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WM 2026 – Make Soccer Great Again! (Oder: Wenn der Präsident den Ballbesitz nationalisiert)
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Amerika liebt große Shows – und Donald Trump hasst es, wenn jemand anders die Hauptrolle spielt. Deshalb droht der US-Präsident nun der Stadt Boston, ihr die Fußball-Weltmeisterschaft zu entziehen – aus „Sicherheitsgründen“, versteht sich. Offiziell geht es um Ordnung und Sicherheit. Inoffiziell geht es – wie immer – um Trump.
Die FIFA zeigt sich derweil diplomatisch verständnisvoll. Schließlich ist man in Zürich Kummer gewohnt, wenn mächtige Männer den Fußball für ihre Zwecke missbrauchen. Nur diesmal hat man es nicht mit einem Scheich, sondern mit einem amerikanischen Phänomen in orangener Farbe zu tun.
Der Präsident als Ober-Schiedsrichter
Es ist ein sonniger Nachmittag in Washington, und Donald Trump verkündet in gewohnter Bescheidenheit:
„Wenn eine Stadt unsicher ist – und Boston ist sehr unsicher, glauben Sie mir –, dann rufe ich einfach Gianni an. Er ist ein fantastischer Typ. Wirklich fantastisch. Und dann sagen wir: Danke, Boston, aber nein danke.“
Damit ist klar: Während andere Präsidenten Kriege verhindern, verhindert Trump Fußballspiele. Er hat sich selbst zum Leiter der WM-Task-Force des Weißen Hauses ernannt – natürlich ohne Zustimmung, aber mit dem festen Glauben, dass Legitimation überschätzt wird.
Schon früher hatte er ja gezeigt, dass Verfassung und Spielfeldregeln eher lästige Accessoires sind. Wenn Trump also sagt, er könne mit einem Anruf beim FIFA-Chef eine Stadt von der WM-Landkarte löschen, dann glaubt er das wirklich.
Und das Beunruhigende ist: Gianni Infantino vermutlich auch.
Boston, die Stadt des Widerstands
Bostons Bürgermeisterin Michelle Wu, jung, progressiv und Demokratin, ließ sich davon nicht beeindrucken. „Wir freuen uns auf die Weltmeisterschaft“, erklärte sie ruhig – was im Trump-Vokabular vermutlich als Kriegserklärung gilt.
Denn „Demokratin“ ist für Trump ein Synonym für „Kommunistin, Chaos-Stifterin und vermutlich heimlich Kanadierin“. Boston ist in Trumps Augen also eine Art Sodom des Sozialismus – nur mit besseren Universitäten.
Und doch bleibt Wu gelassen. Vielleicht, weil sie weiß, dass Trump in acht von zehn Fällen droht, was er gar nicht versteht. Und im elften Fall einfach Golf spielt.
Die FIFA knickt ein – oder: Wenn Prinzipien einen Preis haben
Die FIFA, moralisch ohnehin ein Kartenhaus aus Banknoten, lässt verlauten:
„Sicherheit liegt in der Verantwortung der jeweiligen Regierungen.“
Das klingt nach „Wir halten uns raus“ – aber in Wahrheit bedeutet es: „Wenn Trump anruft, sagen wir nicht nein.“
Infantino und Trump – das ist eine Freundschaft, die in Goldschnitt gebunden ist. Beide lieben Macht, Luxus, Adjektive wie „phänomenal“ und die Vorstellung, dass die Welt ohne sie im Chaos versinken würde.
Gianni Infantino, der Mann mit dem immer leicht verschwörerischen Lächeln, soll Trumps Einladungen nach Mar-a-Lago regelmäßig annehmen. Und Trump schwärmt von ihm, als sei er der Messias der Mittelstreifen:
„Gianni versteht mich. Er weiß, wie man groß denkt. Und er weiß, dass Größe kostet – aber es lohnt sich!“
Sicherheit – ein dehnbarer Begriff
„Sicherheitsbedenken“ – das klingt seriös, fast nach Geheimdienst, in Wahrheit aber nach Propaganda mit Stadionbeleuchtung. Trump behauptet, die demokratisch regierten Städte seien „unsicher, kriminell und unamerikanisch“.
Er will Nationalgardisten schicken, um „die Ordnung wiederherzustellen“. In Los Angeles hat er das schon getan – offiziell, um Proteste zu „beobachten“, inoffiziell, um schöne Bilder zu produzieren.
Jetzt also Boston. Sein Ziel: das Spielfeld der Politik zum Stadion seiner Macht machen. Wenn er schon keine Mehrheit im Kongress hat, dann wenigstens im Spielplan.
„Soccer“ trifft auf „Strongman“
Dass Trump den Fußball als politisches Werkzeug entdeckt, ist an sich schon eine Tragikomödie. Noch 2018 hatte er den Sport als „langweilig, europäisch und verdächtig vegan“ bezeichnet. Doch seit die USA, Mexiko und Kanada gemeinsam die WM austragen, ist klar: Wo internationale Aufmerksamkeit winkt, da will Trump am Mikro stehen – und wenn’s sein muss, mitten im Mittelkreis.
