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Rechts-Schlager aus der KI-Fabrik – wenn Algorithmen zum Stammtisch-DJ werden

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Rechts-Schlager aus der KI-Fabrik – wenn Algorithmen zum Stammtisch-DJ werden

Früher brauchte es für den klassischen Rechtsrock noch einen verrauchten Proberaum, drei Akkorde, einen betrunkenen Bassisten und viel Bier. Heute reicht ein Laptop, ein Jahresabo bei Distrokid für 24,99 Dollar – und eine KI, die klingt wie ein Schlagerbarde auf Valium. Willkommen in der neuen Musikwelt, in der sich die Playlist von Spotify liest wie die Setlist eines digitalen Bierzeltaufmarschs.

Von „Deutschland was ist nur passiert“ bis „Meine Stimme habt ihr nicht“

Da ploppt Melanie Gollin nichtsahnend in ihr Release-Radar – und plötzlich schreit ihr ein Cover entgegen, das aussieht wie die Mischung aus Reichsadler und Stockfoto. Titel: „Deutschland was ist nur passiert“ – und die KI-Stimme jault dazu Sätze, die klingen, als hätte jemand die Steuererklärung mit einem Rammstein-Text verwechselt.

„Der Staat kassiert die Steuern, hat dein Geld halbiert“, heißt es da. Eine Zeile, so poetisch wie der Kassenbon beim Aldi. Und es geht weiter:

  • „Warum hast du dein Volk so abkassiert?“
  • „Die Preise gehen nach oben, der Staat hat das Volk komplett belogen.“

Das Ganze irgendwo zwischen DJ Ötzi auf Entzug und AfD-Wahlwerbespot.

Traditionshüter & Co. – Die neuen Stars des rechten Spotify

Andere KI-Künstler legen noch eine Schippe drauf:

  • „Traditionshüter“ veröffentlicht Schlagerhymnen über Krieg, Migranten und die „klassische Familie“.
  • „Partypatrioten“ klingt nach einer Ballermann-Coverband mit Reichsflagge im Bühnenbild.
  • „Dobermanncloe“ pumpt gleich zehn Alben in einem Jahr raus, als hätte jemand die KI auf Dauerfeuer gestellt.

Die Klickzahlen? Astronomisch. Hunderttausende Streams, Millionen Reichweite. Während echte Bands noch im Proberaum diskutieren, ob der Refrain zweimal oder dreimal kommt, haben die KI-Rechten längst ihr nächstes Album fertig.

Schlager mit Stahlhelm

Die Songs klingen, als hätte man einen handelsüblichen Schlager genommen, den Text durch „Reichsbürger-Generator 3000“ gejagt und das Ergebnis auf einen Eurodance-Beat gepappt. „Meine Stimme habt ihr nicht“ wird zur Hymne der Empörung, garniert mit KI-Covern, auf denen Frauen auf EU-Panzern thronen und Fahnen schwenken, als wäre das Ganze eine Art digitaler Schützenverein.

Das Ergebnis: Musik, die niemand hören will, die aber trotzdem jeder angezeigt bekommt.

Algorithmen: Die heimlichen Hetz-DJs

Und hier kommt die eigentliche Pointe: Nicht die „Künstler“ verbreiten ihre Songs, sondern die Algorithmen der Plattformen. Diese Algorithmen funktionieren wie hyperaktive DJs: „Du hörst gerne Musik? Hier, probier mal einen Reichsadler mit Autotune!“

Gerade neue oder wenig aktive Accounts werden schneller in die rechte Playlist geschubst. Wer nur ab und zu mal ein Lied hört, hat plötzlich den digitalen Volksmusikanten im Ohr. Das Ziel: Emotionen. Freude, Wut, Empörung – egal. Hauptsache, die Nutzer klicken, teilen und diskutieren.

So wird das rechte KI-Schlagerlied nicht trotz, sondern wegen seiner Provokation zum Erfolg. Rage-Potenzial ist schließlich die Währung im Netz.

Plattformen zwischen Löschen und Wegschauen

Spotify verkündet stolz: „Wir haben 75 Millionen KI-Songs gelöscht.“ Schön – nur die auffälligsten Rechtssongs sind offenbar immer noch da. YouTube sieht gar keinen Regelverstoß („Alles in Ordnung, nur ein bisschen Nationalpop!“), und Meta löscht hin und wieder ein Video, aber ohne zu sagen, warum.

Die Plattformen agieren wie Türsteher einer Großraumdisco: „Tut uns leid, wir haben heute schon 50 Besoffene rausgeworfen, aber der Typ mit der Reichskriegsflagge darf nochmal rein – der bringt Stimmung.“

Politik als Playlist

Die Journalistin Gollin sieht dahinter ein klares Muster: Die Songs sind kein harmloser Spaß, sondern ein politisches Programm. Digitale Propaganda, verpackt als Schlagermusik. Und die Plattformen? Profitieren von den Klicks.

Es ist eine bizarre Allianz:

  • Die Rechten liefern Inhalte,
  • die Algorithmen pushen sie,
  • die Plattformen verdienen mit – und der Durchschnittsnutzer wundert sich, warum plötzlich zwischen Taylor Swift und Ed Sheeran ein KI-Adler singt: „Ach mein Deutschland“.

Willkommen im KI-Bierzelt

Die rechte KI-Szene zeigt, wie einfach es heute ist, Propaganda massentauglich zu verpacken. Früher musste man noch CDs pressen, heute reicht ein Chatbot mit Autotune. Die Plattformen schauen zu, die Algorithmen jubeln, und am Ende bleibt ein schaler Nachgeschmack: Nicht die Technik ist gefährlich, sondern der Müll, den man damit füttert.

Oder satirisch gesagt: „KI kann Beethoven imitieren, Bach nachspielen und Mozart digital auferstehen lassen – aber stattdessen produziert sie Schlager mit Stahlhelm. Willkommen im 21. Jahrhundert.“