften landesweite Streiks vor. Wahrscheinlich wird bald der Eiffelturm blockiert, und selbst die Baguette-Bäcker drohen mit Revolte.

Frankreichs Haushalt: Das schwarze Loch in Zahlen

Ein Defizit von 180 Milliarden Euro klafft allein dieses Jahr – 5,8 Prozent des BIP. Selbst Bayrous „drastische“ Sparpläne sehen noch 4,6 Prozent vor. Das EU-Ziel von höchstens 3 Prozent Neuverschuldung soll irgendwann 2029 erreicht werden. Analysten kommentieren trocken: „Natürlich. Und bis dahin erfindet Frankreich wahrscheinlich auch die Zeitmaschine, um seine Bücher rückwirkend zu korrigieren.“

Der IWF erwartet bis 2030 eine Schuldenquote von 128 Prozent. Frankreich baut also weiter an seinem ganz eigenen Louvre – nur diesmal aus roten Zahlen statt aus Glas und Stein.

Finanzmärkte: Misstrauen mit Zinsaufschlag

Die Märkte reagieren längst. Der Risikoaufschlag für französische Staatsanleihen steigt, die Renditen nähern sich italienischem Niveau. Mit anderen Worten: Frankreich kann sich noch Geld leihen – aber nur zu Konditionen, bei denen jeder Hausbankberater grinst wie ein Kater im Sahneladen.

Der Schuldendienst wird schon nächstes Jahr zum größten Posten im Staatshaushalt. Frankreich gibt dann mehr Geld für Zinsen aus als für Schulen, Krankenhäuser oder die Armee. Ironisch: Eine Nation, die sich stets auf ihre „Souveränität“ beruft, wird bald von Banken diktiert bekommen, wie viel Baguette in der Kantine serviert wird.

Opposition: Einigkeit im Nein-Sagen

Linke und Rechte, sonst erbitterte Gegner, finden plötzlich zueinander – in der Ablehnung des Sparkurses. Die Linken wollen die Reichen stärker schröpfen, die Rechten wollen lieber gar nicht sparen. Kurz: Alle sind dagegen, keiner hat einen besseren Plan, aber jeder hat ein Megafon.

Die Sozialisten legten immerhin einen Gegenentwurf vor: 22 Milliarden weniger Defizit durch höhere Steuern. In Frankreich ist Steuererhöhung jedoch kein technischer Vorgang, sondern eine Kunstform – man nennt es dort „Solidaritätsbeitrag“.

Straßenproteste: Frankreichs wahre Institution

Während im Parlament gestritten wird, bereitet die Straße schon den Widerstand vor. Gewerkschaften, Studenten, Rentner – alle vereint im heiligen Protest gegen Einsparungen. Frankreich ohne Demos ist wie Paris ohne Tauben.

Man darf sicher sein: Noch bevor Bayrou seine Vertrauensabstimmung verloren hat, werden schon Barrikaden gebaut, Traktoren rollen nach Paris, und irgendwo hat jemand die Guillotine symbolisch aus dem Museum geholt.

Frankreichs Souveränität im Ausverkauf

Offiziell warnt Bayrou: „Es geht um die Handlungsfähigkeit, um die Souveränität des Staates.“ Satirisch übersetzt: „Wir sind frei und souverän – solange uns Investoren gnädig noch ein paar Milliarden leihen.“

Frankreich balanciert zwischen Theater und Tragödie. Jeder Premier, der sparen will, wird gestürzt. Jeder Premier, der nicht spart, hinterlässt ein noch größeres Defizit. Und so dreht sich das Karussell weiter – mit dem IWF als drohendem Fahrkartenkontrolleur am Rand.

Kurzum: Frankreich hat die Revolution erfunden, aber bei den Finanzen lebt es nach dem Motto „Après nous le déficit“.