Man stelle sich die Eröffnungsfeier vor: Ein Stadion voller Fans. Feuerwerk. Und dann tritt er auf, in roter Krawatte und weißem Ballonhaarschnitt, während eine Stimme vom Band verkündet:
„Ladies and gentlemen, please rise for the President of the United States – the man who personally saved soccer!“
Die Hymne erklingt, und Trump hebt den goldenen FIFA-Pokal. Nicht, weil er gewonnen hätte, sondern weil er glaubt, er hätte es verdient.
Die demokratischen Städte – Trumps Lieblingsgegner
Von den elf US-Spielorten sind sechs demokratisch regiert: Boston, Los Angeles, Seattle, San Francisco, New York und Philadelphia. Oder, wie Trump es nennt: „The Axis of Awful.“
Er wirft ihnen „linke Ideologie“ und „Antifa-Stadien“ vor. „Wenn sie nicht aufräumen, werden sie keine Spiele haben, glauben Sie mir“, droht er.
In Trumps Welt ist Sicherheit offenbar eine Frage der Parteizugehörigkeit. Ein republikanischer Straßenkampf gilt als Ausdruck von Freiheit – ein demokratischer Streik dagegen als Terrorismus.
Vielleicht schlägt er bald vor, Spiele nur noch in „patriotischen“ Städten auszutragen – zum Beispiel Tulsa, Amarillo oder in seinem Golfresort in Florida. Denn was wäre symbolträchtiger als ein WM-Finale auf dem Trump National Doral, kommentiert von Tucker Carlson?
Wenn die FIFA einknickt, fällt mehr als Boston
Natürlich ist das Ganze rechtlich kompliziert. Die Städte haben Verträge mit der FIFA, Milliarden werden investiert. Ein Rückzug Bostons würde Klagen, Schadenersatzforderungen und diplomatische Krisen nach sich ziehen.
Aber Trump wäre nicht Trump, wenn ihn das störte. Er sieht die Welt ohnehin als seine eigene Fernsehshow, in der Drehbuch, Budget und Realität keine Rolle spielen.
Seine Logik: Wenn es Probleme gibt, wird einfach jemand anderes verklagt. Oder, wie er es bei früheren Gelegenheiten formulierte:
„We’ll figure it out. I always do. Nobody figures out lawsuits better than me.“
Die „WM Task-Force“ – ein Kabinett der Kapriolen
In Washington kursieren bereits Witze, dass Trumps neue „WM-Task-Force“ vor allem aus seinen Golfkumpels besteht – plus Jared Kushner, der alles darf, was nicht funktioniert.
Ihr offizielles Ziel: „Amerikas Führungsrolle im Weltfußball sicherstellen.“ Ihr tatsächliches Ziel: „Amerikas Führungsrolle bei den FIFA-Verträgen sichern.“
Man munkelt, der Präsident plane bereits eine „Trump Cup“-Eröffnungsfeier mit Militärparade und Kampfflugzeugen über dem Stadion. Natürlich mit kugelsicheren VIP-Logen, versteht sich – man weiß ja nie, wann die Wahrheit zurückschießt.
Kapitel 9: Gianni, der Getreue
Und Gianni Infantino? Der FIFA-Chef schweigt. Er weiß, dass Trump kein Mann ist, den man widerspricht – jedenfalls nicht, wenn man seine WM retten will.
Offiziell sagt er:
„Die FIFA trifft die Entscheidungen.“
Inoffiziell nickt er, wenn Trump spricht, und denkt vermutlich an das nächste Treffen in Palm Beach. Denn die FIFA hat gelernt: Ein bisschen Autokratie tut dem Sponsoreninteresse keinen Abbruch – im Gegenteil, es sorgt für klare Linien und lukrative Deals.
Kapitel 10: Wenn Fußball zur Geisel wird
Das Drama um Boston ist mehr als ein politischer Kleinkrieg. Es ist ein Symbol dafür, wie weit die Person Trump sich in die Institutionen frisst. Er will nicht nur Politik, Medien und Justiz kontrollieren – jetzt auch den Spielplan der FIFA.
Man kann sich leicht vorstellen, wie er beim Finale 2026 in die Kabine stürmt und den Schiedsrichter anschreit:
„This is fake offside! Everybody says so!“
Ein Spiel mit falscher Pfeife
Die Fußball-WM 2026 sollte eigentlich ein Fest der Völkerverständigung werden. Jetzt droht sie, zu einem Festival der Eitelkeiten zu werden – angeführt von einem Mann, der den Begriff „Fair Play“ für eine linke Verschwörung hält.
Boston bleibt ruhig, die FIFA bleibt biegsam, und Trump bleibt – Trump. Ein Präsident, der glaubt, die Welt sei ein Spielfeld, auf dem er allein die Regeln schreibt.
Wenn das so weitergeht, könnte das Motto der WM bald lauten: „One Nation, under Trump – with Soccer and Subpoenas for all.“
Oder, wie er selbst es zusammenfassen würde:
„It’s going to be the best World Cup ever. Unless Boston ruins it – which they probably will.“