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Jimmy Kimmel wieder auf Sendung: Wenn Moral im Sonderangebot landet

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Jimmy Kimmel wieder auf Sendung: Wenn Moral im Sonderangebot landet

Die USA haben viele schöne Traditionen: Thanksgiving, Superbowl und das alljährliche Wahlkampfdrama. Neu hinzugekommen ist offenbar der Schnäppchen-Boykott, exklusiv im Mediengeschäft. Sinclair und Nexstar, zwei Schwergewichte im amerikanischen TV-Markt, hatten „Jimmy Kimmel Live!“ kurzerhand aus ihrem Programm genommen. Nicht, weil die Einschaltquoten schlecht waren, sondern weil Kimmel angeblich die Grenze des guten Geschmacks überschritt – eine Grenze, die im US-Fernsehen irgendwo zwischen „Reality-TV mit nackten Millionären“ und „Fox News zur Primetime“ verläuft.

Doch siehe da: Nur wenige Wochen später ist Kimmel zurück. Ganz Amerika darf wieder live erleben, wie der Late-Night-Moderator Politiker, Milliardäre und die Menschheit im Allgemeinen verspottet. Und warum? Weil die Werbekunden mit erhobenem Zeigefinger drohten: „Entweder ihr strahlt unsere Spots aus – oder ihr zahlt.“ Offenbar ist das einzige wirklich heilige Prinzip der amerikanischen Medien nicht die Meinungsfreiheit, sondern die Werbefreiheit.

Sinclair: „Wir waren nie beeinflusst“ – und andere Märchen

Die Sinclair-Gruppe, berüchtigt für ihre konservative Schlagseite, erklärte steif: „Unsere Entscheidung war nicht von staatlichen Stellen beeinflusst.“ Klar, und die Marlboro-Werbung wurde nur wegen des Gesundheitsbewusstseins geschaltet. Wer das glaubt, glaubt auch, dass Fernsehsender ausschließlich wegen moralischer Bedenken ihre Quotenbringer boykottieren.

Tatsächlich war Sinclair wohl eher darum bemüht, den politischen Oberlehrern bei der FCC ein Zeichen zu senden: „Seht her, wir sind brav. Wir kappen Kimmel, bevor er noch mehr Witze über MAGA-Heilige macht.“ Dass diese Bravheit in Werbegeld kostet, hatte man offenbar in der Eile übersehen.

Nexstar: Redaktionelle Verantwortung oder Kassensturz?

Nexstar, mit 28 Städten im ABC-Geschäft, fabulierte von „redaktioneller Verantwortung“. Klingt nach seriösem Journalismus, riecht aber nach Panikmanagement. Redaktionelle Verantwortung hieße ja eigentlich: Man entscheidet nach journalistischen Kriterien. In Wahrheit war es wohl eher der Versuch, den eigenen Fusionsplänen bei der FCC keinen Kratzer zu verpassen.

Und während die Belegschaft ein internes Memo erhielt – „Verhalten im Fernsehen kann Grenzen überschreiten“ –, lachte vermutlich die Werbeabteilung im Hintergrund: „Die einzige Grenze, die wir sehen, ist das Minus auf dem Konto.“

Disney und ABC: Die Zuschauerpause zum Durchatmen

Auch der Disney-Konzern selbst zog für eine Woche den Stecker, wohl in der Hoffnung, dass sich das ganze Drama von selbst erledigt. Es war eine Art mediale Auszeit, wie man sie sonst nur pubertierenden Teenagern verordnet: „Geh mal eine Woche in dein Zimmer und überleg, was du gesagt hast.“

Doch Disney weiß natürlich, dass ein Late-Night-Slot ohne Jimmy Kimmel in etwa so spannend ist wie eine Tupperparty ohne Schüsseln. Also war schnell klar: Die Rückkehr ist unvermeidlich – spätestens, wenn die ersten Werbekunden mit juristischen Drohungen wedeln.

Die Wirtschaftlichkeit des Witzes

Denn die Realität ist simpel: Nexstar und Sinclair kaufen das Mantelprogramm von ABC ein – inklusive Werbung. Und diese Werbung ist nicht nur Zierde, sondern bares Geld. Wer sie nicht ausstrahlt, muss Vertragsstrafen zahlen.

Mit anderen Worten: Kimmel wurde nicht wegen Meinungsfreiheit zurückgeholt, sondern weil irgendeine Softdrink-Marke keine Lust hatte, dass ihre Spots plötzlich im Nirvana verschwinden. Moralische Bedenken hielten ganze zwei Wochen – bis das Faxgerät aus der Rechtsabteilung summte.

FCC und die Kunst der indirekten Zensur

Im Hintergrund lauerte die FCC, deren Chef zuvor Kimmel und Disney wegen einer pikanten Bemerkung über die Ermordung eines MAGA-Influencers kritisiert hatte. Nexstar, in Kauflaune für eine andere Sendergruppe, wollte es sich mit der Behörde nicht verscherzen.

So ergab sich ein absurdes Schauspiel: Ein Komiker erzählt einen Witz, eine Behörde ist beleidigt, zwei Sendergruppen werfen ihr Programm über Bord – und merken dann, dass der eigentliche Souverän nicht in Washington sitzt, sondern in den Marketingabteilungen von Cola, Burgerketten und Autoherstellern.

Satire siegt, wenn der Dollar nickt

Die Rückkehr von „Jimmy Kimmel Live!“ zeigt, dass amerikanische Medienhäuser nicht von Idealen regiert werden, sondern vom Werbebudget. Boykott klingt gut, solange er nichts kostet. Aber wenn plötzlich Millionen auf dem Spiel stehen, kehrt man schneller zur Normalität zurück, als man „Late Night“ buchstabieren kann.

Die große Pointe: Kimmel musste nichts zurücknehmen, nichts entschuldigen, nichts verhandeln. Er durfte einfach weitermachen – weil er für die richtigen Leute Geld druckt. Nicht für die Zuschauer, nicht für die Politik, sondern für die Werbekunden.

Wenn das nächste Mal jemand in den USA von „Freiheit der Presse“ spricht, sollte er ehrlicherweise ergänzen: „Freiheit, solange die Werbekunden nicht kündigen.“ Oder, in Kimmels Worten: „Ich wurde nicht durch Moral, sondern durch McDonald’s zurück ins Programm gebracht.“