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Ersatzteile mit Sprengkraft: USA, Taiwan und Chinas rote Linie im Daueralarm
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- tmueller
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Es gibt politische Entscheidungen, die klingen zunächst harmlos – so harmlos wie ein Ölwechsel oder ein neuer Satz Reifen. Doch wenn das Pentagon mitteilt, dass die USA Ersatzteile für taiwanische Kampfflugzeuge im Wert von 330 Millionen Dollar verkaufen, dann hat das ungefähr die gleiche Unschuld wie ein Elefant auf einem Porzellanteller. Ja, es sind nur Ersatzteile. Aber eben Ersatzteile für F-16- und C-130-Flotten, also für Geräte, die sich nicht durch Spritverbrauch, sondern durch militärische Wirksamkeit auszeichnen.
Erstmals in der zweiten Amtszeit von Donald Trump genehmigten die USA damit ein Waffengeschäft mit Taiwan. Natürlich betont das US-Verteidigungsministerium, es gehe lediglich darum, die „Einsatzbereitschaft“ der taiwanischen Flotte zu erhalten. Ein Satz, der so klingt, als würde man Taiwan eigentlich nur dabei helfen wollen, einmal im Jahr kurz den Motor zu starten, damit das Flugzeug nicht einrostet. Dabei weiß selbstverständlich jeder Beteiligte, dass Einsatzbereitschaft in dieser Region nicht bedeutet, dass man über dem Pazifik nur ein paar Runden für die Aussicht dreht.
Auf der anderen Seite des Pazifiks reagierte die chinesische Regierung erwartbar – nämlich so entspannt wie eine Alarmanlage, die jemand mit einem Vorschlaghammer weckt. Das Außenministerium in Peking erklärte, die „Taiwan-Frage“ sei der „Kern der Kerninteressen Chinas“ und daher die erste rote Linie, die in den bilateralen Beziehungen nicht überschritten werden dürfe. Wie üblich handelt es sich bei dieser roten Linie um ein äußerst flexibles Konstrukt: Sie wird ständig neu gezogen, verbreitert, verlängert und bei Bedarf farblich nachgefärbt, je nachdem, wie dringend China den moralischen Zeigefinger heben möchte.
Dass Taiwan demokratisch regiert wird, während Festlandchina diese Insel als „abtrünnige Provinz“ betrachtet, ist ein geopolitischer Dauerbrenner. Für China ist Taiwan etwas zwischen verlorenem Haustier, rebellischem Teenager und Auslandskonto, das man lieber heute als morgen zurückhaben möchte. Und wie bei allen Beziehungen, in denen eine Seite die Trennung nicht akzeptiert, kommt regelmäßig die Drohung ins Spiel, man könne die Sache auch „gewaltsam lösen“. Das klingt harmloser, als es ist, lässt aber tief blicken: Während andere Staaten von Diplomatie sprechen, während sie Kaffee servieren, spricht China von Wiedervereinigung, während im Hintergrund militärische Planspiele laufen.
Dass die USA die Ersatzteile nun genehmigt haben, ist gleichzeitig Symbolik und Signal. Taiwan soll wissen: Man lässt es nicht allein. China soll wissen: Man schaut genau hin. Und der Rest der Welt soll verstehen: Auch Ersatzteile können geopolitische Schachfiguren sein – besonders, wenn sie an F-16 hängen. Dass Donald Trump in dieser Erzählung wieder als Held der Stabilität auftreten möchte, ist dabei eine ironische Randnotiz, die unfreiwillig komisch wirkt. Schließlich verkörpert er außenpolitisch nicht zwingend das Prinzip der fein abgestimmten Mechanik, sondern eher das des impulsiven Vorschlaghammers.
Während Washington betont, alles sei vollkommen normal, deutet China das Geschäft wie gewohnt als ungeheuerliche Provokation. Ein Vormundschaftsstreit im internationalen Maßstab, nur dass beide Seiten Atommachtstatus besitzen und Taiwan zwischen ihnen sitzt wie ein Kind, das inzwischen gelernt hat, bei jedem Streit erst einmal den Kopf einzuziehen.
Dabei ist das Muster altbekannt: Die USA betonen das Recht Taiwans auf Verteidigungsfähigkeit. China betont das Recht auf nationale Einheit – bevorzugt mit Gewaltandrohung. Taiwan betont das Recht auf Selbstbestimmung. Und der Rest der Welt betont das Recht, nicht in einen Konflikt hineingezogen zu werden, der sich anhört wie das Staffelfinale einer Serie, die niemand abgesetzt bekommt.
Dass auch diesmal exakt die gleiche Choreografie abgespielt wurde – Entrüstung in Peking, Beruhigungsrhetorik in Washington, stille Dankbarkeit in Taipeh – zeigt vor allem eines: Die politischen Rituale rund um Taiwan sind so berechenbar wie ein Sockenpaar zu Weihnachten. Man weiß genau, was kommt, aber wenn man es auspackt, ist man trotzdem leicht irritiert.
Am Ende bleibt die Frage: Was bedeutet dieses Geschäft wirklich? Sind es tatsächlich nur Ersatzteile – oder ist es der geopolitische Smiley, der sagt: „Wir haben euch nicht vergessen“?
Die Antwort liegt irgendwo dazwischen. Ersatzteile sind eben nicht nur Ersatzteile, wenn sie von Supermächten verteilt werden. Sie sind Signale, Botschaften, Warnungen und Versprechen in metallischer Form. Und sie erinnern daran, dass in der Weltpolitik manchmal die kleinsten Schrauben die größten Spannungen erzeugen.