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Jugend spart sich das Kanzleramt – Wenn die Junge Union den Rotstift zückt und das Maßband schwingt

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Jugend spart sich das Kanzleramt – Wenn die Junge Union den Rotstift zückt und das Maßband schwingt

Im politischen Berlin zieht ein frischer Wind auf – zumindest aus der Richtung der Jungen Union (JU). Der Nachwuchs von CDU und CSU hat sich vorgenommen, die Bundesregierung kräftig zu verschlanken. Nicht etwa durch Diätvorschriften oder Fitnessprogramme, sondern durch ein rigoroses Sparmanifest, das klingt, als hätte es ein schwäbischer Kassenwart in einem WG-Kühlschrank hinterlassen.

Im Zentrum der Kritik: Der Neubau des Kanzleramts, der nach aktueller Planung rund 800 Millionen Euro kosten soll. Oder, in Berliner Maßstäben gerechnet, etwa so viel wie eine halbe U-Bahn-Linie, 1000 BER-Toiletten oder 80.000 Stunden Gutachten über Gutachten.

Wenn die Jugend den Rotstift entdeckt

„Vor dem Steuerzahler verantwortungslos“, nennt die JU das Projekt laut dem Antragsbuch zum bevorstehenden Deutschlandtag. Das klingt fast so, als hätte jemand in der Nachwuchsabteilung der Union den Taschenrechner entdeckt – und festgestellt, dass 800 Millionen Euro tatsächlich mehr sind als das Monatsbudget des JU-Sommerfests.

In einer Zeit, in der Deutschland über Schuldenbremse, Sondervermögen und Haushaltslöcher diskutiert, kommt die Forderung fast wohltuend vernünftig daher. Fast.

Denn während die Bundesregierung von „akutem Platzmangel“ im Kanzleramt spricht, schlägt die JU pragmatisch vor: Desk-Sharing. Man könnte also sagen: Die Jugend der Union will Friedrich Merz und seine Minister zum Homeoffice schicken.

Vielleicht sieht das JU-Konzept so aus: Montag, Mittwoch, Freitag: Kanzler Merz am Schreibtisch. Dienstag, Donnerstag: Finanzminister Lindner (wenn er nicht gerade Sparideen an Goldman Sachs verkauft). Am Wochenende: Das Kanzleramt wird über Airbnb vermietet – für Staatsbesuche mit kleinem Budget.

Bürokratie im Tiny-House

Desk-Sharing klingt hip, modern, effizient – und es trifft natürlich den Nerv einer Generation, die selbst weiß, wie sich 2-Quadratmeter-Schreibtische und W-LAN-Ausfälle anfühlen. Doch die Vorstellung, dass im Kanzleramt künftig Minister, Referenten und Pressesprecher gemeinsam an wechselnden Arbeitsplätzen sitzen, hat ihren ganz eigenen Charme.

Man stelle sich vor: – Friedrich Merz sitzt am Montag an Lars Klingbeil Laptop und findet statt der Haushaltszahlen eine To-do-Liste für diplomatische Blumengeschenke. – Am Mittwoch öffnet der Verkehrsminister versehentlich den Klimaaktionsplan und ruft: „Wer hat das da reingeschmuggelt?!“ – Am Freitag meldet sich die IT: „Achtung, bitte alle abmelden – das System denkt, Sie sind derselbe Mitarbeiter.“

Und wenn der Platz wirklich knapp wird, könnten sich auch Kabinettsmitglieder einen Stuhl teilen. Teamgeist und Koalitionsdisziplin im ganz neuen Sinne.

Die Abrissbirne als Symbol der Sparsamkeit

Doch die Junge Union will mehr. Sie fordert nicht nur den Baustopp des Kanzleramts, sondern gleich die Abschaffung ganzer Ministerien – konkret des Bau- und des Entwicklungsministeriums. Das mag für Außenstehende klingen wie ein schlechter Witz, aber die Logik ist bestechend einfach: Wenn man weniger baut, braucht man auch kein Bauministerium. Und wenn man weniger entwickelt, nun ja – dann spart man auch da.

Ein JU-Vertreter soll hinter vorgehaltener Hand gesagt haben:

„Wir müssen die Verwaltung entschlacken – notfalls bis zur Transparenz.“

Das Entwicklungsministerium stört offenbar, weil es Geld ins Ausland schickt, statt in heimische Parkplätze oder Parteitage zu investieren. Dass internationale Hilfe langfristig auch Stabilität und Märkte schafft, ist da eher ein Nebengeräusch – oder, wie es bei der JU heißt: nicht direkt wahlwirksam.

Generation Spardose

Natürlich klingt das alles nach einer Rückkehr zu den guten alten CDU-Tugenden: sparen, streichen, stapeln. Aber man sollte der JU nicht Unrecht tun – ihr Antrag hat durchaus einen modernen Touch. Desk-Sharing, Effizienzsteigerung, Digitalisierung: das klingt fast nach Start-up, nur ohne Innovation.

Die Idee, das Kanzleramt künftig auf Co-Working-Basis zu betreiben, könnte sogar Schule machen: Vielleicht folgen bald das Bundesfinanzministerium mit einem „Bring Your Own Rechner“-Konzept oder das Verkehrsministerium mit einem Rotationsprinzip für Zuständigkeiten – nach dem Motto: „Heute Zug, morgen Flug, übermorgen Fußweg.“

Und wer weiß – wenn die JU einmal durchregiert, könnte der nächste Bundeshaushalt auf einer Serviette geschrieben werden. Nachhaltig, papierlos, effizient.

Zwischen Sparsamkeit und Symbolpolitik

Bei aller berechtigten Kritik an einem teuren Neubau: Die Forderungen der Jungen Union sind vor allem eins – ein Symbol. Ein Zeichen an die eigene Partei, dass man noch konservativ rechnen kann. Und ein Signal an die Bevölkerung, dass wenigstens jemand die Taschenlampe sucht, wenn der Staatshaushalt wieder im Dunkeln tappt.

Doch Ironie des Ganzen: Während die JU Sparmaßnahmen fordert, wird ihr Deutschlandtag selbst von Sponsoren finanziert, deren Budgets ungefähr so transparent sind wie die Wasserrechnung des Kanzleramts.

Wenn der Rotstift zur Waffe wird

Die Junge Union zeigt sich als das, was sie schon immer war: die lautere, jüngere und manchmal etwas übermotivierte Schwester der CDU – ausgestattet mit Taschenrechner, Idealismus und der festen Überzeugung, dass man mit Excel Politik machen kann.

Und während der Kanzler über „akuten Platzmangel“ klagt, steht die JU da und sagt sinngemäß: „Dann macht doch mal Platz!“

Das ist mutig. Das ist konsequent. Und es ist herrlich symbolisch: Die Jugend der Union will sparen – und fängt damit dort an, wo die Politik am meisten Platz verschwendet: im eigenen Selbstverständnis.