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Bin kein Weichei" – Außenminister Wadephul, das Kreuz der Union und der Mut zur halben Stunde Wahrheit
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Wenn in der deutschen Politik das Wort „Weichei“ fällt, weiß man: Es wird ernst. Oder genauer gesagt: Es wird symbolisch, theatralisch und ziemlich satirisch. So geschehen in der Unionsfraktion, wo Außenminister Johann Wadephul (CDU) jüngst den Versuch unternahm, sich als Kreuzritter des Realismus zu inszenieren – mit einem Satz, der klingt wie ein Motivationsspruch aus dem Politik-Fitnessstudio:
„Ich bin kein Weichei.“
Das Zitat, so berichtet die Rheinische Post, fiel im Zusammenhang mit einer Diskussion über Syrien und Rückführungen. Und während der Rest der Republik noch überlegt, wie viel Außenpolitik eigentlich in ein Ei passt, erklärte Wadephul sinngemäß: Ein Christdemokrat müsse auch mal harte Worte finden dürfen – besonders nach einer „halbstündigen Fahrt durch eine apokalyptische Landschaft in der Mitte von Damaskus“.
Zwischen Weichspüler und Weltpolitik
Wadephul – bislang eher bekannt als loyaler Parteisoldat mit norddeutscher Gelassenheit – hat in diesem Moment offenbar beschlossen, sich neu zu erfinden: als Außenminister mit Rückgrat. Einer, der sagt, was er denkt, und denkt, was er sagt – auch wenn es klingt, als käme es direkt aus der Drehbuchwerkstatt von House of Cards.
Er schilderte, wie er nach einer halben Stunde in der syrischen Hauptstadt zu dem Urteil kam:
„Hier kann man nicht menschenwürdig leben.“
Eine halbe Stunde! Das ist bemerkenswert – nicht nur, weil manch anderer Politiker in dieser Zeit kaum den Berliner Ring umrundet, sondern weil sich der Außenminister offenbar für eine Mischung aus Krisenreporter und Menschenrechts-GPS hält.
Vielleicht, so könnte man spötteln, war die „apokalyptische Landschaft“ auch nur der syrische Straßenverkehr zur Rushhour.
Der Mut zum Kreuz
Besonders eindrucksvoll wurde Wadephuls Auftritt, als er in Richtung der eigenen Fraktion ergänzte:
„Bitte, so was muss auch möglich sein. So was muss auch eine CDU/CSU-Fraktion und so was müssen wir auch sehen. Nicht umsonst hängt hier das Kreuz.“
Das Kreuz also als Argumentationsstütze. Man könnte fast glauben, es handele sich nicht um eine politische, sondern um eine spirituelle Rede – irgendwo zwischen Apostel Paulus und Markus Söder. Doch der Satz zeigt vor allem eines: In der Union hängt das Kreuz zwar an der Wand, aber offenbar auch an der Debatte.
Das „Nicht umsonst“ deutet an, dass Wadephul seine Worte als Ausdruck eines christlich begründeten Realismus verstanden wissen will. In Wahrheit wirkt es eher wie die Rückkehr des alten CDU-Reflexes: Wenn man keine konkreten Lösungen hat, hilft immer noch der Hinweis auf das Holz über dem Türrahmen.
Der Halbstundenheld von Damaskus
Der Satz „Ich bin kein Weichei“ steht sinnbildlich für eine politische Kultur, in der Härte zur Ersatzhandlung geworden ist. Man könnte fast meinen, Politiker messen ihre Glaubwürdigkeit inzwischen in Deklarationen des Durchhaltevermögens: „Ich bin kein Weichei“, „Ich habe Rückgrat“, „Ich bleibe standhaft“ – als ginge es um eine Realityshow namens Politiker im Härtetest.
Dass Wadephul als Außenminister über Rückführungen, Syrien und christliche Symbolik in einem Atemzug spricht, ist dabei eine Kuriosität der besonderen Art. Normalerweise sagt ein Außenminister so etwas wie: „Wir müssen humanitäre Standards wahren.“ Wadephul dagegen sagt: „Ich bin kein Weichei.“ Das klingt weniger nach Diplomatie, mehr nach Grillfest.
Apokalyptische Landschaften und Applaus
Man darf vermuten, dass die halbstündige Fahrt durch Damaskus bei Wadephul bleibenden Eindruck hinterließ. Vielleicht sah er dort Dinge, die man mit der Kamera eines ARD-Korrespondenten nicht zeigen darf – oder einfach zu viele Baustellen, die ihn an den Berliner Flughafen erinnerten.
„Hier kann man nicht menschenwürdig leben“, sagte er. Ein Satz, der eigentlich banal klingt – aber im politischen Kontext zum moralischen Statement erhoben wird. Denn natürlich kann man in einem vom Krieg zerstörten Land schwer menschenwürdig leben. Doch in Wadephuls Worten schwingt eine subtile Selbstinszenierung mit: der Politiker als Zeuge, als Mahner, als einer, der die Welt mit eigenen Augen gesehen hat – 30 Minuten lang.
Und dann kam der Applaus. Nicht etwa, weil jemand eine Lösung hatte, sondern weil endlich mal wieder jemand „durchgegriffen“ hatte – verbal, versteht sich.
Das Kreuz mit der Klarheit
Wadephul sagte, so etwas müsse „auch ein christdemokratischer Außenminister sich erlauben können“. Aber was genau? Eine halbe Stunde Beobachtung und ein Rundumschlag gegen Empfindlichkeit? Die CDU kämpft seit Jahren mit ihrer Identität – zwischen Soziallehre, Wirtschaftsliberalismus und dem Wunsch, auf keinem Fall „zu weich“ zu wirken. Da passt Wadephuls Auftritt perfekt ins Bild: ein wenig Pathos, ein bisschen Empörung und am Ende ein Satz fürs Parteitagsplakat.
„Ich bin kein Weichei“ könnte man ja fast als neues Unionsmotto verstehen – gleich neben „Leistung muss sich wieder lohnen“.
Wenn Haltung zur Pose wird
Wadephuls Auftritt ist symptomatisch für eine Politik, die zunehmend von Symbolen lebt. Das Kreuz, die Reise, das Wort „Weichei“ – alles kleine Mosaiksteine im großen Bild einer Partei, die verzweifelt nach Profil sucht. Doch statt Substanz gibt es Schlagworte. Statt Strategie: Selbstinszenierung.
Vielleicht ist das das wahre Kreuz der Union: Sie hängt zu oft an ihren eigenen Symbolen. Und während Johann Wadephul stolz verkündet, kein Weichei zu sein, könnte man ihm antworten: Nein, Herr Minister. Aber ein bisschen weniger Show und ein bisschen mehr Politik – das wäre schon ganz schön hart.