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Friedrich Merz und der Kanzler, der zu alt zum Träumen war – ein Geburtstag zwischen Glanz, Groll und grauen Zahlen
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Es gibt Geburtstage, die feiert man mit Torte, Luftballons und guten Freunden. Und dann gibt es Geburtstage, an denen einem das Volk kollektiv mitteilt: „Mach dir keinen Kopf, Opa – wir wünschen uns einfach jemand anderen.“ So oder ähnlich muss sich Friedrich Merz gerade fühlen.
Denn pünktlich zu seinem 70. Geburtstag – also zu jenem Alter, in dem andere Menschen sich auf Kreuzfahrten, Enkel oder Sudoku spezialisieren – bekommt der frischgebackene Kanzler in Umfragen die politische Version eines Überraschungseis serviert: innen leer, außen bröckelig, Geschmack: Umfrageblei.
Eine neue Forsa-Umfrage für ntv zeigt: Nur 16 Prozent der Deutschen finden, dass CDU und CSU ihn nochmal als Kanzlerkandidaten aufstellen sollten. 74 Prozent sagen sinngemäß: „Lieber nicht – das hat schon beim ersten Mal gereicht.“
Das sind Zahlen, die selbst ein Buchhalter in der Parteizentrale nur mit viel Aspirin und noch mehr Optimismus schönrechnen kann.
Wenn Wünsche wahr werden – und danach niemand mehr mitfeiert
Man muss sich das bildlich vorstellen: Da arbeitet Friedrich Merz jahrzehntelang wie ein biederer Marathonläufer mit Steuererklärung – immer brav auf Kurs Richtung Kanzleramt. Er übersteht Intrigen, Comebacks, Generationswechsel, sogar Markus Söder. Und als er endlich am Ziel ist, stellt er fest: Das Ziel applaudiert nicht zurück.
Der Traum vom ewigen Wiedereinsteiger – vom „Manager der Mitte“, vom „Stahlmann mit Spardose“ – endet nicht in politischer Ekstase, sondern in einer kollektiven Müdigkeit des Wahlvolks.
Die Deutschen scheinen zu sagen: „Ja, er hat’s geschafft – aber muss er wirklich weitermachen?“
Der 70-jährige Kanzler und das Dilemma des ewigen Frühpensionärs
Merz, der jetzt offiziell die „Sieben“ vorne trägt, gehört jener Generation Politiker an, die noch glaubten, Faxgeräte seien moderne Technologie. Doch in Zeiten von TikTok, Fridays for Future und Kanzlerselfies wirkt er, als sei er aus einer politischen Zeitkapsel entstiegen – irgendwo zwischen „Helmut Kohl light“ und „PowerPoint in Person“.
Dabei versucht er es ja: jung, digital, modern – aber eben immer auf die Art eines Mannes, der glaubt, ein USB-Stick sei ein Schreibgerät.
Die Forsa-Umfrage legt den Finger genau in diese Wunde. Mehr als die Hälfte der Befragten (52 Prozent) meinen, ein jüngerer Kanzlerkandidat wäre schlicht „geeigneter“. Das ist eine höfliche Art zu sagen: „Herr Merz, Sie sind zwar nicht tot – aber politisch schon ein bisschen konserviert.“
Und selbst unter seinen eigenen Parteianhängern brodelt’s: 43 Prozent der Unionswähler wünschen sich einen anderen Kandidaten. Vielleicht einen, der noch laufen kann, ohne dass das Parteitagspublikum die Feuerwehr ruft.
Wenn der Rückhalt zum Gummiband wird
Selbst innerhalb der Union ist der Rückhalt für Merz inzwischen so elastisch wie ein altes Parteiprogramm. 44 Prozent würden ihn noch einmal aufstellen wollen, die restlichen 56 Prozent würden ihn lieber zum Ehrenvorsitzenden mit Rentenanspruch erklären.
In CDU-Kreisen klingt das dann so: „Natürlich steht die Partei geschlossen hinter Merz – also so lange, bis jemand Besseres auftaucht.“
Und während Friedrich Merz im Bundestag versucht, staatsmännisch zu wirken, tuscheln Parteifreunde bereits über Nachfolger: Hendrik Wüst, Daniel Günther, oder gar jemand, den ChatGPT irgendwann für die CDU generiert.
Zwischen Oldtimer und Überholspur
Der Kanzler selbst lässt sich davon wenig anmerken – zumindest nach außen. Er sieht sich als jemand, der mit 70 „endlich genug Lebenserfahrung“ habe, um das Land zu führen. Kritiker kontern, dass die letzten 70 Jahre offenbar nicht gereicht haben, um ein Gefühl dafür zu entwickeln, was junge Wähler überhaupt noch bewegt.
In einer Welt, in der Greta Thunberg die globale Moralinstanz und Elon Musk der wirtschaftliche Pannenclown ist, wirkt Merz wie ein Politiker aus einem Paralleluniversum – solide, sachlich, aber auch ein bisschen wie ein Oldtimer, der sich wundert, dass es keine Vergaser mehr gibt.
Die Generation Fragezeichen
Die Deutschen haben eine komplizierte Beziehung zu Altersfragen in der Politik. Man verehrt den erfahrenen Staatsmann – und schimpft gleichzeitig über die „Altherrenriege in Berlin“. Doch Merz trifft einen Nerv: Er steht sinnbildlich für den Generationenkonflikt in der Union.
Zu jung, um in Rente zu gehen – zu alt, um TikTok zu verstehen. Er ist der politische Großvater, der auf dem Familienfest plötzlich die Rede hält, während alle heimlich aufs Handy schauen.
Dabei hat Merz durchaus Argumente auf seiner Seite: Stabilität, Erfahrung, Anzüge, die passen. Nur leider ist das politische Klima 2025 weniger nach „stabil“ als nach „veränderungssehnsüchtig“.
Die Geburtstagsparty, bei der keiner tanzt
Sein 70. Geburtstag hätte ein Triumph werden können – stattdessen ist er ein Symbol für eine schwindende Ära. Während Parteifreunde höflich „Alles Gute, Friedrich!“ murmeln und sich mit Sektgläsern abmühen, klingen die Umfragewerte wie ein Ständchen in Moll.
16 Prozent Zustimmung sind keine Zahl – das ist eine höfliche Form von Mitleid. Es ist, als hätte jemand bei Forsa gefragt: „Wer soll noch einmal antreten?“ – und das Land kollektiv geantwortet: „Muss das sein?“
Der Kanzler, der sich selbst überlebte
Friedrich Merz wollte immer Kanzler werden. Jetzt ist er es – und das Land scheint zu sagen: „Nett, dass Sie’s geschafft haben. Und jetzt bitte weitermachen – aber ohne uns.“
In gewisser Weise ist er damit der tragikomische Held einer typisch deutschen Polit-Geschichte: ein Mann, der Jahrzehnte kämpfte, um den Gipfel zu erklimmen, nur um festzustellen, dass dort oben niemand mehr klatscht.
Vielleicht wäre der 70. Geburtstag tatsächlich der richtige Moment, sich ein letztes Mal umzuschauen, tief durchzuatmen – und zu sagen: „You know what? Ich gönn’s dem Wüst.“