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Politik

Der Tiroler Turmbau zu Schulden – oder: Wie René Benko die Alpen mit heißer Luft bebaut hat

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Der Tiroler Turmbau zu Schulden – oder: Wie René Benko die Alpen mit heißer Luft bebaut hat

Ein Mann, ein Mythos, ein Mietvorschuss: René Benko – der Selfmade-Milliardär aus Tirol, der einst mit Immobilien jonglierte wie ein Kind mit Lego, steht nun vor dem Landgericht Innsbruck. Nur dass hier nicht mehr gebaut, sondern bilanziert wird – und zwar über die Trümmer seines einst glänzenden Imperiums Signa, das mittlerweile mehr Löcher hat als ein Emmentaler Käse nach der Steuerprüfung.

Der erste Prozesstag? Ein kurzer Auftritt mit langer Wirkung. Zwei Stunden Showtime, dann Abgang. Benko bekannte sich zu allem, was man hören wollte – nicht schuldig natürlich. Schließlich wäre es ja völlig unlogisch, wenn ein Mann, der Milliarden bewegte, plötzlich Geld hin- und herschiebt, ohne es zu meinen.

Er erschien in dunklem Anzug, weißem Hemd und roter Krawatte – vermutlich, um farblich an seine Kontoauszüge zu erinnern. Schlanker wirkte er, heißt es. Vielleicht, weil die Insolvenz auch Kalorien frisst.

Der Immobilien-Messias im Tal der Gläubiger

Einst galt Benko als österreichischer Elon Musk des Betons: Er kaufte, was glänzte, baute, was strahlte, und verschuldete sich mit Stil. Galeria Kaufhof, das KaDeWe, halbe Innenstädte – alles wurde Teil seines „Imperiums“. Er sprach von Visionen, Nachhaltigkeit und Synergien, während seine Bilanzen im Hintergrund leise wimmerten.

Jetzt steht der Tiroler Vorzeigeunternehmer vor Gericht – und wirkt, als wolle er sagen: „Ich habe keine Millionen beiseite geschafft, ich habe sie nur versehentlich verlegt.“

Laut Anklage hat Benko 360.000 Euro als „Mietvorschuss“ für vier Jahre gezahlt – kurz vor der Insolvenz. Vier Jahre im Voraus! Wer macht so etwas? Nur jemand, der weiß, dass er in vier Monaten sowieso nichts mehr bezahlen kann.

Dazu noch 300.000 Euro an seine Mutter. Die Anklage nennt es „Vermögensverschiebung“. Andere nennen es „emotionales Risikomanagement“. Vielleicht war’s ja ein verspäteter Muttertagsgruß – ein Strauß Geldscheine, ganz nachhaltig, ohne Plastikverpackung.

„Bis zur körperlichen Selbstaufgabe“ – das Drama eines Millionärs

Sein Anwalt, ein Meister der Dramaturgie, ließ den Gerichtssaal erzittern: Benko habe „bis zur körperlichen Selbstaufgabe“ um sein Lebenswerk gekämpft. Man kann sich das bildlich vorstellen: Wie er, schweißgebadet in seinem Designeranzug, zwischen den Ruinen seiner Luxusimmobilien steht, das KaDeWe auf der einen Schulter, den Kreditrahmen auf der anderen – und flüstert: „Ich geb’ nicht auf.“

Das Publikum klatscht, der Richter seufzt, die Gläubiger heulen. Denn das Wort „Selbstaufgabe“ klingt in diesem Zusammenhang ein bisschen wie „Selbstbereicherung mit tragischem Ausgang“.

Und der Mietvorschuss? Der sei „rückzahlbar“ gewesen, argumentiert die Verteidigung. Natürlich – wie jedes Startup, das sagt: „Gewinne? Nein, aber wir haben Potenzial.“

Der High-Society-Houdini

Benko, der Magier der Märkte, hat es geschafft, Milliarden zu bewegen – und sie anschließend spurlos verschwinden zu lassen. Nicht einmal David Copperfield hätte das eleganter hinbekommen. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt inzwischen in mehr als einem Dutzend Fällen. Gesamtschaden: rund 300 Millionen Euro. Das ist nicht einfach Wirtschaftskriminalität – das ist Hochleistungssport im Finanzwesen.

Und während Normalsterbliche darüber nachdenken, ob sie ihr Netflix-Abo kündigen, weil das Konto leer ist, schiebt Benko sechsstellige Summen zwischen Firmen, Familien und Fantasiekonten hin und her – wie andere Leute Kleingeld im Portemonnaie.

