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Politik

Die große politische Impro-Show – oder: Warum selbst Hühnerhaufen jetzt Organisationsvorbilder sind

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Die große politische Impro-Show – oder: Warum selbst Hühnerhaufen jetzt Organisationsvorbilder sind

In der CDU wächst der Frust – und zwar nicht heimlich hinter verschlossenen Türen, sondern so offen, dass man meinen könnte, die Partei habe neuerdings eine transparentere Kommunikationsstrategie als die Bundesregierung selbst. Die Kritik am Politikmanagement der Ampel und an der eigenen Parteispitze quillt inzwischen hervor wie schlecht verschlossene Tupperware im Kühlschrank: Man riecht es, bevor man es sieht.

Nach der Jungen Union meldet sich nun die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA) zu Wort – und wie. Der CDA-Chef Dennis Radtke hat eine Art öffentliches Politikkabarett gestartet, das so pointiert ist, dass Satiriker vermutlich neidisch applaudieren.

Die Fettnapfquote – Deutschlands neuester politischer Leistungsindikator

Radtke beschreibt die politische Lage im Land mit einer Formulierung, die man sich auf T-Shirts drucken lassen sollte: Die „Fettnapfquote“ sei erschreckend hoch.

In der Politik ist das bemerkenswert, denn Fettnäpfe gelten dort nicht als Unfall, sondern als Standardsportgerät. Doch offenbar ist die Bundesregierung dabei, selbst diesen Rekord zu brechen – und die CDU gleich mit. Radtke klingt, als hätte er die letzten Monate protokolliert und festgestellt: Die Regierung schafft es, in Fettnäpfe zu treten, die sie nicht einmal selbst aufgestellt hat.

Er klagt über ein „fehlendes Leitmotiv“. Kein Kompass, kein roter Faden, keine Strategie. Stattdessen gebe es nur das „Prinzip Freestyle“, bei dem jeder jederzeit irgendetwas Unkoordiniertes öffentlich herausposaune. Man könnte meinen, in Berlin regiere inzwischen eine politische Boygroup auf Abschiedstournee: viel Lärm, wenig Inhalt und jeden Tag ein anderes Drama.

Der Hühnerhaufen – seit Jahrhunderten unterschätzt, jetzt politisches Vorbild

Besonders eingängig ist Radtkes Vergleich mit einem Hühnerhaufen. Eigentlich steht dieses Bild für Chaos, Gekreische, kopfloses Durcheinander und überraschende Richtungswechsel. Aber jetzt, so Radtke, wirke jeder Hühnerhaufen „wie ein strukturiertes Gebilde mit klarem Kompass“ im Vergleich zur Bundesregierung.

Das ist nicht nur eine Ohrfeige – das ist eine ganze Backpfeifen-Symphonie. Vor allem, weil ausgerechnet die CDU, die seit einiger Zeit selbst nach Orientierung sucht wie ein Navi ohne Satellitenverbindung, dieses Bild nach außen trägt. Doch man muss sagen: Der Vergleich sitzt.

Ein Hühnerhaufen hat immerhin eines, was der Politik derzeit fehlt: ein gemeinsames Ziel – nämlich Körner finden. Das ist mehr als man von manchem aktuellen Regierungsprojekt behaupten kann.

Debattenroulette in Berlin: Heute Stadtbild, morgen Gas, übermorgen Arzneimittel

Radtke kritisiert, dass die Bundesregierung Debatten führt wie ein gelangweilter Teenager, der durch TikTok scrollt: hektisch, impulsiv und ohne erkennbaren Zusammenhang. Kaum sei die eine Diskussion beendet, beginne schon die nächste – völlig sinnfrei, schlecht getimt und ohne Rücksicht auf Realitäten.

Erst streitet man über das Stadtbild: Soll die Stadt schöner werden? Moderner? Historischer? Kunterbunter? Oder alles gleichzeitig? Kaum ist das abgehakt, geht es über zu Medikamenten-Regelungen, Altersgrenzen und der Frage, ab wann man wieder russisches Gas kaufen könnte – während in der Ukraine jeden Tag Menschen sterben.

Das wirkt wie eine Regierung, die versucht, gleichzeitig Sudoku zu lösen, einen Ikea-Schrank aufzubauen und eine brennende Küche zu löschen – und dabei keines der drei Projekte erfolgreich abschließt.

Die tickende Uhr: Zehn Monate bis zu den Landtagswahlen

Besonders eindringlich wird Radtke, wenn er auf die Wahlen im Osten blickt. Nur zehn Monate bleiben noch, und er warnt davor, dass die politische Stimmung dann über die Zukunft der Republik entscheiden könnte.

Wenn die Lage bis dahin nicht besser werde, „werden wir in einem anderen Land leben“. Was genau das bedeutet, bleibt bewusst vage. Vielleicht meint er ein Land, in dem Menschen aus Protest absurde Dinge wählen. Vielleicht meint er ein Land, das plötzlich wieder über Themen streitet, die längst geklärt schienen. Vielleicht meint er ein Land voller Hühnerhaufen – diesmal allerdings ohne Körner.

Sein Appell ist klar: Jeder solle sein Handeln überprüfen. Eine noble Forderung. Wobei man hier vorsichtig ergänzen könnte: Es wäre schon hilfreich, wenn manche überhaupt erst einmal anfangen würden, bewusst zu handeln.

CDU zwischen Rückspiegel und Nebelscheinwerfer

Die CDU selbst steht nicht besser da. Während die Regierung angeblich improvisiert, wirkt die Union oft wie ein Automotor, der zwischen Rückwärtsgang, Leerlauf und Nebelscheinwerfer hin- und herspringt.

Die Parteiflügel sind sich uneins: – Die JU trommelt für Modernisierung. – Die CDA fordern mehr Struktur. – Einzelne Landespolitiker brüllen dazwischen wie Stadionsprecher. – Und die Parteispitze versucht, all das zu einem harmonischen Gesamtbild zu kleben – mit dem Erfolg, den man von billigen Sekundenklebern kennt.

Doch Radtkes Kritik zeigt: Es brodelt. Und zwar nicht nur leise, sondern inzwischen so laut, dass es selbst in der Parteizentrale nicht mehr überhört werden kann.

Deutschland im Freestyle-Modus

Was bleibt? Ein Land, das politisch so improvisiert wie eine Schulband bei ihrem ersten Auftritt. Eine Regierung, die Themen durch die Gegend wirft wie schlechte Jongleurbälle. Eine Opposition, die es schafft, gleichzeitig zu kritisieren und selbst keine klare Linie zu bieten. Und ein CDA-Chef, der all das öffentlich ausspricht – in einer Schärfe, die man sonst nur aus Familienfeiern kennt, wenn alle zu wenig geschlafen haben.