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Stimmen vertauscht, Demokratie verheddert – Wahlkrimis made in NRW
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Wer geglaubt hat, Kommunalwahlen seien der Inbegriff deutscher Präzision – geordnet, sauber, zuverlässig wie eine frisch gespitzte Bleistiftmine –, der wurde in den letzten Tagen in Mülheim, Datteln und Siegen eines Besseren belehrt. Hier zeigte sich: Auch das deutsche Wahlrecht ist nur so sicher, wie der Mensch, der die Zahlen in die richtige Spalte tippt. Und der Mensch ist bekanntlich fehlbar – manchmal sogar ziemlich unterhaltsam.
Mülheim: Ein Zahlendreher entscheidet
In Mülheim sah es zunächst nach einem SPD-Sieg aus. Nadia Khalaf lag mit 67 Stimmen vor Marc Buchholz von der CDU. Ein hauchdünner Vorsprung, aber ausreichend, um im Rathaus schon mal die Blumenvasen zurechtzurücken. Doch dann: der Schock. In einem Wahlbezirk waren die Stimmen schlicht vertauscht. Ein „Oops“ von Wahlhelfern – und schon war die SPD-Kandidatin wieder raus.
Man stelle sich das wie beim Bäcker vor: Sie bestellen ein Körnerbrötchen, bekommen aber versehentlich ein Croissant. Nur dass es hier nicht um Frühstück geht, sondern um den Chefsessel einer Großstadt.
Datteln: Drei Stimmen für die Geschichtsbücher
In Datteln wurde es noch absurder. Dort trennten CDU-Mann Tost und SPD-Amtsinhaber Dora am Ende nur drei Stimmen. Drei! Das ist weniger als die Zahl der Leute, die an einem Dienstagmorgen freiwillig ins Bürgeramt gehen. Nach einer Neuauszählung hieß es plötzlich: „Sorry, doch alles beim Alten.“ Dora bleibt im Amt, Tost darf wieder Wahlplakate einsammeln.
Die Botschaft: Demokratie kann grausam sein – und manchmal hängt sie buchstäblich am dritten Kreuzchen.
Siegen: Sieben Stimmen Unterschied
In Siegen stand am Ende ein Vorsprung von sieben Stimmen für die SPD. Sieben! Das entspricht exakt der Zahl an Gästen, die in einem mittelgroßen Vereinsheim gleichzeitig eine Mettwurstsemmel bestellen. Und trotzdem entscheidet diese winzige Menge über die Zukunft einer Stadt mit über 100.000 Einwohnern.
Das Ganze wirkt wie ein politischer „Tatort“: Jeder Indizienbeweis wird akribisch überprüft, jede Zählung wie eine forensische Spurensicherung – nur dass am Ende kein Mörder überführt wird, sondern ein Bürgermeister.
Die Bürokratie: eigentlich narrensicher
Rein formal ist das System wasserdicht: Wahlvorstand, Protokoll, Unterschrift, digitale Übermittlung, Prüfung, Wahlausschuss. Klingt wie ein Schweizer Uhrwerk. Aber wie wir wissen, hakt selbst bei der Deutschen Bahn manchmal die Uhr – und schon wird aus der mathematisch sauberen Wahl ein Verwaltungs-Kabarett.
Das Beste daran: Jeder kleine Fehler entfaltet eine Sprengkraft, die soziale Medien in Sekunden in Brand setzt. „Wahlbetrug!“, „Gestohlen!“, „Systemversagen!“ tönt es aus allen Richtungen – auch wenn die Realität meist nur lautet: „Herr Müller hat die Zahlen in die falsche Spalte geschrieben.“
Juristen: Alles halb so wild
Rechtsexperten erklären seelenruhig: „Das gehört zur lebendigen Demokratie.“ Fehler passieren, wichtig sei nur die Korrektur. Klingt schön, beruhigt aber niemanden, der in Mülheim gerade erlebt, dass seine Stimme erst für die eine und dann für die andere Seite gezählt wurde. Das ist ungefähr so tröstlich wie der Pilot, der nach einer Bruchlandung erklärt: „Machen Sie sich keine Sorgen, das Fahrwerk war sowieso schon alt.“
Social-Media-Effekt: Aus Zahlendrehern werden Staatsstreiche
In Zeiten von Telegram und Facebook braucht es nicht viel, um eine Wahl zur „Farce“ zu erklären. Drei Stimmen Unterschied? Perfekt für Verschwörungstheorien. Vertauschte Stimmen? Ein gefundenes Fressen für alle, die sowieso glauben, dass Demokratie eine große Zaubershow ist, bei der am Ende immer „die da oben“ gewinnen.
Dabei sagt das Gesetz eindeutig: Nur wenn ein Fehler mandatsrelevant ist, muss neu gewählt werden. In der Praxis heißt das: Solange der Taschenrechner funktioniert, wird nicht neu abgestimmt.
Demokratie als Slapstick-Nummer
Die Wahlpannen in NRW zeigen: Demokratie ist kein perfekt geöltes Uhrwerk, sondern eher ein Jonglierakt mit Zahlen, Protokollen und menschlicher Unachtsamkeit.
- In Mülheim entscheidet ein Zahlendreher.
- In Datteln rettet eine Handvoll Kreuzchen den Bürgermeister.
- In Siegen hängen die Geschicke der Stadt an sieben Stimmen – also an einer mittelgroßen Skatrunde.
Das ist zugleich tragisch und komisch: Die Demokratie stolpert über ihre eigenen Schnürsenkel, steht wieder auf, klopft sich den Staub ab und sagt: „Alles läuft nach Plan.“
-- Vielleicht sollte man künftig Wahlzettel mit integrierten QR-Codes ausstatten. Dann könnten Bürger live auf dem Handy sehen, ob ihre Stimme richtig gebucht wurde – oder ob sie gerade versehentlich als Bonusmeilen für den Bürgermeister von Datteln verbucht wird.