Der Fall KaDeWe – vom Glanz zur Insolvenz

Einst stand Benko in Berlin auf der Dachterrasse des KaDeWe, umringt von Sektgläsern und Journalisten, und verkündete: „Wir investieren in die Zukunft des Handels!“

Heute steht er im Gerichtssaal und schweigt. Die Zukunft hat sich offenbar anders entschieden. Denn während Benko von Visionen sprach, investierte die Realität in steigende Zinsen, explodierende Baukosten und das gute alte Gesetz der Schwerkraft – ökonomisch wie moralisch.

Das KaDeWe glänzt zwar noch, aber der Glanz kommt jetzt eher von den Tränen der Gläubiger, die draußen vor der Tür stehen.

Die Mutter aller Überweisungen

Die Überweisung an die Mutter – 300.000 Euro – ist der Stoff, aus dem Satiren gemacht sind. Denn nichts schreit „Unschuld“ lauter als eine sechsstellige Summe an die Familie, kurz bevor die Justiz anklopft. Vielleicht war es ja wirklich Liebe – schließlich ist das auch eine Form von Kapitalrendite, nur mit längerer Laufzeit.

Manche sagen, er wollte sein Geld in Sicherheit bringen. Andere sagen, er wollte seiner Mutter einfach nur etwas Schönes schenken. Vielleicht eine kleine Villa. Oder eine bessere Anwältin.

Vom Penthousetraum zur Privatinsolvenz

Benko sitzt seit Januar in Untersuchungshaft – sein erster längerer Aufenthalt in einer Immobilie, die ihm nicht gehört. Die Zellenmiete ist überschaubar, die Nebenkosten fair, und immerhin: die Bewachung ist inklusive.

Bei den Angaben zur Person erklärte er, kein Einkommen zu haben. Das klingt ehrlich. Denn wer 300 Millionen Euro irgendwo zwischen Holding, Stiftung und Paniktransfer verloren hat, hat in der Tat kein Einkommen – nur Erinnerungen an bessere Zeiten und einen sehr langen Kontoauszug.

Er wollte sich zu Vermögen und Schulden nicht äußern. Vermutlich, weil er das selbst nicht mehr ganz weiß. Bei Signa wusste man schließlich auch nie, was genau wem gehört – oder ob überhaupt noch etwas da war.

Das Echo der Alpen

In Österreich nennt man so etwas „Schicksal“, in Deutschland „Business as usual“. Denn während der kleine Mann für 100 Euro Steuerschuld Mahnungen bekommt, dürfen Großinvestoren erst mal eine Weile die Alpenlandschaft bewundern, bevor sie sich an die Kasse stellen.

Aber auch im Reich der Reichen scheint sich das Blatt zu wenden. Der Glanz des Immobilien-Königs ist verblasst, die Fassade bröckelt. Seine einst so stolzen Bauprojekte wirken heute wie Mahnmale des Größenwahns – Beton gewordene Hybris mit Tiefgarage.

Die große Lehre (oder: Warum man keine Hochhäuser aus heißer Luft bauen sollte)

Benko war nie nur ein Geschäftsmann – er war ein Glaubenssystem. Die Religion des schnellen Geldes, gepredigt im Anzug, gesegnet von Banken, zelebriert in Beton. Und wie bei jeder Religion gilt: Irgendwann kommt die Beichte.

Jetzt steht er also da – nicht mehr als Baumeister der Zukunft, sondern als Architekt seines eigenen Untergangs. Vielleicht träumt er in der Zelle davon, noch einmal neu anzufangen – irgendwo in Dubai, oder wenigstens in Lech. Doch diesmal wird es schwierig, Kreditgeber zu finden, die ihm abkaufen, dass „rückzahlbar“ mehr als ein theoretisches Konzept ist.

René Benko ist der personifizierte Beweis, dass in der modernen Wirtschaft nicht der gewinnt, der am besten baut – sondern der, der am längsten den Eindruck erweckt, er könne es. Er hat Deutschland die Warenhäuser, Österreich die Illusion und seiner Mutter 300.000 Euro hinterlassen.

Was bleibt, ist ein Mann, der sein Imperium aus Glas und Schein errichtete – und jetzt erlebt, dass Transparenz schneidet, wenn sie zerbricht.

Der Prozess wird fortgesetzt. Und vielleicht heißt es am Ende: „Schuldig im Sinne des Betons.“