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Kiffen auf Rezept – Deutschlands Zwischenbilanz im Cannabis-Nebel

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Kiffen auf Rezept – Deutschlands Zwischenbilanz im Cannabis-Nebel

Anderthalb Jahre nach der Teillegalisierung von Cannabis ist es soweit: Ein erster Zwischenbericht liegt vor. Das Ergebnis klingt, als hätte man die Titanic nach der ersten Kollision gefragt, wie’s läuft: „Alles im grünen Bereich, kein dringender Handlungsbedarf.“ Mit anderen Worten: Keine Kiffer-Republik, keine Apokalypse, keine dauerbekifften Grundschüler, die mit Gummibärchen gegen Mathelehrer rebellieren. Doch kaum ist das Papier trocken, legt die Union den Zeigefinger an die Lippen – nein, nicht zum Joint, sondern zum mahnenden Tonfall.

Union: Der Joint als Untergang des Abendlandes

CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann sieht sich bestätigt: Die Legalisierung sei ein „Bärendienst“ für Jugendschutz und Verkehrssicherheit. Man stelle sich vor, wie er mit strengem Blick durch deutsche Innenstädte läuft und in jeder Rauchwolke den Untergang des Abendlandes erkennt. „Das Kiffen im öffentlichen Raum hat eine Sichtbarkeit erreicht, der sich auch Schülerinnen und Schüler nicht länger entziehen können“, warnt er. Frage am Rande: Dachten Unionspolitiker ernsthaft, Cannabis würde nach der Legalisierung unsichtbar bleiben? Vielleicht in praktischen Tarn-Joints, die nur unter Schwarzlicht sichtbar werden?

Der Bericht: Kein Weltuntergang, nur leichter Duft

Die nüchternen Wissenschaftler schreiben: Jugendlliche konsumieren sogar etwas weniger, Erwachsene ein bisschen mehr. Keine drastischen Zunahmen bei Suchterkrankungen, keine signifikante Gefahr für die Verkehrssicherheit. Deutschland ist also nicht zur Riesenbong mutiert.

Natürlich betonen die Forschenden: Die Daten sind noch begrenzt, endgültige Schlüsse frühestens in ein paar Jahren. Aber das ist Politik egal: Für die Union reicht schon ein leicht erhöhter Rauchgeruch am Bahnhof, um Verschärfungen zu fordern.

Streeck: Richter statt Ratgeber

Auch CDU-Mann Hendrik Streeck, der neue Drogenbeauftragte, legt nach: Jugendliche bekämen leichter Cannabis, gleichzeitig gebe es weniger Verfahren vor Jugendgerichten. Das sei „ein Problem“. Deutschland in a nutshell: Hilfe bekommt man hier offenbar nur, wenn man vorher strafbar wird. Wer kifft, aber nicht vor Gericht landet, ist dem Staat suspekt.

Streeck warnt außerdem vor „stärkerem Cannabis“. Offenbar hat er Angst, dass heutige Joints so viel Power haben, dass sie ein kleines Solarkraftwerk ersetzen könnten. Tatsächlich ist das Gras stärker als früher – aber ehrlich gesagt gilt das auch für WLAN, Autos und Espresso.

Schwarzmarkt deluxe

Die Anbauvereine, von der Ampel einst als Bollwerk gegen illegale Dealer verkauft, haben den Schwarzmarkt nicht verdrängt. Überraschung! Wer hätte ahnen können, dass ein Vereinsabend mit Anwesenheitsliste, Mitgliedsbeitrag und gemeinsamer Gartenschaufel nicht die gleiche Attraktivität hat wie der unkomplizierte Mann im Hoodie, der direkt neben der U-Bahn verkauft? So lebt der Schwarzmarkt munter weiter und lacht über die politische Idee, ihn „mit legalen Strukturen auszutrocknen“. Eher im Gegenteil: Jetzt gibt’s mehr Auswahl. Willkommen im Wettbewerb – made in Germany.

Politische Nebelkerzen

Im Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot steht, man werde die Teillegalisierung „ergebnisoffen evaluieren“. Ergebnisoffen bedeutet in der Politik meistens: Das Ergebnis ist längst beschlossene Sache, nur der Zeitpunkt der Verkündung ist noch geheim. Die SPD zögert, die Union drängt, und am Ende kommt ein Kompromiss heraus, der klingt wie: „Kiffen bleibt erlaubt, aber nur im Sitzen, ohne Musik und höchstens mit einer Kartoffelchips-Sorte nach Wahl.“

Gesellschaftliche Realität

Die Realität ist weitaus weniger dramatisch: Erwachsene rauchen etwas mehr, Jugendliche etwas weniger. Der Schwarzmarkt bleibt stark, die Polizei atmet durch (oder auch nicht) – und ansonsten geht das Leben weiter. Keine kiffenden Busfahrer im Dienst, keine Marathon-Rauchsäulen über Berliner Parks, keine apokalyptische Steigerung von „Frühstücks-Joints“.

Das eigentliche Problem: Prävention und Hilfe für Jugendliche wurden nicht konsequent ausgebaut. Stattdessen verheddert man sich in Besitzmengen, Eigenanbau-Regeln und philosophischen Debatten über die moralische Fallhöhe eines Joints.

Politik im Dauerrausch – nur ohne Cannabis

Der Zwischenbericht zeigt: Es passiert weniger als gedacht. Doch anstatt diesen nüchternen Befund zur Grundlage zu machen, fabriziert die Politik Nebelkerzen. Die Union sieht Gespenster, die SPD schwankt zwischen Vernunft und Panik, und die CDU malt Schreckensszenarien von Kindern, die morgens Joints statt Müsliriegel mit in die Schule nehmen.

Am Ende bleibt ein schlichter Befund: Cannabis macht nicht dümmer, aber die Debatte darum offenbar schon.

Vielleicht sollte man Bundestagsdebatten künftig mit einer Kifferpause unterbrechen. Dann würden die Abgeordneten wenigstens mal lachen – und merken, dass die größten Nebenwirkungen von Cannabis immer noch in ihren eigenen Reden liegen.