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Politik

Filibuster, Trump und der große amerikanische Sitzstreik – Wenn Politik zur Kunst des gepflegten Nichtstuns wird

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Filibuster, Trump und der große amerikanische Sitzstreik – Wenn Politik zur Kunst des gepflegten Nichtstuns wird

In den Vereinigten Staaten, dem Land, das einst die Demokratie erfand, um sie dann gründlich zu verkomplizieren, läuft seit einem Monat so ziemlich gar nichts mehr. Kein Gehalt, keine Gesetze, keine Logik. Die US-Regierung steckt im sogenannten „Shutdown“ fest – ein Begriff, der in Deutschland bestenfalls nach einem Windows-Update klingt, in Amerika aber bedeutet: Der Staat hat sich freiwillig abgemeldet.

Seit dem 1. Oktober – pünktlich zum neuen Haushaltsjahr – sitzen rund 750.000 Bundesangestellte zu Hause, weil sich Republikaner und Demokraten im Kongress nicht auf ein Budget einigen können. Währenddessen werden Soldaten, Grenzbeamte und Bundespolizisten weiter bezahlt – offenbar die einzigen, die noch verhindern, dass jemand den Capitol Hill in einen Escape Room verwandelt.

Die Lage ist so ernst, dass selbst das Haushaltsbüro des Kongresses (CBO) die Stirn runzelt und warnt: Der Stillstand könnte bis zu 14 Milliarden Dollar kosten. Doch was sind schon 14 Milliarden in einem Land, das täglich Milliarden für politische PR verbrennt?

Filibuster – der institutionalisierte Redemarathon

Im Mittelpunkt des politischen Theaters steht die Filibuster-Regel – das vielleicht amerikanischste Werkzeug der Obstruktion seit dem Erfinden des Fast Food. Diese Regel erlaubt es Senatoren, mit endlosen Reden jede Abstimmung zu verhindern. Im Grunde eine legale Form des Dauer-Schwätzens mit Verfassungsschutz.

Berühmt wurde der Filibuster 1957, als Strom Thurmond ganze 24 Stunden und 18 Minuten sprach, um ein Bürgerrechtsgesetz zu blockieren. Das war damals so beeindruckend, dass der Mann heute als spiritueller Schutzpatron aller Polit-Talker gilt.

Seitdem hat sich die Technik verfeinert: Heute müssen Senatoren gar nicht mehr tatsächlich reden – sie können einfach ankündigen, dass sie es tun würden, und schon steht das Gesetz still. Es ist, als könnte man seinen Nachbarn schon durch den Hinweis auf mögliche laute Musik zur Ruhe zwingen.

Donald Trump – der Mann mit der „nuklearen Option“

Und jetzt kommt Donald Trump, der Präsident, der jedes Problem als TV-Show inszeniert. Sein Vorschlag zur Lösung: den Filibuster abschaffen. Natürlich per Tweet, also per Dekret der digitalen Eingebung.

„Es ist Zeit für die Republikaner, ihre TRUMP-KARTE auszuspielen und zur nuklearen Option zu greifen!“, schrieb er in Großbuchstaben – dem diplomatischen Äquivalent eines Megaphons auf dem Jahrmarkt.

Die „nukleare Option“ meint dabei nicht, dass Trump endlich Kim Jong-uns Knopf gefunden hat, sondern die Einführung einer simplen Mehrheit: 51 statt 60 Stimmen. Ein System, das sich hervorragend eignet, wenn man gerade die Mehrheit hat, aber fürchterlich, wenn man sie bald verliert – was bei den Republikanern schon Tradition ist.

Selbst in seiner eigenen Partei stößt der Plan auf Widerstand. Senator John Thune, Mehrheitsführer und Hobby-Feuerlöscher in Trumps Ideenwald, lehnt den Vorschlag kategorisch ab. Sinngemäß sagt er: „Lieber 30 Tage ohne Staat, als 30 Jahre mit Trumps Mehrheitsprinzip.“

Das politische Bermuda-Dreieck

Im Moment scheint Washington in einem Zustand zwischen Kaffeepause und kollektiver Amnesie zu sein. Die Republikaner wollen, dass die Demokraten endlich einem Übergangshaushalt zustimmen. Die Demokraten wollen, dass die Republikaner über Steuervergünstigungen verhandeln. Und Trump will – nun ja, Trump will immer irgendwas abschaffen.

Das Ergebnis: nichts. Kein Geld, kein Plan, kein Fortschritt. Nur noch Tweets, Talkshows und Trumps Dauerempörung. Es ist, als hätte jemand die US-Politik in den Energiesparmodus versetzt und den Passwortzettel verloren.

Shutdown – das teuerste Reality-Experiment der Welt

Der wirtschaftliche Schaden wächst täglich. Laut CBO kostet der Stillstand Milliarden – aber dafür bekommt das Land immerhin beste Unterhaltung. Beamte berichten von „freiwilliger Arbeit ohne Gehalt“, was in jedem anderen Land Sklaverei hieße, in den USA aber als Patriotismus gilt.

Andere Angestellte posten Selfies mit dem Hashtag #WorkingForFree, während Trump auf seiner Golfanlage in Mar-a-Lago „strategische Gespräche“ führt – mit sich selbst und einem Putten-Protokoll.

Für die Bevölkerung bleibt die Lage unübersichtlich: Nationalparks geschlossen, Behörden stillgelegt, und beim nächsten Flug kann man nur hoffen, dass der Sicherheitsbeamte gerade nicht ehrenamtlich arbeitet.

Ein Land steht, aber keiner bewegt sich

Die USA beweisen wieder einmal, dass man eine Weltmacht sein kann, ohne auch nur einen Finger zu rühren. Der Filibuster bleibt, der Haushalt fehlt, Trump tobt – und das System funktioniert auf bizarre Weise genau so, wie es soll: Es schützt die Demokratie vor sich selbst.

Vielleicht ist das die tiefere Wahrheit hinter all dem: In Amerika kann jeder alles sagen – und das so lange, bis niemand mehr zuhört.

Und während der Rest der Welt staunend zusieht, sitzt Washington auf seinem eigenen politischen Sofa fest. Der „Shutdown“ ist längst kein Notstand mehr – er ist ein Dauerzustand. Oder, wie Trump es wohl sagen würde: „Der beste Stillstand aller Zeiten – viele Leute sagen das!“